Bundesliga
Die Bayern haben selbst dafür gesorgt, dass Hitzfeld umstritten ist
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| Montag, 17. März 2008Die Fußballjournalisten verkneifen sich Schadenfreude über die Bayern-Niederlage in Cottbus, sorgen sich aber um die deutschen Nationalspieler in den Reihen Münchens und um die Autorität Ottmar Hitzfelds; Huub Stevens habe dagegen alles im Griff; Schalke hat, trotz Sieg gegen Duisburg, keinen Kredit bei Fans und Presse; Maik Franz, „Bad Guy“ aus Karlsruhe; Bochum und Stuttgart gleichstark – die Pressestimmen zum 24. Bundesliga-Spieltag
Dass Cottbus Bayern besiegt – etwas besseres könne der Liga nicht passieren, meint (etwas berechenbar) Roland Zorn (FAZ): „Für die Liga sind die rabenschwarzen Tage der Überflieger ein Segen. Wenn alles nach Programm verliefe, wo bliebe dann eines Tages das Zuschauerinteresse, das in keiner Fußball-Klasse weltweit so rege ist wie in der Bundesliga. Mindestens einmal pro Jahr, wenn nicht gar häufiger, müssen auch die Bayern wie in Spanien zuletzt auch die Fußballriesen von Real Madrid oder dem FC Barcelona zum Gespött der Leute werden, soll sich der Spaß am Spiel auch mit der im Fußball immer wieder gern erlebten Schadenfreude verbinden. Ribéry mal nicht überirdisch, Toni mal auf Stolperkurs, Klose mal (wieder) irgendwo im Abseits und Lucio mal wie die Karikatur eines Abwehrspielers: auch das gehört zum circensischen Massenspektakel.“
Zum Schattengewächs zurück entwickelt
Klaus Hoeltzenbein (SZ) denkt an die deutsche Nationalelf und legt die Stirn in Falten: „Joachim Löw hat einmal das Bild entworfen, wonach jeder Nationalspieler seine eigene Firma sein müsse. Aktuell sieht es so aus, als wären die Indikatoren einer abschwächenden Konjunktur auf dem Fußballplatz zu erkennen. Und die Not ist auch dort, wo sie nicht zu vermuten war: im reichen Süden, beim FC Bayern. Von diesem Klub wird stets erhofft, dass er einen Block zur Verfügung stellt, viele kleine, gesunde Firmen, die bei den Turnieren dann das große Ganze tragen. Wie aber soll das im EM-Sommer gehen, bei solchen Bilanzen? Lukas Podolski hat in der Bundesliga seit einem Jahr nicht mehr getroffen. Miroslav Klose wurde in der Rückrunde erst ein Tor angerechnet – beim 1:0 auf Schalke, als er einem Schuss des Kollegen Ribéry nicht mehr ausweichen konnte. Kloses jüngste Auftritte wirkten verhuscht wie die eines Geckos, der nimmermehr zurück will ans Tageslicht. Und in Cottbus wurde erneut der notorisch aktionsarme Bastian Schweinsteiger bereits zur Halbzeit ausgewechselt, aber auch Philipp Lahm. Die Niederlage des FC Bayern war besonders eine Niederlage seiner deutschen Nationalspieler. Keiner zeigt sich, keiner drängt sich auf, nicht einmal, wenn Ribéry und Toni schwächeln. Im Glanz, den der Franzose und der Italiener auf sich ziehen, hat sich manch einer zum Schattengewächs zurück entwickelt. Die Firma arbeitet nur noch im Dunkeln.“
Selbst dafür gesorgt, dass Hitzfeld umstritten ist
Stefan Osterhaus (taz) stellt die Trainer-„Politik“ der Bayern in Frage: „Das Timing der Klinsmann-Präsentation ist oft bewundert worden – mit dem Argument, dass die Performance des Teams nun nebensächlich sei, weil nur noch der FC Bayern unter Jürgen Klinsmann interessieren werde. In genau dieser Situation finden sich die Bayern jetzt wieder: Sie haben die Kompetenz des Trainers ohne Not untergraben. Sie redeten von Aufbruch, von Zukunft, und von Vision – ungeachtet dessen, dass sie von jenem Zeitpunkt an noch ein halbes Jahr mit Ottmar Hitzfeld leben müssen. Das Signal an die Spieler war nur allzu deutlich: Sie trainieren für ein Auslaufmodell. Und zwar nicht nur für das Auslaufmodell Hitzfeld, sondern für einen Klub, der im Begriff ist, seine Struktur komplett zu erneuern. Dass ein Trainerwechsel, der beschlossene Sache ist, nicht zwangsläufig dazu führen muss, dass ein Klub in Irritationen gerät, zeigt der HSV unter Huub Stevens. Doch der Unterschied zu den Bayern ist offensichtlich: In Hamburg wird der Nachfolger für einen starken Trainer gesucht, der nicht einen Augenblick lang umstritten gewesen war und den die Klubführung gern gehalten hätte. Die Bayern haben selbst dafür gesorgt, dass Hitzfeld alles ist – bloß nicht unumstritten.“
Düpiert
Jan Christian Müller (FR) beantwortet die Frage, wie es eigentlich passieren könne, dass Cottbus München schlägt: „Wenn in einem Fußballspiel jeder der zehn Feldspieler des viel besseren Teams in je zehn Situationen darauf verzichtet, drei, vier, fünf Meter in Richtung Mann oder Ball zu laufen, errechnen sich zusammen 300 bis 500 fehlende Laufmeter und womöglich 30 bis 50 erst gar nicht durchgeführte oder wegen fehlender Hingabe verlorene Zweikämpfe. Körperlich und läuferisch, taktisch und konditionell sind die Unterschiede im Bundesligafußball inzwischen minimal. Kunstfertigkeit im Umgang mit dem Spielgerät kann somit latente Lustlosigkeit nicht kaschieren. Wer die Bayern nicht mag, braucht seine Schadenfreude darüber nicht zu verhehlen. Bayernfans müssen aber nicht übermäßig traurig sein: Meister werden sie trotzdem.“
Matthias Wolf (FAZ) stimmt in diese Kritik ein: „Das Team zeigte in keiner Phase Siegeswillen. Sinnbild hierfür waren die beiden Tore durch Branko Jelic, bei denen gleich mehrere Nationalspieler wie Lahm, Schweinsteiger, Lucio und van Buyten tatenlos zusahen. Düpieren ließen sie sich vom namenlosen Cottbuser Nationenmix, der noch mehr Treffer hätte erzielen können gegen schwer- und selbstgefällig auftretende Münchner, bei denen auch Franck Ribéry nichts gelang. Das dürfte die Diskussionen nähren, wie abhängig die Bayern von ihm sind. Er verschoss sogar einen Strafstoß, der allerdings ohnehin unberechtigt war, weil Luca Toni sich hatte fallen lassen.“
Differierende Auffassung
Von Andreas Burkert (SZ) erfahren wir, dass die Bayern erneut nicht mit einer Zunge reden: „Uli Hoeneß ist natürlich nicht sonderlich glücklich über Demichelis’ Verhalten, aber er deutete auch an, dass er Ottmar Hitzfelds Maßnahme womöglich für etwas überzogen hält. Eine differierende Auffassung von Sanktionen hatte Hoeneß bereits jüngst nach dem Platzverweis von Mark van Bommel offenbart, als er im Gegensatz zu Hitzfeld nicht für eine Geldstrafe plädierte. Und während der Trainer nun dem Egomanen Demichelis für die Rückkehr ins Training ‚erst mal laufen’ in Aussicht stellte, warb der Manager schon mal um Begnadigung. Demichelis wäre demnach in Abwesenheit und trotz des riesigen Ärgers sogar ein Gewinner von Cottbus. Sonst schlichen ja nur Verlierer davon, wie das überforderte Mittelfeld mit Zé Roberto und Schweinsteiger sowie der seltsam indisponierte Außenverteidiger Lahm. Nur Ribéry mühte sich nach der Pause, in der man ungläubig staunend auf eine zweite Torchance nach dem erschummelten Strafstoß wartete. Vergebens.“
Marcell Jansen wird in der SZ mit der feinen Stilblüte zitiert: „Wir haben den Gegner stark gemacht und sind dann den Torchancen hinterher gelaufen, die wir aber gar nicht hatten.“
So weit ist es noch nicht!
In der Berliner Zeitung bestaunt Wolf die Auferstehung Cottbus’: „Mehrere Tage lang mussten die Profis des Tabellenletzten in der lokalen Presse den Spott ertragen, dass es für sie gegen den übermächtigen Tabellenführer nur noch um zwei Dinge gehe: die Niederlage in Grenzen zu halten und das Trikot von Ribéry zu erhaschen. Als wertvolle Erinnerung an die Abschiedstournee durch die Bundesliga. So weit aber ist es noch lange nicht. Den sportlichen Striptease legte der Tabellenführer hin. (…) Keiner hatte mehr einen Pfifferling auf die zuletzt so kraft- und mutlosen Brandenburger gegeben, die vom eigenen Anhang als Ballerinas verspottet worden waren – und nun spielten sie den Souverän der Liga zeitweise an die Wand.“
Keine Spur vom Lame-Duck-Phänomen
Frank Heike (FAZ) bescheinigt dem Hamburger Trainer große Autorität: „Huub Stevens ist es gelungen, diese Mannschaft ganz auf die Gegenwart einzuschwören. Er hat alles im Griff, obwohl er nur noch zehn Wochen das Sagen hat. Keine Spur vom Lame-Duck-Phänomen. Platz 2 oder 3 und die Champions League soll es schon werden für die Hamburger. Es wäre wirklich interessant zu sehen, wie sich diese taktisch gereifte Mannschaft mit ihren vielen Optionen von der Bank gegen europäische Klasse schlägt. Und vielleicht käme Rafael van der Vaart doch noch mal ins Nachdenken, ob seine Zukunft denn unbedingt außerhalb der Hansestadt liegen muss. Wie der kleine Holländer am Samstag und am Mittwoch kämpfte, war allemal vorbildlich. Dass es den Dortmundern nicht gelang, aus der Hamburger Müdigkeit mehr zu machen, war ziemlich peinlich. Ohne die elf Treffer von Petric steckte sein Team jetzt bis zum Hals im Abstiegskampf. Wenn Thomas Doll sieht, welche Hamburger Mannschaft da so spielt, müssen ihm die Tränen kommen: Außer Boateng waren alle zu seiner Zeit in Hamburg auch schon da. Aber meistens verletzt.“
Das Duisburg Europas
Schalkes knapper Sieg – Richard Leipold (FAZ) sieht Duisburg, denkt an Barcelona und warnt den Schalker Mittelstürmer: „In seiner aktuellen Form läuft Kevin Kuranyi Gefahr, seine Chancen auf eine Nominierung für die Europameisterschaft zu schmälern. Einige Fachleute sehen ihn sogar schon auf ähnlichen Abwegen wie vor zwei Jahren, als er mit unzureichenden Leistungen seine sichergeglaubte Teilnahme an der WM verspielte. Der Unmut mancher Schalke-Fans erinnert auch akustisch an jene Zeit. Unzufriedenheit ist in Schalke ein Stück Normalität – sogar an einem vermeintlichen Glückstag wie diesem, der in der Mittagszeit die Illusion förderte, Schalke könne mehr sein als nur eine Sternschnuppe am europäischen Fußball-Firmament. Aber was hat die Westfalen eigentlich davon abgehalten, ihre Begeisterung über das Champions-League-Los mit auf den Rasen zu nehmen? Die anfangs forschen, später nur noch verteidigenden Duisburger Abstiegskämpfer können es nicht gewesen sein. (…) Vielleicht war der Auftritt ja auch Teil einer besonders raffinierten Verschleierungstaktik; vielleicht wollten die Gelsenkirchener den FC Barcelona in Sicherheit wiegen, auf dass die Katalanen Schalke noch mehr unterschätzen, als sie es möglicherweise ohnehin tun.“
Auch Philipp Selldorf (SZ) misst den Sieg gegen Duisburg nicht mit Bundesliga-Ellen: „Das Bild hinter der aktuellen Punkt- und Wettbewerbsstatistik ist bei Schalke unverändert trist. Die Betrachtung der Partie ließ die Tatsache abstrus erscheinen, dass ein paar Stunden zuvor der FC Barcelona als Gegner bestimmt wurde. Im gegenwärtigen Stadium der Euroliga ist Schalke ein MSV Duisburg, eine Größenverschiebung tritt ein, die komisch ist.“
Übertreibender Leitwolf
Tobias Schächter (SZ) sagt genau, was ihn an Maik Franz stört, dem Karlsruher Abwehrspieler, der gerade dabei ist, zum „Bad Guy“ der Liga zu werden: „Unschuldig ist Franz an seinem Image nicht. Es ist nicht so sehr seine harte Gangart, die ihn ins Gerede bringt, auch andere Abwehrspieler agieren hart. Was Franz schadet, ist die oft übertriebene Interpretation seiner Rolle als Leitwolf, die sich in einer aggressiven Körpersprache ausdrückt. Er müsste wissen, dass es sich verbietet, auf Spieler, die verletzt am Boden liegen, mit dem Finger zu zeigen und auf sie zuzurennen, als wolle man sie durchschütteln. Am Samstag war das nicht zum ersten Mal der Fall. Eine oft angewandte Marotte ist es zudem, beim Verlassen der eigenen Hälfte den gegnerischen Stürmer anzurempeln. Am Samstag hatte man den Eindruck, als bisse sich der Publikumsliebling mit Lust in seiner Rolle fest. Gegen die Eintracht raubten die Hahnenkämpfe, die Franz immer wieder mit Amanatidis und Weißenberger austrug, dem KSC die Kraft und den Spielfluss, um dem Duell noch eine Wende geben zu können.“
Ohne gefühlten Verlierer
Ulrich Hartmann (SZ) bemerkt Gleichmaß beim 1:1 zwischen Bochum und Stuttgart: „Es gab nicht nur effektiv keinen Verlierer, sondern auch keinen gefühlten. Die Stuttgarter hatten nach vier Siegen in Serie mit ihrem zweiten Unentschieden in dieser Saison vorlieb nehmen müssen, und taten das gern angesichts eines Spiels, in dem beide Mannschaften je ein gültiges und ein fälschlicherweise aberkanntes Tor erzielt hatten, in dem beide Teams drei Gelbe Karten und drei Ecken erhalten hatten und in dem beiden beinahe das Siegtor gelungen wäre. Viel ausgeglichener kann solch ein Spiel nicht ablaufen, und viel zufriedener können zwei zur riskanten Offensive neigende Mannschaften nicht auseinandergehen.“