Bundesliga
Konturen einer Spitzenmannschaft
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| Dienstag, 18. März 2008Bayer Leverkusen hat Werder Bremen nicht nur in der Tabelle überholt, sondern auch in der Gunst der Journalisten und Wahrsager
Philipp Selldorf (SZ) verpasst Bayer Leverkusen nach dem 4:1 gegen Nürnberg ein Gütesiegel: „In der zweiten Halbzeit spielte Bayer jene Qualitäten aus, die das Team zu einem seriösen Versprechen machen. Das jugendliche Wirbeln von Barnetta, Castro, Kießling wird dann ziemlich unwiderstehlich, und zum Leidwesen des anwesenden Bundestrainers Löw verlor außer den Nürnbergern auch Bernd Schneider erneut den Anschluss, so dass er zur Pause das Feld verlassen musste. Gemäß dem amtlichen Plansoll ist ein Angriff auf die Champions-League-Ränge der Liga zwar erst fürs nächste oder gar übernächste Jahr vorgesehen. Aber diesen Entwurf hat die ehrgeizige Mannschaft für sich bereits revidiert, zumal sie in Gestalt des quasi neugeborenen Gekas plötzlich über einen zuverlässigen Torschützen verfügt. Während die Konkurrenz in Bremen oder Schalke mit sich hadert, regt sich in Leverkusen neues Interesse.“
Richard Leipold (FAZ) blickt gespannt auf das nächste Spiel in München – und den Rest der Leverkusener Saison: „Diese Partie könnte nach längerer Zeit wieder den Charakter eines Gipfeltreffens gewinnen, weil die Rheinländer sich anschicken, Konturen einer Spitzenmannschaft zu gewinnen. Ist die Leverkusener Kombination aus Spielfreude und Angriffslust am Ende doch besser geeignet, den Favoriten herauszufordern als der Ergebnisfußball des HSV oder die längst nicht mehr kontrollierte Offensive der Bremer?“
Den Nürnbergern rät Selldorf zu mehr Rücksichtslosigkeit: „Unter den Braven ist ausgerechnet der größte und stärkste Nürnberger der bravste: Jan Koller besitzt eine Seele voller Mitgefühl, für jede halbwegs spürbare Gegnerberührung entschuldigt er sich wie ein Sünder vor dem Herrn. Menschlich ist das ehrbar, aber für einen Profi leider nicht angemessen. Der 2,02 Meter lange tschechische Stürmer macht zu wenig Gebrauch von den Vorteilen seines eisernen Körpers. Dieser Mangel an Gemeinheit ist ohnehin ein zentrales Problem im Nürnberger Spiel, das mit Spielern wie Saenko, Misimovic, Mnari gehobene Technik aufweist, aber zu wenig Zweikampfhärte im Zustand der Bedrängnis.“
2008 kein Spitzenteam
Frank Heike (FAZ) meint nach dem 0:1 gegen Wolfsburg, dass aus dem Bremer Vorzug ein Nachteil geworden sei: „Erfrischend offensiv, das war dieses Mal kein Prädikat, sondern ein Makel. Denn es war kopflos, wie Werder spielte – auch nach dem Gegentor. Es blieb genug Zeit, doch ohne den guten Tim Wiese im Tor hätte Werder bei weiteren Kontern höher verlieren können. Wie es in Bremen so ist, hielten sich die Vorwürfe in Grenzen. Die Verantwortlichen vertrauen auf eine ruhige Woche ohne Pflichttermin. Der vermisste Diego wird nach seiner Sperre zurückkehren in Bielefeld. Doch in einer verunsicherten Bremer Mannschaft wird nicht er allein alles ändern können: Seit diesem Sonntag ist man bei Werder ernsthaft besorgt, dass es nichts werden könnte mit der fünften Champions-League-Teilnahme nacheinander.“
Jörg Marwedel (SZ) findet, dass sich Bremen gar keinen rigorosen Offensivstil leisten könne: „Stürmer wie Markus Rosenberg, Hugo Almeida und Boubacar Sanogo sind nicht genug, um Meister zu werden. Ohne schlagkräftige Angreifer ist das riskante Bremer Spiel eben noch riskanter. (…) Bremen hat 2008 überhaupt noch kaum wie ein Spitzenteam gespielt.“
Ultimate crime
Raphael Honigstein (Guardian-Blog) trägt zur Bayern-Niederlage in Cottbus nach: „In the eyes of the media, the Bavarian giants never really lost because the domestic opposition was better. They lost because they were ‚pomadig’, too assured of their own supremacy. The word invokes the idea of dashingly groomed aristocrats afraid to get their shoes dirty against more honest, hard-working opponents. It’s inverted snobbery, and it’s also a backhanded compliment, of course – it assumes superior talent, vast fortunes and a sense of style – but it’s never been perceived as such. In German post-war mythology, the nation was rebuilt through sheer hard work, impeccable professionalism and the will to get stuck in. Relying on money and skill was always seen as a form of cheating. It set you up for a well-deserved fall. ‚Pomadig’, in that sense, was the ultimate crime.“