Am Grünen Tisch
Strafrechtlich irrelevant, sportpolitisch von großer Bedeutung
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| Montag, 7. April 2008Jens Weinreich (Neue Zürcher Zeitung) bringt uns in Sachen ISL-Prozess auf den neuesten Stand: „Präzise betrachtet, laufen zwei Verfahren ab: zum einen der Strafprozess gegen die ehemaligen ISL/ISMM-Gewaltigen, die sich seinerzeit als Herren des Universums fühlten und teilweise so benahmen. Zum anderen vollzieht sich eine Art moralische Reinigung, in deren Mittelpunkt das gerichtsfest dokumentierte, atemraubende Schmiergeldsystem steht. Die Rolle der Medien als vierter Gewalt rechtfertigt es, sich darauf zu konzentrieren. (…) Der Fokus auf dem Schmiergeldsystem ist schon deshalb wichtig, weil die Bestechung von Privatpersonen (als solche gelten hochrangige Sportfunktionäre aus IOK, Fifa, IAAF, Fina und anderen Verbänden), die über Jahrzehnte dieses Business dominierte (und vielleicht immer noch dominiert), im fraglichen Zeitraum nicht strafbar war. Es gibt also gar keine andere Instanz als die Medien, die diese skandalösen Vorgänge öffentlich machen können. Moralisch gehören die Sportfunktionäre, die sich schmieren ließen, mit auf die Anklagebank. Nur dann könnte es Aufklärung geben. Denn Korruption kennt nur einen Todfeind: Öffentlichkeit.“
In einem weiteren Text in der NZZ heißt es: „Ohne solche Schmiergelder – vor Gericht war von 138 Millionen Franken die Rede – wäre die ISL vermutlich nie zu ihren immer wieder erneuerten Verträgen gekommen. Und die Funktionäre aus den Reihen des Weltsports, auch der Fifa, hätten keinerlei Zusatzeinkommen generiert. Diese Schmiergeldzahlungen sind zwar strafrechtlich nicht relevant – sportpolitisch aber von großer Bedeutung; vor allem auch, weil sie ein System offen legen, das es offiziell nie gegeben hat und das immer wieder als Hirngespinst allzu kritischer Journalisten abgetan wurde. Dass der Strafprozess selber die Liste mit den Namen der Geldempfänger zutage fördert, ist zu bezweifeln – zumindest bisher war dies nicht der Fall. Interessant dürfte es aber alleweil werden – vor allem auch, weil die Fifa mit Hauptsitz in Zürich, die ursprünglich den Prozess gegen die sechs ehemaligen Manager der ISL angestoßen, später aber, aus welchen Gründen auch immer, wieder ihr Desinteresse erklärt hatte, von der Verteidigung zum Hauptschuldigen am zweitgrößten Konkursfall in der hiesigen Wirtschaftsgeschichte gestempelt wird.“