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Champions League

Fußball auf diesem Level ist praktizierter Darwinismus

Oliver Fritsch | Donnerstag, 10. April 2008 Kommentare deaktiviert für Fußball auf diesem Level ist praktizierter Darwinismus

Im Viertelfinale setzen sich die reichen und starken Klubs aus Chelsea und Liverpool – und nicht das schöne Arsenal

Christian Eichler (FAZ) blickt, ästhetisch wenig angeregt, voraus auf das Halbfinale zwischen Liverpool und Chelsea, das zum dritten Mal stattfinden wird: „Hauptgrund für Arsenals Scheitern ist der zu dünne Kader, den Arsène Wenger nicht annähernd in dem Maße durch teure Transfers verstärkt hat, wie dies Liverpool und Chelsea seit Jahren tun. Beide hatten miserable Saisonstarts, Liverpool mit einem Punkt aus den ersten drei Gruppenspielen, Chelsea mit einem 1:1 gegen Trondheim, nach dem Trainer José Mourinho entlassen wurde. Nun aber stehen beide am Ende fast wie gewohnt im Halbfinale, und das mit Teams ohne großen Glanz, aber mit Kadern voll physischer und mentaler Stärke. Fußball auf diesem Level ist praktizierter Darwinismus. Wieder hat die zermürbende Mischung aus englischer und europäischer Liga nicht die Schönsten, sondern die Stärksten überleben lassen. Deren direkte Duelle versprechen nun den üblichen Nervenkrieg um die Frage, wer die erste kleine Schwäche zeigt. Ein Fußball-Feuerwerk ist nicht zu erwarten: In den bisherigen vier Halbfinalduellen der beiden Klubs fielen gerade mal zwei Tore.“

Sieger des Kopfballduells Crouch! Sieger des Kopfballduells Crouch! Seht den Imperator! Seht den Imperator! Seht den Meister! Seht, wohin er den Ball geschossen hat! Seht, wohin er ihn gelenkt hat! Seht, wo er gelandet ist! Seht, wo er ihn hingelegt hat! Seht, wo er ihn hin platziert hat, hin platziert, hin platziert! Der große Torres! Fernando, Fernando, Fernando!

Ballack glänzt bei Chelsea mit Stirn und Hirn

Raphael Honigstein (Financial Times Deutschland) inspiziert beim 2:0 gegen Fenerbahce Chelseas Artillerie und deren Streubreite: „Dieses Chelsea kann Meister und Champions-League-Sieger werden, aber wer mag einen Blick in die Glaskugel wagen, wenn schon die Gegenwart so schwer zu enträtseln ist? Zwei völlig unterschiedliche Spielhälften zeigte das Spiel, an dessen Ende ein Paradox blieb: Chelsea ist derzeit die anfälligste, konfuseste Ergebnismannschaft der Welt. Zu Beginn drückte scharfes Pressing den Türken die Klinge an den Hals; meist unpräzise, aber immer unheimlich wuchtige Angriffe stellten die physisch unterlegenen Gäste vor unlösbare Probleme. Chelsea ballerte wie die dicke Bertha drauflos – die schiere Anzahl und Größe der Geschosse machte den Gegner platt, die mangelnde Feinjustierung fiel so nicht ins Gewicht. Nach der Pause aber gewährte man Fenerbahce eine schleierhafte Feuerpause. Als die Fehlpassquote Kneipenliga-Niveau erreichte und Grant mit einem defensiven Wechsel Fener zu Angriffen ermunterte, flirteten die Gastgeber plötzlich mit dem Aus. Eine kalte Welle der Angst erfasste das Stadion. Äonen zurück liegt die Zeit, in der die Westlondoner mit nahezu maschineller Effizienz 1:0-Siege aneinanderreihten. Chelsea kann Spiele weder dominieren noch kontrollieren.“

Eichler hebt mit den englischen Zeitungen den Torschützen Michael Ballack hervor: „Der Liebling des Monats in London ist ein Deutscher. Von fast allen englischen Blättern wurde Michael Ballack zum besten Spieler, zum ‚Man of the Match’ erkoren. Lampard schwach, Terry blass, Drogba von eigenen Fans beschimpft: In einem spielerisch uninspirierten Team ist Ballack die Leitfigur der Stunde. Ballack glänzt bei Chelsea mit Stirn und Hirn.“

Über Arsenal, 2:4 in Liverpool unterlegen, schreibt er: „Zweimal hatte Arsenal wie der kommende Chelsea-Gegner ausgesehen: nach einer halbstündigen Demonstration von Kombinationsfußball zu Beginn, die zum 1:0 durch Diaby geführt hatte; und nach dem Traum-Solo des 19-jährigen Theo Walcott, der achtzig Meter und vier Gegner im Sprinttempo hinter sich ließ und Adebayor den Ball zum 2:2 perfekt servierte. Doch immer wieder kosteten Arsenal, seit Mitte Februar in der Krise, Unkonzentriertheiten in der Abwehr ihre Chance.“

Wie er sie umspielt, Walcott, Walcott, Theo Walcott! Junge, Junge, Junge, Junge! Allah! Allah! Allah! Wie er ausweicht! Wie er sie umspielt! Erst einen, dann den zweiten! Wie ein englischer Maradona! Er kämpft sich den Weg frei, englischer Diego Maradona! Ein wunderbarerer Pass! Hyypiä wollte foulen, Hyypiä! Unglaublich Sami, unglaublich Sami!

Shakespearescher Dramenstoff

Auch Wolfgang Hettfleisch (FR) sieht leidend erneut das Gute verlieren: „Unterm Strich steht, dass Arsenal mal wieder das große Ziel verpasst hat, die Champions League zu gewinnen. Wenger steht im zwölften Jahr auf der Kommandobrücke Dort wird er auch unangefochten bleiben. Er hat das Spiel der ‚Kanoniere’ revolutioniert. Auch half der von ihm verordnete, von technisch überdurchschnittlich begabten Spielern zelebrierte Hochgeschwindigkeitskombinationsfußball der Premier League auf dem Weg in Herzen und Brieftaschen. Doch Wengers vergebliche Versuche, den europäischen Thron zu erklimmen, taugen fast schon zum Shakespeareschen Dramenstoff. Kritiker seines Fußballtheaters könnten sagen, mit seiner romantischen Vorstellung vom ästhetisch perfekten Spiel sei er kühlen Taktikern wie Liverpool-Coach Rafael Benítez in entscheidenden Momenten nicht gewachsen.“

Danke an Rim Georges für die Übersetzungen des arabischen Video-Kommentars

Morgen lesen Sie hier Pressestimmen zu Barcelona–Schalke (1:0) und Manchester–Rom (1:0). Hier schon mal die Video-Höhepunkte:

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