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Bundesliga

Ende eines quälenden Prozesses

Oliver Fritsch | Montag, 14. April 2008 Kommentare deaktiviert für Ende eines quälenden Prozesses

Der 28. Spieltag: Die Entlassung Mirko Slomkas in Schalke findet eher den Zuspruch der Presse, wenngleich die Vereinsführung ihr Fett kriegt / 5:1-Sieg der Bremer gegen Schalke verkehrt die Verhältnisse auf dem Spielfeld / Hamburg außer Form

Philipp Selldorf (SZ) wertet die neue Trainerlösung in Schalke als Erlösung – und als Gefahr: „Die abrupte Trennung beendet einen quälenden Prozess und befreit beide Seiten. Sportlich stagnierte das Team, Slomkas spezieller Nimbus als Hochschulfachkraft ohne die typische Bundesliga-Haudegenprägung war vergangen, seine personelle Linie rief ständig Grundsatzdiskussionen hervor, seine Rhetorik geriet zur Geschmacksache. Schalke wurde für ihn zunehmend zum Hochspannungsgebiet. Durch die Belastung für und durch Slomka ist die Atmosphäre im Klub zuletzt bleiern geworden. (…) Die Folgen werden sich allein gegen die Verantwortlichen richten, wenn die charmante und sicherlich populäre, aber extrem kühne Übergangslösung mit den alten Helden Büskens und Mulder schief gehen sollte. Einen Sündenbock gibt es dann nicht mehr.“

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) schreibt der Schalker Führung hinter die Ohren, dass man sich Mourinho & Co abschminken könne: „Wenn die Schalker glauben, die Prominenz der Fußballlehrerbranche locken zu können, dann überschätzen sie sich. Es gibt eine ansehnliche Zahl von Argumenten, die famose Fachleute dazu bewegen werden, Gelsenkirchen auf ihrem Karriereweg weiträumig zu umfahren. Schalke ist noch lange kein europaweit etablierter Standort, nur weil es einen weltweit umstrittenen Hauptsponsor besitzt und sich in dieser Saison ins Viertelfinale der Champions League gemogelt hat. Schalke, einst als Chaosklub bekannt, ist immer noch ein Verein, dessen Führung manchmal irrational agiert. Schalke leistet sich Allüren. (…) Dass die Schalker es nicht geschafft haben, Slomkas Amtszeit am Saisonende still und stilvoll zu beenden, ist ihre eigene Schuld. Sein Rauswurf wirkt wie eine panische Hauruck-Aktion.“

Michael Rosentritt (Tagespiegel) fällt ein Vergleich ein: „In Berlin gab es vor sechs Jahren eine ähnliche Entscheidung. Damals hieß es, dass Trainer Jürgen Röber nicht die Qualität besitze, das Team auf die nächste Entwicklungsstufe zu heben. Niemand hat die Frage gestellt, ob die Qualität des Kaders diesen Schritt hergibt, also ob für diesen Anspruch nicht eher eine entsprechende Mannschaft gebraucht wird.“

Dem Klima des Misstrauens entronnen

Roland Zorn (FAZ) ergänzt die Diskussion um seine Zweifel an der Schalker Mannschaft: „Der neue Trainer bekommt es fürs Erste mit einer Mannschaft zu tun, in der keine einzige Koryphäe des internationalen Fußballs am Ball ist. Wenn ein eifriger, oft übereifriger und zuletzt meist glückloser Stürmer wie Kevin Kuranyi schon als Star gilt, kann man sich ausrechnen, dass ein solches Ensemble vielleicht noch weitere Jahre braucht, um dem Klub endlich wieder eine Deutsche Meisterschaft zu bescheren. Slomka wird letztlich erleichtert sein, dem Klima des Misstrauens in die eigenen Fähigkeiten entronnen zu sein. Um ihn muss man sich keine Sorgen machen, eher schon um seinen ehemaligen Verein.“

Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) wirft ein: „Viele von den Journalisten, die täglich nach Gelsenkirchen fahren, mochten den meist verbindlichen, aber nie herzlichen Mann einfach nicht. Slomka reagierte immer öfter barsch, wirkte arrogant in seiner Freundlichkeit, woraufhin sich die Abneigung gegen den kühl auftretenden Trainer weiter steigerte. Diese Entlassung ist nun auch Folge einer Stimmung, die sich über Monate entwickelt hat und die irgendwann übermächtig wurde.“

Täuschung

Lesch (Berliner Zeitung) ordnet das Resultat zwischen Bremen und Schalke ein: „5:1, das sah aus nach dem Sturm-und-Drang-Stil, den die Bremer in den vorigen Jahren oft gezeigt haben und der sie zum meistgelobten Team der Bundesliga hat werden lassen. 5:1, das klang nach schwungvoller Schwerelosigkeit, nach einem Start-Ziel-Sieg, nach einem Tag ohne Zweifel. In Wahrheit aber war das Ergebnis eine Täuschung. Es verhöhnte den Spielverlauf. Es war eher Ausdruck von Schalker Schwächen als von Bremer Stärken. Schalkes Stürmer Kevin Kuranyi und Halil Altintop erwiesen sich als Bremens beste Verteidiger.“

Nachholbedarf in Sachen Krisenbewältigung

Ralf Wiegand (SZ) hält den Schalkern ein Vorbild im Umgang mit Niederlagen entgegen: „Vielleicht sollten Andreas Müller und Josef Schnusenberg mal in Bremen in Sachen Krisenbewältigung hospitieren. Dort hatte sich ja auch einiges angesammelt übers Jahr, viel mehr als das Schalker Kartenhaus je ertragen würde: 0:4 gegen Bayern, 3:6 in Stuttgart, Heimniederlagen gegen Bochum und Duisburg, Champions-League-Aus gegen das zuvor in einunddreißig Auswärtsspielen sieglose Olympiakos Piräus, Schlägereien unter den Spielern, der Acht-Millionen-Flop Carlos Alberto, Suspendierungen, ein Spielmacher Diego, der täglich an einen anderen Ort transferiert wird und zuletzt eine Rückrunde in Absteigermanier. Das alles aber konnte das grundsätzliche Vertrauen des Klubs in die Fähigkeiten von Thomas Schaaf nie erschüttern. Mirko Slomka hat solches Vertrauen nie genossen.“

Schlenderschritt

Claudio Catuogno (SZ) befasst sich mit der 0:1-Niederlage Hamburgs gegen Duisburg: „Die Systemfrage führt ins Zentrum der Stevens-Philosophie vom defensiven Betonfußball, den sie in Hamburg so lange ertrugen, wie er die gewünschten Resultate hervorbrachte. Ordnung statt Spektakel verlangt er stets von seinen Mannschaften – doch sobald die Abwehr wackelt wie gegen den MSV, löst sich das Gebilde auf wie eine Brausetablette. (…) Der HSV wird an diesem Spiel noch eine Weile zu knabbern haben.“

Frank Heike (FAZ) sucht in Hamburg nach Spuren von Qualität: „Dem HSV fehlte es völlig an Spieltempo. Alles geschah im Schlenderschritt. Breitwandig wurde das Spiel aufgebaut, Duisburg hatte alle Zeit, sich zu postieren. Es gab keine direkten Pässe und auch kein Flügelspiel. Die Entdeckung der Langsamkeit war von einschläfernder Wirkung: So wenig Stimmung gab es selten. Man hatte nie das Gefühl, dass die Hamburger den Sieg erzwingen wollten: Eher winkten sie ab, wenn ein anderer einen Fehler machte, oder erzählten sich gegenseitig, wo sie zu stehen hätten. Dabei ist Trochowskis Taktikschwäche genauso bitter wie Kompanys Lethargie oder Zidans Selbstzweifel. (…) Der MSV Duisburg war lange Zeit für alle Fachleute der erste Absteiger, so wie der Hamburger SV ein Aspirant für die Champions League war. Es hat nur vier Wochen gedauert, um beide Annahmen zu widerlegen.“

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