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DFB-Pokal

Geht es heute um Thomas Dolls Arbeitsplatz? Kann Ottmar Hitzfeld überhaupt etwas gewinnen?

Oliver Fritsch | Samstag, 19. April 2008 Kommentare deaktiviert für Geht es heute um Thomas Dolls Arbeitsplatz? Kann Ottmar Hitzfeld überhaupt etwas gewinnen?

Vor dem Pokalfinale stehen beide Trainer im Zentrum der Aufmerksamkeit

Holger Pauler (Berliner Zeitung) glaubt nicht daran, dass sich Geschichte wiederholt: „Vor 19 Jahren befand sich der BVB in einer vergleichbaren Situation: in der Liga lief es mittelprächtig, die finanziellen Altlasten der Vergangenheit drückten noch auf den Etat, doch urplötzlich stand man im Finale des DFB-Pokals. Am 24. Juni 1989 wurde Werder Bremen mit 4:1 besiegt. Bis heute hält sich die Legende, dass eben dieser Erfolg das Fanal für die erfolgreichste Epoche des BVB gewesen sei: Zwei deutsche Meisterschaften, die Champions League und der Weltpokal konnten unter Ottmar Hitzfeld gewonnen werden. Borussia Dortmund avancierte zum größten Konkurrenten des FC Bayern. Durch Misswirtschaft und eine Reihe sportlicher Rückschläge büßte der BVB seine Rolle ein; vor vier Jahren stand der Verein schließlich vor dem Ruin. Obwohl Borussia Dortmund mittlerweile als gesund gilt, ist eine ähnliche Entwicklung nicht in Sicht. Seit Thomas Dolls Amtsantritt vor gut einem Jahr, hat sich die Mannschaft nicht weiterentwickelt.“

Richard Leipold (FAZ) rückt den Dortmunder Trainer in den Fokus: „Aus der Umgebung der Geschäftsführung verlautet, BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke beurteile das Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Aufwand und sportlichem Ertrag ‚sehr kritisch’. Die Geschäftsführung habe eine klare Strategie und wolle auf keinen Fall eine schleichende Trainerdemontage nach dem Vorbild Schalke. Der Revierrivale hatte Mirko Slomka nach langen Diskussionen entlassen. In Dortmund dürften sie einen anderen Weg gehen. Entweder steht der angeschlagene Boxer auf, oder es könnte alles ganz schnell gehen.“

Angespannt

Endspieleuphorie vermisst Leipold in Dortmund: „Selten ist die Gefühlswelt eines Fußballklubs vor einem bedeutenden Finale so durcheinandergeraten wie bei Borussia Dortmund. Lange galt der DFB-Pokal als Farbtupfer auf dem tiefgrauen Hintergrund einer enttäuschenden Saison. Doch die Woche vor dem Endspiel hat viele Anhänger vollends entmutigt. Selbstbewusst auf Sieg zu setzen scheint ihnen unmöglich. Was noch schlimmer ist: Wer sich in der Stadt umhört, stößt nicht nur auf Prognosen in Moll oder die Sorge vor einem Debakel. Die jüngsten Misserfolge animieren sogar zum Sarkasmus. Auf der Flucht in die Ironie schlagen manche Leute sogar vor, die Finalspiele der Frauen und der Männer zu mischen, um die Spannung zu steigern. Im Vorprogramm solle Dortmund gegen die Frauen des 1. FC Saarbrücken antreten, ehe am Abend Bayern gegen den FFC Frankfurt spiele.“

Roland Zorn (FAZ) führt die Lage auch auf den frühen Termin zurück: „Erstmals seit langem kann auch das Pokalendspiel Wohl oder Wehe eines Trainers mit beeinflussen. Werden sonst nach dem Saisonende in der Liga auch die Verlierer der Berliner Sause gefeiert, geht es diesmal zuerst um die Restaurierung der Borussen-Ehre und damit vielleicht auch schon um den Arbeitsplatz von Doll. Dessen Kredit ist längst ausgereizt. Die Situation in Dortmund ist bei aller Bereitschaft, an der Berliner Party fröhlich teilzuhaben, angespannt. Ähnliches kann auch in Zukunft unter mannschaftlich anderen Vorzeichen geschehen, wenn das Pokalfinale häufiger im April statt im Mai ausgetragen werden sollte. Die Hauptdarsteller kommen unter diesen erschwerenden Umständen mitten aus dem beschwerlichen Alltag und kehren danach in ihre Liga-Arbeitsprozesse zurück.“

Überbleibsel aus alten Zeiten

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) rechnet vor, wie viel und doch so wenig der Bayern-Trainer in dieser Saison zu gewinnen hat: „Das ist die Tragik, mit der Ottmar Hitzfeld leben muss: Er hat Titel gesammelt wie kaum ein Fußballlehrer in Deutschland sonst, und er muss doch bis zum letzten Moment um Anerkennung kämpfen. Hitzfeld hat seine Mannschaften nie zum Zaubern inspiriert. Er hat nie einen Stil geprägt, der einzigartig, aufregend, schwärmerisch schön war. Er hat einfach nur Erfolg gehabt, auf seine ganz persönliche, nüchterne Art. Jetzt braucht er diesen Erfolg dringender denn je. Denn sein Arbeitgeber, der FC Bayern, in dessen Selbstverständnis zweite Plätze ohnehin Katastrophen sind, hat sein Aufgebot vor dieser Saison brutalstmöglich reformiert und nicht weniger als die Demütigung der nationalen Konkurrenz angekündigt. Wenn der Klub nun nicht den DFB-Pokal, die Meisterschaft und den Uefa-Cup gewinnt, dann ist die Saison für ihn, gemessen an den eigenen Sprüchen und Ansprüchen, eine Enttäuschung.“

Lesch zeigt auf die mächtigen Schatten, in denen Hitzfeld ist: „Hitzfeld, der Mann mit Vergangenheit, muss damit leben, dass er mit Klinsmann, der Hoffnung der Zukunft, verglichen wird und dass seine Defizite bei diesem Vergleich unübersehbar erscheinen: Er schafft es nicht, ein Team zu bauen, das größer ist als die Summe seiner Teile. Der Trickser Ribéry und der Torjäger Toni sind die Hauptfiguren des erneuerten FC Bayern. Der Trainer Hitzfeld wirkt eher wie ein Überbleibsel aus alten Zeiten.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ) verteidigt Hitzfeld: „Klinsmann ist ein ganz anderer Trainertyp, aber wohl auch deshalb haben sich die Bayern für ihn entschieden. Im Gegensatz zu dem Schwaben war und ist Hitzfeld kein Trainer, der Spieler weiterentwickelt. Zwar haben immer wieder ein paar Junge den Sprung in die Mannschaft geschafft, aber gekümmert hat sich Hitzfeld nie besonders um die Nachwuchsarbeit. Aber Hitzfeld zeichnet aus, was für erfolgreiche Trainer wichtiger ist als die Förderung von Talenten: Er versteht es, aus vielen Stars eine gut funktionierende Mannschaft zu basteln, und hat das richtige Gespür für den Umgang mit den unterschiedlichen Charakteren. Das ist wohl der Schlüssel zu seinem Erfolg. Hitzfeld befriedigt Eitelkeiten und räumt Sonderrechte ein, solange sie nicht dem Teamgedanken schaden. In dieser Saison war Hitzfeld angesichts der Anhäufung von Weltstars gefordert wie nie zuvor beim Integrieren und Vermitteln sowie bei der Suche nach der richtigen Dosis von Milde und Härte. Und es sieht ganz danach aus, dass Hitzfeld es schafft, sein Gesamtkunstwerk Bayern München innerhalb der kommenden Wochen zu vollenden.“

direkter freistoss vom 26. Oktober 2007: Ottmar Hitzfeld, ein Trainer, der nichts zu gewinnen hat

Heuchelei

Die spannendsten Textpassagen finden sich aber in zwei Interviews mit Christian Wörns, der sich über seine Nichtnominierung zur WM vor zwei Jahren durch den damaligen Bundestrainer äußert. Zum ersten sagt er der SZ: „Jürgen Klinsmann hätte mir einfach unter vier Augen rechtzeitig sagen können: Ich will dich nicht mehr. Dann wäre ich traurig gewesen, hätte es ungerecht gefunden, hätte aber dann den Mund abgeputzt, fertig. Stattdessen wurden hintenrum Spielchen gespielt. Da wurde nach außen hin immer davon gesprochen, dass es nur nach Leistungskriterien geht. Im Verein hatte ich die Saison komplett durchgespielt. Außer Per Mertesacker hat damals sonst keiner der Innenverteidiger im Verein gespielt. Klinsmann hat dann allerdings einen Innenverteidiger nominiert, der in Dortmund aus Leistungsgründen nicht gespielt hat. Es ist genau diese Art der Heuchelei, die ich als ungerecht empfand. Klinsmann hätte mir sagen können: Pass auf, ich nominiere einen anderen – das wäre für mich okay gewesen. Aber von Konkurrenzkampf und Leistungsprinzip zu sprechen, obwohl alles längst intern abgemacht ist, ist unsportlich und gehört sich nicht. Ich habe mit meinem Verhalten nicht provoziert, sondern Klinsmann und Bierhoff haben mich zu meiner Reaktion genötigt. Aber ich habe Abstand dazu, ich muss über das Thema nicht mehr sprechen.“

(Seltsame Auffassung von Heuchelei, finden Sie nicht?)

Zudem mangele es ihm selbst an Fürsprechern: „Nur gut Fußball spielen reicht heute nicht mehr. Du musst dich auch darstellen können, du brauchst eine Lobby aus Leuten, die an der richtigen Stelle etwas Positives über dich sagen. Das kriegt dann eine Dynamik, weil so viele nur das Gehörte nachplappern, die den Fußball oft nicht selber beurteilen können. So gibt es heute viele Spieler, die unterschätzt sind und andere, die überschätzt sind.“ Vergleiche mit den weltbesten Innenverteidigern scheut Wörns nicht: „Nesta ist sensationell. Dann Cannavaro natürlich, immer noch Thuram, Puyol. Die sind zweikampfstark, haben ein Super-Kopfballspiel, können die Kugel annehmen und sicher spielen. Ich denke aber, dass ich in meiner besten Zeit auf ähnlichem Niveau gespielt habe.“

Zum zweiten gibt er im Tagesspiegel zu bedenken: „Ich muss fairerweise sagen, dass Klinsmann mich ein, zwei Monate nach unserem Disput treffen wollte zu einem Gespräch. Das war rund um das Länderspiel gegen die USA in Dortmund. Ich habe es damals kategorisch abgelehnt. Ich war sauer darüber, wie ich ausgebootet wurde, obwohl ich einer der wenigen deutschen Innenverteidiger war, der Stammspieler in seinem Verein war. Noch heute glaube ich, dass ich mit meiner Kritik in der Sache richtig lag, aber ich hätte das Gesprächsangebot annehmen sollen.“

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