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DFB-Pokal

Selten hat ein Team mit weniger Leidenschaft den Pokal gewonnen

Oliver Fritsch | Montag, 21. April 2008 Kommentare deaktiviert für Selten hat ein Team mit weniger Leidenschaft den Pokal gewonnen

Das 2:1 Bayern Münchens gegen Borussia Dortmund ruft auch Kritiker auf den Plan, die sich an der matten Art des Siegs stören; zudem beargwöhnen die Journalisten die Titel, die Ottmar Hitzfeld in dieser Saison erreicht haben wird, unter dem Blickwinkel, was sie für seinen Nachfolger Jürgen Klinsmann bedeuten könnten. Mit Thomas Dolls Entlassung wird trotz der aufrechten Niederlage gerechnet – die Pressestimmen zum DFB-Pokalfinale

Roland Zorn (FAZ) schüttet Wasser in den Schampus des Pokalsiegers: „Wie eine Mannschaft aus Europas De-Luxe-Klasse wirkten die Münchner gegen einen fast gleichwertigen Gegner beileibe nicht. Sie bewiesen aber Standfestigkeit und zweifelten nicht an ihrer Überzeugung, sich in jeder Lage durchsetzen zu können. So wurden zwar noch keine Zeichen für die bevorstehende Rückkehr in die europäische Liga der Besten gesetzt, die die Konkurrenz in England oder Spanien beunruhigen könnten, doch für den Hausgebrauch reichte die Extradosis Erfolgsbesessenheit, personifiziert durch Oliver Kahn und Luca Toni, allemal aus. Wie fragil diese Konstruktion sein kann, deutete sich aber auch an. Ist Franck Ribéry in Durchschnittsform wie am Samstag, kommt gleich das ganze Bayern-Spiel ins Stocken. (…) Jürgen Klinsmann wird ein schweres Erbe, aber auch eine überaus reizvolle Aufgabe übernehmen, da in diesem Bayern-Ensemble noch viel zu entwickeln und viel zu verbessern ist. Auch das war deutlich zu sehen.“

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) drückt seine Enttäuschung über den Gewinner und das Spiel deutlicher aus: „Selten hat ein Team mit weniger Engagement und mit weniger Leidenschaft den Pokal gewonnen als der FC Bayern. Die Spieler von Trainer Ottmar Hitzfeld boten ein seltsames Spiel. Sie zauberten einen Führungstreffer aufs Feld, der jedes Lehrbuch schmücken würde: 40-Meter-Querpass von Mark van Bommel, perfekte Ballannahme von Ribéry, Flanke zu Toni, Schuss, Tor – da paarten sich Ästhetik, Übersicht, Präzision. Und dann? Kam nichts mehr. Die Münchner verwechselten Lässigkeit mit Nachlässigkeit, ihre Souveränität geriet zu Arroganz. Sie ließen es zu, dass die Dortmunder von der Karikatur eines Finalisten zu einem gefährlichen Gegner wurden. (…) Nie wirkte die Partie wie ein Drama, nie entfaltete sie die Atmosphäre, die Pokalfinals gern zugeschrieben wird, nie ließ sie Herzen rasen und Münder offen stehen, trotz des Dortmunder Ausgleichs in der 90. Minute, trotz der Verlängerung, trotz des Siegtreffers von Luca Toni, trotz der dämlichen Andi-Möller-Gedächtnisschwalbe des Dortmunders Jakub Blaszczykowski.“

Quälendes Spiel

Stefan Osterhaus (Financial Times Deutschland) stimmt ein, den Protagonisten widersprechend: „Die Verklärung setzte unmittelbar nach dem Abpfiff ein. Was für ein spektakuläres Pokalfinale dies gewesen sei, das wurde Karl-Heinz Rummenigge gar nicht müde zu betonen. Mit ihm war sich Thomas Doll einig, der artig wie ein Ministrant den Bayern kurz vor Mitternacht gratulierte – nach einem Match, das sich gar keine Verlängerung verdient hatte. Was sich auf dem Rasen der alten Kampfbahn abspielte, entsprach dem Niveau eines durchschnittlich schlechten Bundesligaspiels, in dem ein Außenseiter gegen einen lethargischen Favoriten in allerletzter Minute zum Ausgleich kommt. Doch weil der Finalmodus einen Sieger erfordert, wurde das quälende Spiel um eine halbe Stunde verlängert.“

Hinterlistig

Andreas Burkert (SZ) legt dar, dass Ottmar Hitzfeld Erfolg für sich sprechen lasse, an dem sich wiederum sein Nachfolger messen lassen müsse: „Eigenschaften wie Rachsucht oder Hinterlist werden dem Fußballlehrer und Menschen Hitzfeld nicht zugeschrieben. Auch deshalb dürften ihn die Menschen in München Mitte Mai mit Ovationen und Danksagungen in sein Pensionärsdasein entlassen, das er im Idyll der Schweizer Nationalmannschaft zu verbringen gedenkt. Denn wenn Hitzfeld doch einmal auf Rache aus war, dann reagierte er mit seinem Mittel: mit Erfolg. An den Dortmundern rächte er sich ehedem für deren Liebesentzug mit dem Wechsel zu den in Westfalen nicht sonderlich beliebten Bayern, für die er umgehend Titel in Serie sammelte. Und sein Erbe an den mutmaßlichen Superreformer Jürgen Klinsmann, der ihm, einem Mathelehrer alter Schule, vorgezogen wurde, könnte nun tatsächlich aus einem bisher unerreichten Triple bestehen. Dies ist beinahe hinterlistig zu nennen. (…) Klinsmann hat nur ein Jahr Zeit, um seine von großen Aufregungen begleitete Verpflichtung zu rechtfertigen: sein erstes Jahr.“

Platz 13 übersteht kein Trainer in Dortmund

Obwohl die Dortmunder die Erwartungen an sie übertroffen haben, rechnet Jan Christian Müller (FR) mit der Entlassung Thomas Dolls am Saisonende: „Am Sonntag haben die 10.000 Fans, die Mannschaft und Trainer in Dortmund begrüßten, dem angeschlagenen Coach noch einmal freundlichen Beifall zukommen lassen. Es war schon eine Art Abschiedsauftritt. Denn da Doll bei den BVB-Fans nicht annähernd so beliebt ist wie seinerzeit bei den Anhängern des HSV, wo er Kultstatus besaß, da er zudem, anders als in Hamburg, auf keinerlei Erfolgsgeschichte beim BVB in der Liga zurückblicken kann, heißt es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit, nach Saisonende Abschied zu nehmen. Die Scheinheiligkeit, mit der Boss Watzke sich derzeit öffentlich äußert, wird er dann bestimmt als Rücksicht gegenüber dem guten Menschen Thomas Doll erklären.“

Freddie Röckenhaus (SZ) prognostiziert das gleiche: „Für die Dortmunder, die nach Jahren der finanziellen Turbulenzen zum ersten Mal wieder unter Kronleuchtern feiern durften, war es ein Abend, der sie für einen langen Augenblick zurück gebeamt hatte in die alten Zeiten. Die BVB-Fans im Stadion, die sich schnell die Hoheitsrechte in der Olympia-Schüssel erkämpft hatten, waren zu alter Form aufgelaufen – zu einer Form, die vor vielen Jahren den Mythos und den Fan-Kult von Dortmund begründet hatte und die nicht nur in der laufenden Saison auf viele überharte Proben gestellt wurde. An diesem kalten Abend aber gelang es den vielleicht 40.000 Dortmund-Anhängern, die sonst oft so unkonzentrierten BVB-Spieler mit einer geballten Ladung Adrenalin so hochzuziehen, dass selbst die übermächtigen Bayern wankten. (…) Der Klassenerhalt dürfte weit weniger umjubelt werden als die Niederlage von Berlin. Platz 13 ist eine Schmach für Dortmund, das schlechteste Ergebnis seit den 80er Jahren. Platz 13 übersteht kein Trainer in Dortmund. Am 18. Mai, dem Tag nach dem letzten Spieltag, könnte das auch Doll erfahren. Die Nacht von Berlin wird dann vergessen sein.“

Ritterlich

Zorn formuliert es vorsichtiger: „Die ehrenvolle Niederlage hat keinerlei Anlass zu ausgiebigen Selbstanklagen geboten. Nach der Woche der Schmach mit deftigen Bundesligapleiten in München und daheim gegen Hannover zeigten die Borussen ebenjene Qualitäten, die man von einem Pokalfinalteilnehmer erwarten darf: Hingabe, Kampfgeist und Courage. Ritterlich ging es zwischen beiden Teams nach einer hart geführten Auseinandersetzung zu, bei der die Borussen die etwas schlechtere Mannschaft sind. (…) Die Rückeroberung des Dortmunder Selbstwertgefühls muss gewiss nicht mit einer Arbeitsplatzgarantie für Thomas Doll bis über das Saisonende hinaus verbunden sein. Dazu verlief die Meisterschaftssaison einfach zu enttäuschend.“

Bei den 11 Freunden lesen wir: „Die russische Raumkapsel ‚Sojus’ verfehlte bei ihrer Rückkehr von der internationalen Raumstation ISS am Samstag ihren geplanten Landeplatz um gut 420 Kilometer. Fast ebenso weit entfernt stand Dede von Luca Toni und konnte nur noch schemenhaft erkennen, wie dieser das 1:0 erzielte. Das Raumfahrtkontrollzentrum kündigte umfassende Untersuchungen an.“

Unser Töpperwien

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