Allgemein
Spiel um Platz 17 in Europa
Kommentare deaktiviert für Spiel um Platz 17 in Europa
| Mittwoch, 14. Mai 2008Vor dem Finale in Manchester zwischen den Glasgow Rangers und Zenit St. Petersburg: Erwartet wird ein defensives Spiel / Die Trainer im Portrait / Kritik am Reglement
Christian Eichler (FAZ) erinnert vor dem Finale an die selbstverschuldete Entwertung des Uefa-Pokal: „Seit der Uefa-Pokal die Zweitverwertung gescheiterter Champions-League-Teilnehmer übernehmen muss, hat er an sportlicher Integrität eingebüßt. Eine Mannschaft, die zu schlecht war, die Vorrunde im Kampf um den großen Europapokal zu überstehen, wird dafür belohnt, indem sie den kleinen gewinnen darf – wie 2002 Feyenoord Rotterdam oder 2005 ZSKA Moskau. So wäre es auch diesmal, sollten die Glasgow Rangers den Pokal gewinnen (gegen Zenit St. Petersburg, das sich seit September brav durch alle Runden gearbeitet hat). Dann aber wäre das Finale um den Uefa-Pokal nichts anderes mehr als das Spiel um Platz 17 in Europa, der anders als die Ränge 2 bis 16 mit einem Pokal belohnt wird – einmalig im Sport.“
Anti-Fußball
Um uns Glasgows Trainer vorzustellen, greift Eichler auf eine prominente Referenz zurück: „Walter Smith ist so etwas wie die Light-Version von Alex Ferguson. Beide stammen aus der Glasgower Arbeiterklasse, beide waren als Knaben Rangers-Fans, beide haben Meistertitel in Serie gewonnen (Ferguson gerade seinen zehnten in England, Smith bald wohl den achten in Schottland). Der eine wie der andere gilt als altmodisch autoritär; Chefs, mit denen man es sich besser nicht verscherzt. Nun stehen beide in einem europäischen Finale. Und beide haben das zuletzt auch mit demselben Stil geschafft, einem Defensivsystem mit nur einem Stürmer. Die Rangers von Smith spielen so schon die ganze europäische Saison; im Herbst, nach dem 0:0 gegen Barcelona, nannte Lionel Messi das ‚Anti-Fußball’. Ferguson griff mit Manchester United erst im Halbfinale gegen den FC Barcelona auf die Blockade-Taktik seines früheren Schülers zurück. So hat der sechs Jahre Jüngere dem Maestro, dem er einst als Assistent im schottischen Nationalteam und in Manchester diente, mal etwas vorgemacht.“
Frank Hellmann (FR) stöhnt: „Kaum ein Team in Europa spielt so unansehnlich wie der Überraschungsfinalist, der sich mit nur fünf geschossenen Törchen von der Zwischenrunde bis ins Endspiel mogelte. Obwohl die Angriffsqualitäten des Traditionsvereins gegen Null tendieren.“
Zeug zum großen Trainer
Michael Eder (FAZ) porträtiert den Trainer St. Petersburgs (den wir ja noch aus Mönchengladach kennen) als erfolgreich und bärbeißig: „Dick Advocaat gilt als verschlossen bis verschroben, als großspurig bis herablassend, und wie in seiner bescheidenen Karriere als Spieler ist er auch in seinem Auftreten als Trainer ein Spezialist der Abwehrarbeit geblieben, warm wird mit ihm kaum jemand. Er war Assistent und Cheftrainer der holländischen Nationalmannschaft, er gewann mit dem PSV Eindhoven Meisterschaft und Pokal, doch zu Beliebtheit hat er es in seinem Heimatland nie gebracht. Vielleicht zog er deshalb immer wieder aus, um Glück und Anerkennung anderswo zu suchen. Sein persönlicher Triumphzug durch Europa – mit den bisherigen Stationen Villarreal, Marseille, Leverkusen und München – soll noch nicht zu Ende sein. Der erste internationale Titel mit einer Vereinsmannschaft – das ist sein Traum. Auch die schärfsten Kritiker seines Stils müssten dann einräumen, was sich bei Advocaats Erfolgsbilanz ohnehin kaum noch bezweifeln lässt: Der kleine General hat das Zeug zu einem großen Trainer.“
Westlicher Vorposten des Landes
Jörg Hanau (FR) erläutert die Ziele der Russen: „Zenit plant nicht nur den Angriff auf den europäischen Fußballthron, Zenit besitzt auch die nötige spielerische Klasse. Klubchef Sergej organisiert seit 2006 mit einer Art planwirtschaftlichem Kapitalismus den Aufstieg in die europäische Spitze. Binnen zehn Jahren, so der Präses, der sinnigerweise auch Manager des Klubbesitzers Gasprom ist, muss Zenit zu den Top Ten der Königsklasse gehören. Ein Sieg gegen Glasgow Rangers verstehen die russischen Gasbosse nur als Startschuss zu noch höheren Weihen.“
Peter Riesbeck (Berliner Zeitung) mit einer Milieuskizze: „Der freie und kreative Geist lebt in Russland vor allem in Petersburg. Die Stadt versteht sich von jeher als westlicher (und intellektueller) Vorposten des Landes. Und so ist Zenit mehr als nur ein Fußballverein. Der Titel im Vorjahr bedeutete nicht nur die erste Meisterschaft seit 1984, er beendete auch die Herrschaft der Moskauer Klubs.“
So soll der Turm aussehen, den Gasprom in St. Petersburg errichten will, und dessen Bau der Konzern nun gegen anfänglichen Widerstand der Leute durchgesetzt zu haben scheint