Deutsche Elf
Eindeutiges Zeichen an seine Mannschaft
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| Samstag, 17. Mai 2008Lob für Joachim Löws Entscheidung, vorerst 26 Spieler zu erwählen / Mitgefühl mit Timo Hildebrand, dessen Nichtnominierung jedoch von der Presse gebilligt wird
Michael Horeni (FAZ) billigt Löws Entscheidung, drei Spieler „zu viel“ mit in die Vorbereitung zu nehmen, hält sie aber für eine notwendige Korrektur dessen bisherigen Strategie: „Mit dem harten Weg überraschte der Bundestrainer nicht nur Spieler, Experten und Fans. Löw sendete mit der vorläufigen Nominierung von 26 Profis, von denen sich 3 noch ganz kurz vor der Ziellinie von ihrem sportlichen Traum verabschieden müssen, vor allem ein eindeutiges Zeichen an seine Mannschaft: Der Konkurrenzkampf, der in dieser Saison durch Löws Freifahrtscheine für Ersatzspieler, Verletzte und Rekonvaleszenten schon fast einzuschlafen drohte, ist durch den Nominierungs-Coup neu entfacht worden. Spät zwar, aber vielleicht nicht zu spät.“
Christian Zaschke (SZ) stimmt ein: „Die Nominierung macht erstmals ernst, sie ist auch ein Bekenntnis zur Reibung. Das anstehende Trainingslager auf Mallorca wird für viele Spieler so stressig werden wie eine Casting-Show auf RTL für die Kandidaten. Jeden Tag stehen sie im Blickpunkt und unter Druck, jeden Tag können sie versuchen zu beweisen, dass sie besser sind als die anderen Wackelkandidaten.“
Roland Zorn (FAZ) lobt Löw: „Wieder einmal zeigt Löw, dass seine verbindliche Art bei wichtigen Entscheidungen nicht mit einem Hang zum faulen Kompromiss verwechselt werden sollte. So schnell er aus dem großen Schatten seines Vorgängers hervortrat, so entschlossen nimmt er nun seinen eigenen Weg zum Gipfel in Angriff.“
Knallharte und konsequente Entscheidung
Ronald Reng (Berliner Zeitung) macht die Nichtnominierung Timo Hildebrands an wichtigen Kleinigkeiten fest: „Die versteckte Botschaft der Entscheidung ist offensichtlich: Die Zukunft nach dem mutmaßlichen Abtritt von Deutschlands Nummer 1, Jens Lehmann, soll ab Sommer anderen gehören Ist es gerecht? Es ist gnadenlos konsequent. Während Adler und Enke Meister der hohen Konstanz waren, weckte Hildebrand in Valencia im Detail Zweifel. Dabei war er selten so gut und selten so schlecht wie ihn viele deutsche Medien abwechselnd machten, die ihn hier nie spielen sahen – die Mehrzahl seiner Auftritte war schlichtweg niveauvoll. Auch die zwei, drei groben Schnitzer müssen nicht überhöht werden; sie passieren einem Torwart, der neu in einem Land, in einem Chaosverein, hinter einer aufgescheuchten Abwehr gelandet ist. Doch es gab immer wieder diese kleinen Momente: Hildebrand hielt einen Schuss, aber er musste nachgreifen, seine Fangtechnik korrigieren, um den Ball sicher in den Händen zu halten. Oder er rannte bei einer Flanke raus, an die er gerade so herankam, weshalb er den Ball nur unkontrolliert fausten konnte. Nach solchen Momenten ging das Spiel weiter, nichts war passiert, wenig hatte das Publikum bemerkt, doch es müssen solche Momente gewesen sein, in denen Andreas Köpke zur Meinung gelangte, Robert Enke und René Adler seien grundsätzlich besser.“
Auch Marko Schumacher (Stuttgarter Zeitung) versetzt sich mitfühlend in Hildebrand, kann aber an der Nominierung René Adlers nichts falsches entdecken: „Seit der WM war er die Nummer 2 im deutschen Tor, er hat sich immer loyal verhalten. Er hat vor einem Jahr den Schritt ins Ausland gewagt und sich beim FC Valencia unter widrigen Bedingungen durchgesetzt. Hildebrand wollte seinen Horizont erweitern, neue Erfahrungen sammeln – um so die Nummer 1 im deutschen Tor zu werden, wenn Jens Lehmann seinen Platz nach der Europameisterschaft räumt. Jetzt liegt Timo Hildebrands Karriereplanung in Trümmern, es besteht kaum noch ein Zweifel daran, dass seine Zeit in der Nationalmannschaft beendet ist. Es ist eine knallharte Entscheidung – konsequent ist sie aber auch. Löw hat offenbar René Adler als Kronprinzen auserkoren, wofür es gute Gründe gibt: Der Leverkusener blickt auf eine überragende Saison zurück, er hat herausragende Fähigkeiten und ist erst 23. So gesehen ist es richtig, Adler schon jetzt mitzunehmen und zu integrieren. Ein Torhüter musste seinen Platz räumen – es traf Hildebrand, der als schwieriger und eigenbrötlerischer gilt als Robert Enke.“
Horeni fügt an: „Die Entscheidung für Adler und gegen Hildebrand wird vor allem Konsequenzen für die Zeit nach Jens Lehmann zeitigen. Mit dem Verzicht auf Hildebrand ist der Kampf um die Nachfolge für den Posten der Nummer 1 im deutschen Tor erstmals seit Generationen vollkommen offen.“
Reng rührt uns: „Hildebrand wird Sonntag nicht spielen, er hatte das schon vor Löws Absage entschieden, wegen einer gestauchten Hüfte. Er wollte sich schonen. Für die EM.“