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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

EM 2008

Der Favorit Italien ist der erste Notfall des Turniers

Oliver Fritsch | Dienstag, 10. Juni 2008 Kommentare deaktiviert für Der Favorit Italien ist der erste Notfall des Turniers

Peter Unfried (taz) schreibt mit großen Augen über das 3:0 der Holländer gegen Italien: „Die Niederländer lieferten eine erste Halbzeit, in der sie die Italiener kontrollierten, laufen ließen, nach hinten drängten, ganz alt aussehen ließen. Es ist – man kann es bereits jetzt sagen – eine Halbzeit, an der alles weitere gemessen werden wird, was dieses an Champions-League-Ansprüchen gemessen nicht gerade berauschende Turnier zu bieten haben wird. Bei Ansicht des Vizeweltmeisters Frankreich war deutlich geworden, dass es sich eben nicht um eine ‚Todesgruppe’ handelt, wenn Weltmeister und Vize drin sind, sondern um eine Gruppe der Besitzstandswahrer. Besitzstand zu wahren haben die Niederländer aber nicht mehr, weil sie seit zwanzig Jahren nichts gewonnen haben.“

Christian Eichler (FAZ) spöttelt: „Als vor zwölf Jahren die deutsche Mannschaft in der Vorrunde der Europameisterschaft Italien mit einem 0:0 aus dem Turnier beförderte, fanden die Karikaturisten Greser & Lenz in dieser Zeitung die unsterbliche Zeile: ‚Einmal bitte Pizza Endstazione’. Nun könnte das Gericht bald schon wieder auf der EM-Speisekarte stehen, denn in der Gruppe der EM-Favoriten ist Italien der erste Notfall des Turniers. In einer begeisternden Fußballpartie kam der Weltmeister gegen die starken Niederländer erheblich unter die Räder und verlor verdient 0:3.“

Nonchalante Italiener

Benjamin Steffen (Neue Zürcher Zeitung) bringt für die italienische Taktik kein Verständnis auf: „Schwer zu fassen, mit welcher Nonchalance sich die Italiener ins Turnier tasteten. Der einzige im Ansatz wache Siebenschläfer war anfangs Pirlo, der indes noch so überraschende Pässchen spielen konnte – der Adressat wurde meist überrumpelt. Die Taktik des Abwartens und Abwehrens mag für die Italiener in den letzten Jahrzehnten schon oft aufgegangen sein – Holland indes nutzte die Behäbigkeit 2008 entschlossen aus, nahm das Diktat mit Kurzpassspiel in die Hand und suchte den Torerfolg.“

Matthias Krupa (zeit.de) befasst sich mit der Bedeutung dieses Spiels für die nächsten drei Wochen: „Nulldrei. Davon wird sich der Weltmeister in diesem Turnier nicht mehr erholen. Und die Niederlande – werden Europameister? Ausschließen kann man das nicht. Nur ein Handicap begleitet sie seit gestern: Auch meine Freunde handeln Sneijder, van der Vaart und Co. jetzt wieder als Favoriten. Und das ist unseren lieben Nachbarn noch nie gut bekommen.“

Kein Spielfluss

Stephan Ramming (Neue Zürcher Zeitung) langweilt sich beim 0:0 zwischen Frankreich und Rumänien halb zu Tode: „Es war eine wenig unterhaltsame Partie. Sie war zu Beginn von der taktischen Marschroute geprägt, nach den langen Wochen der Vorbereitungen im ersten Spiel an der Euro defensiv stabil zu stehen und keinesfalls mit einem frühen Tor in Rücklage zu geraten. Das gelang beiden Teams vorzüglich. Taktikexperten dürften ihre Freude gehabt haben, nicht aber die neutralen Beobachter. Denn das Dispositiv erstickte den Spielfluss, ansehnliche Aktionen waren an einer Hand abzuzählen.“ Thomas Winkler (taz) stimmt ein: „Es gelang keiner der beiden Mannschaften, den Eindruck zu erwecken, sie könnten diese schwere Vorrundengruppe überstehen.“

Eine Rolle, die ihm nicht liegt

Claudio Catuogno (SZ) führt das französische Stottern auch auf Franck Ribérys Bürde zurück: „Die Franzosen haben ihre Reise in die Schweiz unter ein seltsam rückwärtsgewandtes Motto gestellt: Die EM ist für sie das erste Turnier nach Zinedine Zidane, fast in jedem Interview wird daran erinnert. Nun taugt es nicht als Programmatik, ohne jemanden anzutreten, deshalb ist Ribéry die Aufgabe zugefallen, den alten Glanz in die neue Zeit zu retten. Er ist zwar erst 25 Jahre alt und ohne Kapitänsbinde unterwegs, aber wegen seiner Geniestreiche beim FC Bayern heißt es in den Zeitungen nun häufig Ribéry et les siens: Ribéry und die Seinen, Ribéry und der Rest. Er steht unter Beobachtung wie nie. Doch während die Teams der Vergangenheit streng um Zinedine Zidane herum gebaut wurden, seinem Esprit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren, steckt man Ribéry nun in eine Rolle, die ihm sichtbar nicht liegt.“

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