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Deutsche Elf

Als Kapitän darf man sich nicht mit solchen Ausdrücken abreagieren

Oliver Fritsch | Dienstag, 19. August 2008 Kommentare deaktiviert für Als Kapitän darf man sich nicht mit solchen Ausdrücken abreagieren

Zwischenmännliches aus der Nationalmannschaft: Michael Ballack ringt mit Oliver Bierhoff, Oliver Bierhoff ringt mit Matthias Sammer, Matthias Sammer ringt mit sich und allen anderen, Joachim Löw vermittelt und tadelt Oliver Pocher, Andreas Köpke fühlt sich von Timo Hildebrand nicht angemessen behandelt, der sich von Andreas Köpke und den anderen nicht angemessen behandelt fühlt; und was folgt daraus? Nun steht Tim Wiese im Kader

Vor dem ersten Länderspiel nach der EM, Gegner ist Belgien, wirft Michael Neudecker (Berliner Zeitung) einen Blick unter Oliver Bierhoffs cremefarbene Sofasessel: „Die Nationalmannschaft bietet ein eher trübes Bild. Sie ist nicht im Endorphin-Rausch wie nach der Party-WM 2006. Nach dem Endspiel gegen Spanien gab es Konflikte. Erst wehrte sich Michael Ballack gegen den Wunsch von Bierhoff, mit einem vorgefertigten Danksagungsplakat in die Fankurve zu gehen. Später rügte Matthias Sammer, dass das Nationalteam sich trotz seiner Niederlage auf der Berliner Fanmeile feiern ließ. Sammer mag die Lounge-Welt nicht, die Klinsmann erschuf und die Löw und Bierhoff nun weiterführen, die Welt, in der immer alles positiv ist.“

Spanier verulkt

Joachim Löw wird heute in der FAZ interviewt. Die spannendsten Passagen haben Boulevard-Format. Mit Blick auf den Streit zwischen Ballack und Bierhoff schickt Löw mahnende Worte an Ballack: „Nach allem, was ich vernommen habe, war Michaels Wortwahl nicht so ganz geschickt. Dass sich Emotionen aufstauen nach einem verlorenen Finale, ist verständlich, zumal Michael ja erst ein paar Wochen vorher auch das Champions-League-Endspiel verloren hatte. Allerdings muss man sich als Kapitän nicht in diesem Maße und mit solchen Ausdrücken abreagieren.“ Das nennt man wohl sanftes Austeilen in zwei Richtungen: Zum einen legt Löw seinen Finger auf Ballacks Wunde (zwei verlorene Endspiele in sechs Wochen stärken den Mythos des angeblich ewigen Zweiten). Und ob Bierhoff, zum andern, gerne in der Zeitung liest, dass ein Spieler es sich traut, ihn zu beleidigen? Das würde uns ja schon interessieren, was Ballack gesagt hat.

Die Diskussion mit Sammer, ob man sich aus als Zweiter freuen darf (oder so), die letzte Woche sogar bei „Hart aber fair“ erörtert wurde, führt Löw nicht fort. Über die Fanmeilenparty am Tag nach dem Finale sagt er schulterzuckend: „Sich feiern zu lassen ist was anderes als das, was wir wollten. Für uns sollte vor allem das Dankeschön an die Fans rüberkommen. Vielleicht schwappten hier und da die Emotionen etwas über.“

Eine kritische Anmerkung hat Löw für einen speziellen Programmpunkt übrig: „Eine klare Meinung habe ich dazu, dass das Rahmenprogramm, in dem die Spanier verulkt wurden, nicht in jeder Hinsicht gelungen war.“ Hier ist das Video von dem „Lied“, das Löw wohl meint, vom „Uploader“ ein wenig alarmistisch als „Skandal“ bezeichnet. Wenn Sie mich fragen – halb so wild. Und natürlich auch halb so lustig. Pocher halt.

Unerwünscht

Weiter geht’s mit Dissonanzen! Andreas Köpke wird heute in der SZ mit einem Satz zu Timo Hildebrands Chancen auf eine Rückkehr ins Nationaltor zitiert: „Einige Aussagen von Timo nach der EM haben uns überhaupt nicht gefallen.“ Christof Kneer interpretiert das konsensfähig: „Das klang nicht so, als ob sie ihm einen prominenten Platz in ihrem Herzen oder zumindest in ihrem Kader reserviert hätten. Im DFB-Ranking hat ihn die jüngere Generation (Adler, Neuer) längst überholt, auch die Angehörigen derselben Generation (Enke) sind an ihm vorbeigewachsen.“

Jan Christian Müller (FR) wertet die Nominierung des rosaroten Panthers Tim Wiese als Backpfeife für Hildebrand: „Sogar der vor noch gar nicht allzu langer Zeit von Löw wegen flapsiger Forderungen zu einer Art persona non grata erklärte Wiese wurde Hildebrand vorgezogen. Der nach einer Sommerdiät und zurückhaltenderem Krafttraining in der Muckibude plötzlich um 8 auf 88 Kilogramm leichtere Wiese soll sich laut Andreas Köpkes etwas verquerer Argumentation auch durch Leistungen in Champions League und Uefa-Cup aufgedrängt haben. Das verwundert deshalb, weil Wiese durch hanebüchene Fehler in Turin und Glasgow zweimal im hohen Maße mitverantwortlich für das verfrühte Aus seiner Mannschaft gewesen war. Es herrscht der dringende Verdacht, dass der Bremer bloß ein Platzhalter sein dürfte. Noch viel mehr Persona non grata als Wiese jemals war, ist Hildebrand schon längst.“

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