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Ball und Buchstabe

Ist der Fußball in ernster Gefahr?

Oliver Fritsch | Dienstag, 2. September 2008 Kommentare deaktiviert für Ist der Fußball in ernster Gefahr?

Die Beweislage Declan Hills für Spielabsprachen scheint dünner als vermutet

Bewiesene Wettmanipulation? Das liest sich heute schon ganz anders als gestern, etwa in der Welt. Der Journalist und Buchautor Declan Hill hat gestern vor Journalisten gesprochen und hat Aussagen und Thesen, die in den Tagen zuvor in den Medien zu Schlagzeilen wurden, zum Teil zurückgenommen. Er sei falsch zitiert worden; er habe nie behauptet, dass WM- oder Bundesliga-Spiele manipuliert worden seien; nur Indizien lege er der Welt vor, keine Beweise.

Die SZ zitiert Hills alarmistische Warnungen: „Der Fußball ist in ernster, ernster, ernster Gefahr. Die Leute, die ihn in China und Malaysia schon zerstört haben, kommen jetzt hierher und zerstören unsere Ligen.“ Hill empfiehlt deutschen Fußballverbänden, das Antibetrugsmodell der US-Ligen zu kopieren, mit professionellen Cops und Kriminalisten, schreibt ihnen aber ins Stammbuch: „Um solche Maßnahmen in Deutschland durchzusetzen, müssten die Offiziellen erstmal zugeben, wie groß die Bedrohung des Fußballs wirklich ist. Bisher scheinen sie ihr Produkt vor allem dadurch schützen zu wollen, dass sie die Augen verschließen.“

Dünne Beweislage?

Jens Weinreich zuckt mit der Augenbraue: „Die Geschichte über sein Treffen mit einem Wettpaten in Thailand, der erzählte, er verschiebe gerade ein Bundesligamatch, gibt Hill seit etwa einem Jahr zum besten. Er wird das auch im Fernsehen wieder sehr überzeugend tun. Er kann das, auch wenn seine Geschichten mitunter zu perfekt klingen.“

Ich zweifle daran, dass das er kann. Er war mir gestern, bei Beckmann, ein bis zwei Spuren zu beteuernd, um glaubhaft zu sein. „Sie teilen mit mir die Skepsis, Reinhold.“ Und Hill macht es sich recht einfach, wenn er sich weigert, Namen zu nennen, um das Leben seiner Familie zu schützen. Seine Beweislage scheint dünn, doch dem Absatz seines Buchs, das heute im Handel erscheint, wird das nicht schaden.

Es fällt überhaupt nicht auf

Wie funktionieren Spielabsprachen? Da muss die Presse einiges an Aufklärungsarbeit leisten, denn unter den Leuten kursieren viele Irrtümer. Katrin Weber-Klüver (Financial Times Deutschland) räumt mit dem Fehlglauben auf, dass Wettbetrüger mit Außenseitersiegen Geld machen wollen würden: „So wie Publikum, Funktionäre und Aktive im Radsport lange versucht haben, die Illusion des sauberen Sports hochzuhalten, tun sie das nun angesichts des Vorwurfs gekaufter Spiele beim Fußball auch. Oft mit dem Argument, dass die getippten Ergebnisse der genannten Spiele doch gar nicht überraschend waren. Aber das müssen sie auch gar nicht sein. Es ist schließlich viel einfacher, beim Außenseiter dafür zu sorgen, dass er auch wirklich verliert, als zu versuchen, einen Favoriten zur Niederlage zu bewegen. Der Aufwand ist überschaubarer, der Erfolg wahrscheinlicher – und das Beste: Es fällt überhaupt nicht auf.“

Frank Bachner (Tagesspiegel) stellt ein anderes Urteil in Frage: „Bislang galt unter vielen Profiwettern die These, dass bei WM-, EM- oder anderen internationalen Spitzenspielen, darunter auch die deutsche Bundesliga, nicht bestochen wird. Zum einen, weil die Profis dort legal Millionen verdienen und zweitens, weil zu viele Menschen und TV-Kameras die Partien verfolgen. Jede ungewöhnliche Aktion werde sofort erkannt und hinterfragt. Aber Hill, der viel über Netzwerke und die Technik von Spielmanipulationen schreibt, lässt diese These zumindest fragwürdig erscheinen.“

Und bei Weinreich liest man: „Wurden von Teams und Offiziellen Absprachen getroffen, dann fallen die entscheidenden Tore bereits sehr früh – entgegen der landläufigen Meinung, derartige Spiele würden erst gegen Ende entschieden.“

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