Ball und Buchstabe
Neid hält sich so hartnäckig wie der Erfolg
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| Dienstag, 2. September 2008Ein paar Verrenkungen, warum man Hoffenheim nicht zu hassen braucht
Nach wie vor ein Thema in den Zeitungen: die TSG Hoffenheim und welche Empfindungen ihr entgegengebracht werden. Auffällig, dass sich die Journalisten nun kräftig ins Zeug legen, um den Klub und ihren Mäzen Dietmar Hopp gegen angebliche Missgunst zu verteidigen. Stefan Osterhaus (Financial Times Deutschland) fasst nochmals das Gros der Argumente zusammen: „Dabei ist das Projekt Hoffenheim doch eigentlich genau das, was von vielen Seiten gefordert wurde: Eine deutsche Wirtschaftgröße engagiert sich in mächtigem Umfang im deutschen Klubfußball. Also kein Scheich, der vom Kicken nichts versteht, kein Ölmagnat aus den Weiten der russischen Steppe und auch kein amerikanischer Spekulant. Dass Schalke 04 mit den Gasprom-Trikots für die Energieaußenstelle eines ganz feinen Regimes wirbt und dafür prächtig kassiert, ist nach ein paar Tagen von allen Seiten vergessen worden; an Hoffenheims Millionen aber, die nur zu einem Viertel in den Kader flossen, wird Anstoß genommen. Was allein daran liegt, dass geschichtslose Klubs, die Liga um Liga durcheilen, per se als verdächtig angesehen werden. Es ist billig, sich an der Herkunft der Dörfler zu stoßen und sie permanent als Parvenüs zu etikettieren, die bisher noch keine nennenswerte Fußballtradition haben. Hätte Hopp sich den 1. FC Köln für eine dreistellige Millioneninvestition auserkoren, wäre ihm augenblicklich ein Denkmal gesetzt worden. So wird er Ausdauer haben müssen. Neid hält sich mindestens so hartnäckig wie der Erfolg.“
Ich hab mich vor einem halben Jahr auch mal zu dem Thema geäußert.
Sven Goldmann (Tagesspiegel) hat sich die Tradition der Etablierten mal genauer angesehen und kommt mit einem Vermerk, der in Deutschland alles mundtot macht, den Verstrickungen deutscher Fußballvereine in das Nazi-Regime: „Mit der Tradition ist das so eine Sache. 1860 München legte die Basis für seine Stellung als deutscher Spitzenklub der Sechzigerjahre in der Nazizeit. Auf dem Vereinsgelände trainierte die SA, die auch den Vorsitzenden stellte, einen üblen Antisemiten. Lokalrivale FC Bayern galt den braunen Machthabern als Judenklub. Der VfB Stuttgart überließ den Nazis gern sein Stadion, das in den tausend Jahren zwischen 1933 und 1945 Adolf-Hitler-Kampfbahn hieß. Werder Bremen ließ schon im April 1933 verlauten, der Verein habe ‚nicht erst jetzt nach der Umwälzung sein nationales Herz’ entdeckt. Dieser braunen Traditionen erinnern sich die Fans der Traditionsklubs aus München, Stuttgart und Bremen nicht so gern.“
Ein Mann mit dem Flair eines altklugen Landjunkers
Das kollektive Gedächtnis der meisten Fußballfans reicht jedoch nicht bis in die Dreißiger Jahre, bei weitem nicht. Und dass es in Deutschland nach 1945 personelle Kontinuitäten dem Morden, Rauben und Lügen, der Kapitulation und dem Systemwechsel zum Trotz gegeben hat, ist kein Phänomen, das sich auf den Fußball beschränkt. Die Stunde Null, die gab’s doch wohl nur militärisch. Mit Hoffenheim hat das nichts zu tun, und es ist dem Klub auch nicht geholfen, ihn mit einer Weißen Weste zu bestücken. Und ob die dauerhaften Hopp-ist-kein-Abramowitsch-Klarstellungen der Journalisten den Beliebtheitswerten der TSG zuträglich sind? Zudem glaube ich, dass da jemand gegen Windmühlen kämpft. Mein Eindruck ist, dass Hoffenheim in der Bundesliga keineswegs auf ein Übermaß an Ablehnung stößt, so wie das in der Zweiten Liga noch der Fall gewesen sein mag. Die paar Dutzend Gladbacher Fans, die Dietmar Hopp mitgeteilt haben, was sie von ihm halten – na gut. Aber von Neid und Hass ist wenig mitzubekommen. Aber vielleicht ändert sich das ja, wenn die TSG irgendwann mal nicht am 2. Spieltag die Tabelle anführt, sondern am 32. Spieltag.
Womit Osterhaus viel eher den Nagel auf den Kopp treffen könnte, schreibt er heute in der Neuen Zürcher Zeitung, wo er sich an dem Dozentenhaften der Hoffenheimer Hauptfiguren stößt: „Hoffenheim wirkt gar nicht einmal so synthetisch, wie der VfL Wolfsburg oder Bayer Leverkusen es lange Zeit taten. Der Klub hat aber den Appeal einer Sammlung von Musterschülern. Hoffenheim schwitzt nicht. Es transpiriert. Das ist ein feiner Unterschied.“ Gemeint sind Trainer Ralf Rangnick, „dieser hervorragender Fachmann, dessen Sympathiewerte sich aber im überschaubaren Rahmen halten“ (Osterhaus), und dem man in der Tat empfehlen müsste, die Spielfreude, die er seinen Jungs vermittelt, auch in seiner Außendarstellung an den Tag zu legen. Das Image vom Laborleiter kann man doch am schnellsten ablegen, wenn man mit ihm spielt und es ins Leere laufen lässt. Ralf Rangnick artverwandt sei, schreibt Osterhaus, Sport- und Nachwuchsdirektor und Löw-Kritiker Bernhard Peters, „ein Mann mit dem Flair eines altklugen Landjunkers“.
Ein Fauxpas allerdings, dass die NZZ Peters als ehemaligen Eishockey-Coach bezeichnet.