Am Grünen Tisch
Welche Art Bundesliga wollen wir?
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| Dienstag, 16. September 2008Wird die 50+eins-Regel überdacht, um deutsche Klubs wettbewerbsstärker zu machen? / Der Anachronismus Winterpause wird verkürzt (FAZ) / Bochum gewinnt und zählt doch zu den Abstiegskandidaten (FAZ)
Zur Debatte steht wieder einmal die 50-plus-eins-Regel des deutschen Profifußballs. Sie besagt, dass in einer Aktien- oder Kapitalgesellschaft der Verein mindestens 50 Prozent plus eine Stimme halten muss. Dadurch ist bislang die Übernahme durch Investoren verhindert worden. (Die andere Frage ist, wer sich überhaupt für einen deutschen Fußballverein interessiert und wie viel er ihm wert wäre). Es ist kein Zufall, dass das Thema wieder auf dem Tisch ist, denn heute beginnt die Champions League, und letzte Woche haben unfassbar reiche Scheichs Manchester City gekauft. „Russisches und arabisches Rohstoff-Geld befeuern den europäischen Fußball-Markt“, schreibt die FAS. „Die deutschen Aussichten werden immer geringer.“
Wolfgang Hettfleisch (FR) fordert alle direkt und indirekt Beteiligten dazu auf, eine angemessene Diskussion zu beginnen über mögliche Regeländerungen und Finanzierungsmodelle im deutschen Profifußball sowie die möglichen Folgen: „Der deutsche Profifußball neigt dazu, Grundsatzfragen, deren Klärung seine Zukunft definieren werden, lieber aus dem Weg zu gehen. Das ist einer gewissen Selbstgefälligkeit geschuldet und kann sich mittel- bis langfristig als fatal erweisen. Es ist höchste Zeit, eine offene Debatte darüber zu führen, wie er in kommenden Jahrzehnten aussehen soll, der Bundesliga-Fußball. Ist die Premier League das Vorbild? Dann müssen Fernseheinnahmen, Spielergehälter, Transfersummen und Eintrittspreise explodieren, müssen sich die Sehgewohnheiten eines Millionenpublikums radikal ändern. Dann werden Milliardäre die Geschicke auch deutscher Großklubs lenken und sie weiterverkaufen, sobald sie die Lust am Spielzeug verloren haben. Zum Lohn stiegen die Aussichten beim Bieten um große Spieler und im Rennen um große Trophäen. Wer das will, muss es sagen, ohne einen Teil der Folgen zu verschweigen. (…) Liga, Klubs, Sponsoren, Medien und Fans müssen klären, welche Art Bundesliga sie künftig wollen.“
Das ist dann nicht mehr mein FC Bayern
Unter dem Titel „Armes Deutschland“ befasst sich Michael Horeni (FAS) mit dem gleichen Thema. Er hat mit einigen Offiziellen gesprochen und kommt zu dem Ergebnis, dass die Bereitschaft zu einer Änderung gering ist: „Das Beharrungsvermögen der alten Elite in der Investorenfrage ist groß – und es fehlt an Leidensdruck. Denn das nationale Kerngeschäft auf dem gesunden und größten Fußballmarkt Europas läuft trotz der Schwierigkeiten mit dem Fernsehdeal gut. Die meisten Klubs wollen sich ohnehin nur national verbessern.“ Nach seiner Recherche sagt Horeni voraus: „Ändern wird sich so schnell nichts.“
Uli Hoeneß wird ablehnend vernommen: „Das ist dann nicht mehr mein FC Bayern – nur ohne mich.“ Karl-Heinz Rummenigge, der große Visionär, hingegen will mehr wagen. In der Welt sagt er heute: „Man hat in Deutschland Angst vor Investoren. Doch ich halte die Angst für ein bisschen übertrieben, obwohl ich weiß, dass ich damit kein populäres Feld betrete. Man muss sich schon auch mal überlegen, ob es nicht Sinn macht, die Türen zu öffnen. Wir können nicht immer nur kritisieren, was da im Ausland passiert. Sondern sollten selbst Erfahrungswerte sammeln.“
Anachronismus
Roland Zorn (FAZ) begrüßt, dass die DFL ab 2009/10 die Winterpause der Bundesliga um zwei Wochen verkürzen wird, diesen „Anachronismus“ und „Qual ohne Not für die Fans“. Deutschland verfüge über das „attraktivste Stadionlandschaft des Kontinents“, da müsse einem vor dem „Vorfrühling Januar“ nicht bange sein. Zudem habe die Pro-Argumentation nicht gestochen: Deutsche Teams, das würden die letzten Jahre im Europapokal zeigen, hätten keinen Vorteil durch mehr Regeneration (wobei ja nicht auszuschließen ist, dass sie ohne Winterpause noch schlechter abschneiden werden).
Und wo er schon mal dabei ist, begreift Zorn diese Entscheidung „nur als ersten Schritt zu noch mehr Reformeifer“ und fordert eine weitere Kürzung, um dann unter Umständen Zeit für einen Ligapokal mit allen 36 Profiklubs im Januar zu schaffen. Die Forderung, keinen Stein auf dem alten zu lassen – so kennen wir die FAZ!
Kosten und Nutzen
Ein Nachtrag vom Samstag – Hettfleisch (FR) kann nicht verstehen, warum das ausgefallene Frankfurt-Match gegen Karlsruhe nicht auf Sonntag verschoben werden konnte und kritisiert die DFL wegen fehlender Flexibilität: „Mit vielen Millionen Euro hat die öffentliche Hand dazu beigetragen, dass Bundesliga-Klubs in den modernsten und komfortabelsten Stadien der Welt spielen. Nun müssen die Arenen möglichst oft gefüllt werden, sonst fielen deren Betreiber bei der Kosten-/Nutzen-Rechnung in Ohnmacht. Madonna oder Biathlon – ganz egal. Hauptsache, es kommt Kohle rein. Dass da notfalls auch mal ein Komma am heiligen Spielplan verändert wird, sollte selbstverständlich sein. Man nennt das übrigens Marktwirtschaft.“
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Stille Reserven?
Und noch mal Nachschüsse, diesmal zum letzten Spieltag – Richard Leipold (FAZ) lässt sich vom Bochumer Sieg gegen Bielefeld nicht blenden: „Die Bochumer offenbarten spielend (oder eher: nicht spielend), dass auch sie bei gleichbleibendem Niveau zu den Abstiegskandidaten gehören dürften. Wenn Marcel Koller, wie er sagt, das bestbesetzte Aufgebot zur Verfügung hat, seit er beim VfL arbeitet, dann muss seine Mannschaft noch viele bisher unsichtbare stille Reserven besitzen.“
Stefan Osterhaus (Neue Zürcher Zeitung) legt noch mal zum Thema Lukas Podolski und die Bank nach: „Podolski sitzt in der Klemme. Dann und wann vertreten selbst professionelle Beobachter die geradezu abenteuerliche Ansicht, dem Instinktfußballer mangele es an Spielverständnis.“ Ich, zum Beispiel.