Bundesliga
Verrücktes Provinzmärchen
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| Dienstag, 28. Oktober 2008Die überlegenen Erfolge der TSG Hoffenheim werfen auch ein düsteres Licht auf den Rest der Liga
Hoffenheim, Hoffenheim – (fast) keine Zeitung, die auf einen Kommentar zum neuen Liebling der deutschen Fußballexperten verzichtet. Und es mehren sich die Stimmen, die die Leistungen des Aufsteigers als Bloßstellung der Konkurrenz deklarieren, zumal Hoffenheim mit einem eher durchschnittlichen Etat zu Werke geht.
Christian Kamp (FAZ) entlarvt die Erklärungen der Vergangenheit von Bruchhagen und Co. als Ausreden: „Die Tabelle muss ein deprimierender Anblick sein für all die Klubs, die in selbstauferlegter Demut einen Platz knapp oberhalb der Abstiegszone als Höchstes der Gefühle betrachten. Was derzeit in Hoffenheim geschieht, hätte genauso gut – oder sogar besser – auch in Berlin, Frankfurt, Köln oder Wolfsburg passieren können.“
Sven Goldmann (Tagesspiegel) bohrt in der gleichen Wunde: „Ist Hoffenheim nun so stark oder der Rest der Liga so schwach? Bei allem Respekt vor der Schönheit des Hoffenheimer Fußballs, dem Geschick seines Trainers und der Weitsicht seines Managements (und allem Neid auf die finanziellen Mittel von Mäzen Dietmar Hopp) – der Erfolg des Überraschungsspitzenreiters steht nicht nur für sich, sondern auch für den Zustand der Liga. (…) Das hat ihr ein ehemaliger Zweitligist im ersten Saisonviertel vor Augen geführt.“
Die FR pocht darauf, dass die Mannschaft zwar „mit einigem Geld“, aber mit „noch viel mehr Sachkenntnis zusammengestellt“ worden sei; die SZ listet zwölf Gründe für die Stärke Hoffenheims.
Glaubwürdigkeit gerettet
Die Berliner Zeitung vom Samstag würdigt das Hoffenheimer Scouting und besonders Manager Jan Schindelmeiser, den Ralf Rangnick schon nach Hannover und nach Schalke holen wollte. Doch denen sei dessen Name wohl zu klein gewesen, wird Rangnick zitiert. Die FAZ stellt mit Zwischentönen Dietmar Hopps „Imperium“ vor.
In der FAZ der letzten Woche widmet sich Christian Eichler dem „englischen Hoffenheim“, dem Sensationsaufsteiger Hull City, noch immer 3. der Premier League. Diesem Klub verdankt Eichler, dass er seine letzten Illusionen bewahren dürfe: „Immer, wenn alle Welt gerade meint, der Fußball sei nun endgültig ein reines Investment geworden, ein Spielball der Kapitalströme, ein Finanzprodukt mit vorhersehbarem Ausgang – immer dann produziert er ein, zwei verrückte Provinzmärchen, und schon glaubt man wieder gern an das Unbezähmbare, Unbezahlbare dieses Spiels. So wie nun wieder die Kreissparkasse und nicht die Investmentbank gefragt ist, so sind es Provinzvereine und nicht Mega-Klubs, die dem Fußball die Glaubwürdigkeit retten.“
In der NZZ legt Stefan Osterhaus Kevin Kuranyi und Lukas Podolski nahe, ihre Vereine zu wechseln. Die Berliner Zeitung widmet sich Tottenham, dem Tabellenletzten der Premier League.