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Deutsche Elf

Der Löw hat nur gebrüllt, nicht gebissen

Oliver Fritsch | Montag, 3. November 2008 Kommentare deaktiviert für Der Löw hat nur gebrüllt, nicht gebissen

Ist die Autorität Joachim Löws tatsächlich gewahrt? Ist das Verhältnis zu Michael Ballack wirklich wiederhergestellt? Große Skepsis in der Presse

Michael Ballack bleibt Joachim Löws Kapitän, der DFB stellt Löws Entscheidung als problemlose Versöhnung dar, die das Gesicht beider und die Autorität des Trainers wahre. Doch in den Sportredaktionen überwiegt Skepsis, ob das Verhältnis der beiden unvoreingenommen sein wird. Auch wird moniert, dass man sich nur mit der Form, nicht aber mit dem Inhalt der Ballack-Vorwürfe auseinandergesetzt habe.

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) rechnet mit belastenden Folgen: „Es genügt nicht, dass Ballack die Form seiner Kritik bedauert und dass er seine inhaltlichen Vorwürfe mit einem dürren Sätzchen widerruft. Es ist davon auszugehen, dass die Eruptionen der vergangenen Wochen nicht ohne Nachbeben bleiben werden. Ab sofort wird jeder schiefe Halbsatz Ballacks kleinlich durchleuchtet und auf sein Krawallpotenzial hin untersucht werden. Was Ballack sagt, wird in Zukunft mehr denn je zum Aufreger des Tages taugen – zumal die tiefe Abneigung zwischen ihm und Oliver Bierhoff die Atmosphäre ohnehin auch weiter belastet. Diese Reibungspunkte dürften auf dem Weg zur WM 2010 störend wirken. Die DFB-Erklärung klingt nicht, als hätte Löw tatsächlich die Frage geklärt, wer in der Nationalmannschaft das Sagen hat.“

Katrin Weber-Klüver (taz) fügt amüsiert hinzu: „Jede Novela, die was auf sich hält, retardiert im Schlussteil so rumpelig es eben geht. Auch diese macht da keine Ausnahme. Respekt, die Herren! So eine Aussprache ohne klare Entscheidung markiert kein Ende, sondern gleich den Auftakt zur nächsten Staffel eitlen Hahnenkampfes.“

Disziplinarische Schmalspurvariante

Stefan Osterhaus (Financial Times Deutschland) kreidet Löw zweierlei Maß an: „Dass Löws Personalmanagement nicht das beste ist, zeigt sich immer häufiger: Er glaubt, es sich leisten zu können, alte Fahrensmänner wie Timo Hildebrand per Telefon abzumeiern und einem wie Kevin Kuranyi nicht erläutern zu müssen, dass seine Perspektiven nicht die besten waren. So kommt es, dass der eine wutentbrannt die rauen Sitten moniert und der andere bei Nacht und Nebel von der Tribüne stiften geht. Und so kommt es vielleicht auch, dass sich Ballack genötigt sah, einfach mal ein Wort zu sagen und für die alten Kameraden in die Bresche zu springen. Denn es dünkt nach viel Hinterzimmerdiplomatie im DFB. Und der freundliche Bundestrainer hat sich als ein Freund der defensiven Konfliktbewältigung entpuppt, was wohl weiterhin für muntere Episoden aus der DFB-Trutzburg sorgen dürfte.“

Über die „disziplinarische Schmalspurvariante“ spottet auch Michael Horeni (FAZ): „Dass er ein so gehöriges Maß an Toleranz für seinen Kapitän aufbrachte, wird Löw seinen Spielern erst noch erklären müssen. Löw hat den Fall Ballack offiziell zu den Akten gelegt – aber beendet ist er noch lange nicht. Der Löw hat nur gebrüllt, nicht gebissen.“

Auch Kollege Steffen Dobbert (Zeit Online) stellt in seinem Kommentar heraus: „Löws Autorität hat durch den öffentlichen Konflikt mit Ballack Schaden genommen. Der Kapitän kann sich als Sieger fühlen. Der Nationalelf hat er nicht geholfen.“

Die FAS stellt die Frage: „Eine wichtige Frage bleibt in der Diskussion nämlich offen, die auch nach der Einigung zwischen Ballack und Löw nicht geklärt werden konnte: Hat der Kapitän mit seiner inhaltlichen Kritik eigentlich Recht oder nicht?“ Philipp Selldorf (SZ) befasst sich mit der Wirkung: „Zu dieser Affäre gehört, dass nach ihrer überraschend ergebnisfreien Beilegung alle Welt fragt: Wer ist denn nun Gewinner und wer ist Verlierer?“ Verlierer sei auf jeden Fall Torsten Frings

Unverständlich

Jan Christian Müller (FR) lehnt den Gedanken daran ab, Jens Lehmann ein Abschiedsspiel gegen England zu gewähren: „Unverständlich wäre es, wenn Löw einer für den deutschen Fußball nicht sonderlich prägenden Figur wie Lehmann noch einen Einsatz gönnen würde. Ganz unabhängig davon, dass es das falsche Signal an die nachrückenden Talente Adler und Neuer wäre, die jede Minute Einsatzzeit in der A-Mannschaft voranbringt, stellt sich die Frage: Womit hätte sich Lehmann eine Sonderbehandlung verdient? Dafür, dass er mit Oliver Kahn stets ein vorbildlos unkollegiales Verhältnis pflegte? Dafür, dass er lediglich zwischen März 2006 und Juni 2008 Deutschlands Nummer eins war? Dafür, dass er mal heimlich Handschuhe von Nike trug statt von DFB-Ausrüster Adidas? Dafür, dass er mit Manager Bierhoff gut kann? Oder dafür, dass er in der Premier League sein Geld verdiente und es deshalb schön passt mit dem Abschied gegen England? Wie auch immer: Wenn Löw sich entscheidet, Lehmann zwischen die Pfosten zu stellen, dann hätte eines Tages selbst Arne Friedrich Anspruch auf ein Dankeschön im Adlertrikot. Bernd Schneider sowieso. Und Klose, Schweini und Poldi, Merte und Metze. Und sogar Ballack und Frings.“

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