Am Grünen Tisch
Ich bin kein Prozesshansel
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| Donnerstag, 6. November 2008Die Vorgeschichte der Reihe nach
Der Sportjournalist Jens Weinreich kritisiert die Aussagen des DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, die dieser auf einem DOSB-Kongress im Juli getroffen hat, und bezeichnet Zwanziger in den Kommentaren meines Blogs direkter-freistoss.de als „unglaublichen Demagogen“. Sinngemäß wirft Weinreich Zwanziger vor, alleine die rechtlichen Rahmenbedingungen für das anhaltend schlechte Abschneiden deutscher Fußballklubs im Europapokal verantwortlich zu machen. Eine Ausrede, um dem Publikum zu schmeicheln, meint Weinreich. Daraufhin schickt Zwanziger, der sich in seiner Ehre verletzt sieht, Weinreich per Anwalt eine Unterlassungserklärung, die Weinreich wiederum nicht unterzeichnet. Die Sache landet vor Gericht, und die bisherigen Instanzen weisen den Kläger zurück. Die Aussage Weinreichs sei durch Artikel 5 geschützt, zudem begründe er ausführlich seine Kritik. In meinem Blog begrüße ich dieses Urteil als Entscheidung im Sinne der Meinungsfreiheit, woraufhin mich Zwanziger zum Gespräch bittet. Am Freitag, den 31. Oktober, sprechen wir gut neunzig Minuten im DFB-Präsidium. Bei der Vorbereitung des Interviews habe ich meine Leser darum gebeten, per E-Mail oder Blog-Kommentar Fragen an den DFB-Präsidenten zu stellen. Im Blog von Jens Weinreich können Sie die Sache sehr genau nachlesen, dort finden Sie auch Schriftsätze der Gerichte. Der Journalist des Jahres Stefan Niggemeier hat auch dazu gebloggt. Hier lesen Sie die autorisierte Version des Interviews.
DFB-Präsident Theo Zwanziger gibt im Interview darüber Auskunft, warum er mit juristischen Mitteln gegen einen Journalisten vorgeht, der ihn als „Demagoge“ bezeichnet hat. Außerdem über die Grenzen der Meinungsfreiheit, seine Empfindlichkeit gegenüber dem Nationalsozialismus, die WM-Stadt Sinsheim, den öffentlichen Disput zwischen Michael Ballack und Joachim Löw sowie Oliver Bierhoff und zu harte Strafen im Amateurfußball
indirekter-freistoss: Herr Zwanziger, was halten Sie vom Internet?
Theo Zwanziger: Das Internet spielt eine zunehmend größere Rolle. Auch für einen 63-Jährigen ist es ungemein wichtig geworden. Es ist das Medium der Zukunft, das unsere Gesellschaft verändert und weiter verändern wird. Leider kann ich auf meinem Mobiltelefon noch keine Videos abspielen. Aber auch das wird kommen.
if: Ist es für Sie ein ernstzunehmendes Informationsmedium? Ich frage deswegen, weil der Fall, den wir heute in erster Linie besprechen wollen, im Internet angestoßen worden ist.
Zwanziger: Ja, das ist es. Auch wenn es in diesem großen Kommunikationsnetz einen Nachteil gibt: Die Anonymität, die die Foren bieten, verführt manchmal zu unüberlegten und diffamierenden Aussagen.
if: Sie haben den Journalisten Jens Weinreich, der Sie als „unglaublichen Demagogen“ bezeichnet, auf Unterlassung verpflichten wollen – und sind per Einstweiliger Verfügung bislang in zwei Instanzen damit gescheitert. Das sieht so aus, als wollten Sie einen Kritiker mundtot machen oder einschüchtern. Fürchten Sie nicht, dass Sie Ihren Ruf aufs Spiel setzen? Immerhin haben Sie im allgemeinen eine gute Presse. Selbst skeptische Geister verbinden mit Ihrer Präsidentschaft Hoffnung auf Öffnung des DFB. Sie sind der Anti-MV, der, das nur nebenbei, diesen Angriff dank seiner Dickhäutigkeit sicher ignoriert hätte.
Zwanziger: Ich bin kein Prozesshansel, ich kann Kritik einstecken. Doch in diesem Fall muss ich darauf verweisen, dass Artikel 5 unseres Grundgesetzes nicht nur die Meinungsfreiheit schützt, sondern auch die persönliche Ehre. Herr Weinreich hat mich Demagoge genannt. Daraufhin habe ich im Duden nachgeschlagen, und der definiert dieses Wort genau wie ich es empfinde: „Volksverhetzung“. Das ist laut § 130 des Strafgesetzbuches eine strafbare Handlung, die mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Und nun will ich von Gerichten geprüft wissen: Darf man mich als Volksverhetzer bezeichnen? Das bin ich dem Verband und mir selbst schuldig, zumal Herr Weinreich noch eins drauf gesetzt und mich als „unglaublichen“ Demagogen bezeichnet hat.
if: Aber Sie sind nicht als Volksverhetzer bezeichnet worden, sondern als Demagoge – kein unüblicher Begriff etwa in politischen Debatten. Als Schmeichler der Massen kann man es auch übersetzen. Sie selbst mussten sogar im Duden nachschlagen.
Zwanziger: Nein, als „Schmeichler der Massen“ kann man es nicht übersetzen. Der Gesamtzusammenhang des Textes zeigt eindeutig, dass er mich diffamieren will. Der Prozess muss übrigens nicht sein. Wenn Herr Weinreich nicht will, dass ich mich von ihm als Volksverhetzer denunziert verstehe, dann soll er mir zwei Zeilen schreiben, dann ist die Sache vom Tisch. Und dann können wir uns gerne zum Interview treffen, und er kann mir die kritischsten Fragen stellen.
Wenn der Duden unrecht hat, könnte ich auch damit leben
if: Sie verlangen von ihm, dass er etwas zurücknimmt, was er nie gesagt hat.
Zwanziger: Das stimmt nicht. Ich kann nicht akzeptieren, dass eine nach dem Duden klare Interpretation plötzlich nicht gelten soll. Dann soll Herr Weinreich mit einem klaren deutschen Begriff sagen, was er meint. Er nimmt die Deutung „Volksverhetzer“ billigend in Kauf.
if: Haben Sie versucht, mit ihm darüber zu sprechen oder Kontakt mit ihm aufgenommen, so wie mit mir?
Zwanziger: Nein, ich erwarte von ihm, dass er auf mich zukommt. Jedenfalls geht die Sache weiter, wir bereiten eine Unterlassungsklage vor. Auf die mündliche Verhandlung freue ich mich schon. Ich werde dem Gericht die Frage stellen, ob Demagogie Volksverhetzung meint. Wenn nicht, dann irrt der Duden.
if: … der ja auch nicht mehr das ist, was er mal war.
Zwanziger: Wenn der Duden unrecht hat, könnte ich auch damit leben.
Ich habe die juristischen Schriftsätze nicht verfasst
if: Ich will Sie jetzt nicht auf Gedanken bringen, aber warum verklagen Sie ihn und nicht mich, der den Blog betreibt, in dem das Wort gefallen ist? Rechtlich wäre das doch möglich.
Zwanziger: Nein, es geht mir um den Urheber.
if: In der Unterlassungsverpflichtung, die mir vorliegt, stellt Ihr Anwalt Christian Schertz einen direkten Zusammenhang zwischen Demagogie und der NS-Zeit her. Das scheint zum ersten weit hergeholt. Zum zweiten: Sollte nicht gerade der DFB, der über Jahrzehnte seine dunkle Vergangenheit verschwieg, mit der „braunen Keule“ vorsichtiger sein?
Zwanziger: Da bitte ich Sie, meinen persönlichen Hintergrund zu berücksichtigen: Ich bin 1945 geboren und habe meinen Vater im Krieg verloren. Wenn man eine solche Vita hat und außerdem, wie ich, in Yad Vashem war, denkt man anders über die Dinge nach. Ich bitte um Verständnis, dass meine Empfindlichkeit, was die Nazi-Zeit angeht, größer ist, als das vielleicht bei andern Leuten oder Jüngeren der Fall ist. Beim Stichwort „Demagoge“ denke ich an Goebbels.
if: Ich bin Jahrgang 1971 und nicht direkt betroffen – aber ich wehre mich dagegen, dem Nationalsozialismus gegenüber weniger empfindlich zu sein. Ich denke nicht anders über die Dinge nach. Und ich kann im vorliegenden Fall keinen Nazi-Vergleich entdecken, so wie er bedauerlicher- und unvernünftigerweise in anderen Kontexten immer wieder gezogen wird, wie etwa jüngst durch den Ökonomen Hans-Werner Sinn.
Zwanziger: Ich habe unsere juristischen Schriftsätze nicht verfasst. Ehrlich gesagt, hab ich sie gar nicht exakt verfolgt. Wenn es allerdings zur Klage kommt, werden wir differenzierter argumentieren.
Sport ist keine Politik
if: Zahlen Sie die Kosten des Verfahrens? Oder wird die DFB-Kasse belastet?
Zwanziger: Erstens werde ich keine Kosten haben, weil ich den Prozess gewinnen werde. Davon bin ich fest überzeugt. Zweitens wird es beim DFB so gehandhabt, dass die Mitarbeiter für solche Fälle, die durch ihr berufliches Wirken entstehen, durch ein Rechtsschutzversicherung abgesichert sind. Sollten wir tatsächlich vor Gericht verlieren, würde ich privat natürlich den gleichen Betrag an die European Gay & Lesbian Sports Federation spenden, weil ich dort die Arbeit von Tanja Walther sehr schätze. Ich hoffe, dass Herr Weinreich etwas ähnliches macht, wenn er verliert und die Kosten nicht selbst tragen muss.
if: Sie legen offensichtlich gerne die Spielregeln fest. Stimmt es auch, dass Sie „Kommunikationsherrschaft“ anstreben, wie Weinreich sie zitiert? Was meinen Sie damit?
Zwanziger: Damit meine ich, dass wir nach außen hin sauber und glaubwürdig auftreten wollen.
if: Wenn man, wie Sie im Fall Demagogie, den größten Deutungsspielraum nutzt, könnte man unter Kommunikationsherrschaft verstehen, dass Meinungen gelenkt werden oder genehme Journalisten bevorzugt werden. Ein Missverständnis?
Zwanziger: Ja. Kommunikationsherrschaft bedeutet für mich, dass drei Dinge in Einklang zu bringen sind: Inhalte, Personen und Kommunikation. So wie zum Beispiel im Fall Steffi Jones, die als WM-Botschafterin den Mädchen- und Frauenfußball glaubwürdig repräsentiert. Vielleicht ist Herrschaft der falsche Begriff, und wir sollten einen besseren finden.
if: Der Begriff Herrschaft hat meine User dazu veranlasst, die Frage zu stellen, ob der DFB Lobbyisten beschäftigt oder Journalisten, vielleicht bloß indirekt, beeinflusst?
Zwanziger: Lobbyisten gibt es in der Politik. Warum sollten wir Leute zahlen, die sich für unsere Anliegen einsetzen? Natürlich machen wir auch PR in unserem Haus. Aber auf Journalisten nehmen wir keinen Einfluss.
if: Ist es nicht eine Form von indirektem Einfluss, wenn der DFB Journalisten dafür zahlt, dass sie für sein Journal und sein Programmheft schreiben?
Zwanziger: Das müssen Sie die Journalisten fragen. Wir reden ihnen nicht in die Arbeit rein. Auch wenn wir die Autoren bezahlen, würden wir nie Druck auf sie ausüben oder erwarten, dass sie gegen ihre Überzeugung bei kritischen Themen freundlich über uns schreiben. Ich kann nicht erkennen, was daran verwerflich ist, wenn wir thematische Aufträge an Journalisten vergeben.
if: Das vielleicht nicht, aber clever. Stichwort Schere im Kopf.
Zwanziger: Manche angefragte Autoren lehnen ja auch ab, weil sie der Meinung sind, dass sie dadurch ihre Unabhängigkeit aufs Spiel setzen und führen dafür ihre Gründe an, die wir selbstverständlich akzeptieren, selbst wenn wir es anders sehen. Außerdem bin ich nicht gegen kritische Beiträge, auch in unseren Verbandsblättern, wenn sie sachlich bleiben und niemanden verletzen.
if: Sportjournalisten tun sich ohnehin nicht als besonders harte Kritiker hervor.
Zwanziger: Sport ist ja auch keine Politik. Im Sport geht es mehr um Emotionen, auch bei den Journalisten. Meist geht es um Erfolg oder Misserfolg. Natürlich auch um sportpolitische Entscheidungen oder für uns als Verband um die gesellschaftliche Positionierung. Und was die Finanzen betrifft: Wir vom DFB können keine Steuermittel sachwidrig verwenden oder verteilen, weil wir keine bekommen. Die Politik muss dagegen immer den Einsatz von Steuergeldern rechtfertigen.
if: Jetzt untertreiben Sie aber die Macht des DFB. Was ist mit WM-Stadien zum Beispiel? Jüngst hat es Aufregung darüber gegeben, weil die Stadt Sinsheim den Zuschlag für die Frauen-WM 2011 erhalten hat. Dabei wird das Stadion derzeit noch gebaut, Bauherr ist Dietmar Hopp. Nun kursiert der Vorwurf, der DFB erweise Sinsheim deshalb die Gunst, weil der Sohn des Präsidenten, Ralf Zwanziger, im Arbeitsverhältnis mit Hopp steht.
Zwanziger: Das entscheidende war sicher nicht, dass mein Sohn dort arbeitet. Schauen Sie einfach mal auf die Landkarte Deutschlands! Und wenn wir Sinsheim vom WM-Plan wegnehmen würden, hätten wir im Südwesten einen großen weißen Fleck. Doch wir wollen die WM ins ganze Land tragen. Das hat also nichts mit meinem Sohn zu tun. In unserer Gesellschaft wird manches ungerecht beurteilt. Warum eigentlich diese Unterstellung?
if: Die Leute wissen eben, dass Blut dicker als Wasser und Vetternwirtschat ein verbreitetes Phänomen ist.
Zwanziger: Aber in diesem Fall liegt das wirklich anders. Die Frage ist doch: Sollten wir sachwidrige Entscheidungen treffen, nur um einem möglichen Vorwurf aus dem Weg zu gehen? Das würde ja bedeuten, dass wir in Sinsheim gar nichts machen dürften. Wir haben im DFB-Präsidium nach klaren regionalen Kriterien eine ausgewogene Entscheidung getroffen. Der Süden ist der größte Regionalverband des DFB und erhielt deshalb den Zuschlag für drei WM-Städte: einmal Bayern, einmal Hessen und einmal Baden-Württemberg mit Sinsheim – jeder der drei Landesverbände wurde damit berücksichtigt. Deshalb wäre Sinsheim im Süden mit oder ohne meinen Sohn Ralf dabei gewesen. Und Magdeburg, dessen „Aussortierung“ einer Ihrer User beklagt, liegt zu nahe an Wolfsburg. An Wolfsburg, das übrigens eine Frauen-Bundesligamannschaft hat, kamen wir aber nicht vorbei, weil es der einzige Bewerber aus dem Norden war. So fiel die Entscheidung für die einzige WM-Stadt im Nordosten zu Gunsten von Dresden. Allerdings ist auch noch zu bedenken, dass das Eröffnungsspiel in Berlin stattfindet. Außerdem glaube ich, dass Herr Hopp meinen Sohn nicht kennt, wenn er ihm begegnet.
Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Platini
if: Themawechsel: Wie stehen Sie zur 50+1-Regel?
Zwanziger: DFB und DFL wollen die Regel erhalten, weil sie den deutschen Fußball vor unlauteren Interessen und fremden Interessenten schützt. Da sind wir an einem Punkt, an dem ich die Frage stellen muss: Reicht die Verbandsautonomie oder brauchen wir den Schutz des Staates?
if: Sollten die Verbände also von Ihrer Autonomie abgeben?
Zwanziger: Nein, im Gegenteil, die Verbands- und die Vereinsautonomie muss gestärkt werden. Mit der 50+1-Regel wollen wir unser Prinzip Solidarität bewahren. Wir sind ein gemeinnütziger Verband, keine Aktiengesellschaft. Ohnehin bekommen wir einige Steine in den Weg gelegt: Der Fall Bosman höhlt über Artikel 12 (Berufsfreiheit) den Artikel 9 (Vereinsautonomie) unseres Grundgesetzes aus und schwächt die Vereine, selbst im Amateurfußball. Das Kartellamt verfügt eine „Lex Sportschau“ und erschwert der DFL, die TV-Rechte angemessen zu verkaufen – das ist einmalig in Europa. Unter diesen Entscheidungen und Rahmenbedingungen leidet der deutsche Vereinsfußball. Dies wird auch die Nachwuchsförderung treffen. Das ist meine Meinung, und vielleicht hat Herr Weinreich eine andere. Deswegen bin ich aber noch lange kein Demagoge.
if: Ich denke, ihm ging es nicht um das Bosman-Urteil an sich, sondern darum, dass Sie es als Vorwand und Ausrede benutzt hätten, um die vielen Niederlagen deutscher Klubs im Europapokal zu entschuldigen – und damit dem anwesenden Publikum nach dem Mund zu reden. Vielleicht wird ja Hoffenheim bald zeigen, dass diese Schwäche doch nicht nur am Geld liegt. Stichworte: gutes Scouting, modernes Training, Persönlichkeitsentwicklung der Spieler.
Zwanziger: Das gehört alles zusammen. Es gibt immer mehrere Gründe, daher lehne ich Schwarz-Weiß-Malerei ab. Geld ist nicht alles, aber ohne Geld geht’s nicht. Deswegen treffen sich in den Halbfinals der Champions League meist englische, spanische und italienische Klubs.
if: Sie werden im März 2009 für einen Sitz in der Uefa-Exekutive kandidieren. Als Freund des Präsidenten Michel Platini gelten Sie nicht.
Zwanziger: Das ist bei seiner Wahl vor anderthalb Jahren völlig falsch dargestellt worden. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Platini. Bei der Wahl haben wir jedoch seinen Rivalen Lennart Johansson unterstützt, weil wir ihm wesentlich mehr als jedem anderen die Weltmeisterschaft 2006 zu verdanken haben. Und das haben wir vor der Wahl auch so transparent kommuniziert.
if: Ist es auch eine Ente, dass Sie zu der Aufgabe gedrängt worden sind?
Zwanziger: Das ist keine Ente. Ich bin ein Mensch, der seine Aufgaben gewissenhaft angehen möchte. Deshalb habe ich mich beraten, nachgedacht und dann entschieden. Ich hab in den vergangenen Jahren wenig internationale Erfahrung gesammelt. Daher lag das nicht nahe.
if: Hat Generalsekretär Wolfgang Niersbach, der international besser vernetzt ist, keine Lust gehabt?
Zwanziger: Er steht völlig loyal zum Verband und mir. Er ist der Auffassung, dass es der Präsident machen sollte. Nur wenn ich abgelehnt hätte, hätte er bereit gestanden.
Es war ein Fehler, die Sache öffentlich auszutragen
if: Wie bewerten Sie die Fälle Ballack gegen Löw und Ballack gegen Bierhoff, auch die Kommunikation?
Zwanziger: Ich kann Journalisten gut verstehen, die sauer sind, wenn Sie Stunden auf eine Pressemitteilung warten müssen. Doch es bedurfte eben noch der Abstimmung, bis sie rausgehen konnte. Zur Sache: Es entstehen nun mal Konflikte, wenn solch starke Persönlichkeiten miteinander arbeiten. Ich sagen ihnen: Wenn Ihr Euch was zu sagen habt, dann tut das, aber intern! Leider gelingt das nicht immer. Ich war übrigens überrascht, dass das Thema Bierhoff lange nach der EM noch mal aufkam. Und auch das Ballack-Interview traf mich unerwartet.
if: Ist die Sache zwischen Löw und Ballack nun aus der Welt? Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Löws Autorität geschwächt worden ist. Schließlich ist der Inhalt der Kritik Ballacks öffentlich nicht verhandelt worden, sondern bloß der Stil.
Zwanziger: Joachim Löw und Michel Ballack haben eine neue Vertrauensgrundlage geschaffen, und es wurde natürlich auch über inhaltliche Dinge geredet. Die Autorität des Bundestrainers hat nicht gelitten. Zudem freue ich mich, dass Michael Ballack, ein wichtiger und verdienter Spieler, auf dem schweren Weg nach Südafrika weiterhin dabei ist und Kapitän bleibt. Ich gehe davon aus, dass der Streit die Funktion eines reinigenden Gewitters hat. Es war ein Fehler, die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit auszutragen. Aber wir sind Menschen und machen Fehler. Auch beim Hoyzer-Prozess haben wir inhaltlich gut gearbeitet – und es gab anfangs Missverständnisse. Die Ursache dafür lag in der Doppelspitze im DFB-Präsidium. Wenn zwei Leute an der Sache arbeiten, haben sie selten den gleichen Wissensstand. Anderes Beispiel für mangelhafte Kommunikation unter den Beteiligten: Zahl und Zeiten der künftigen Sonntagsspiele in den Bundesligen. Da wurden so viele Modelle in der Öffentlichkeit diskutiert, dass am Ende viele nicht mehr wussten, was nun gelten soll. Deshalb ist nebem dem Inhalt und den Persönlichkeiten die klare einheitliche Sprachregelung nach außen so wichtig.
Im Amateurfußball wird zu hart bestraft
if: Beim Thema Sonntagsspiele kollidieren Sie mit dem Amateurfußball. Aber nicht nur hierin. Ich bin seit dreißig Jahren in Fußballvereinen als Spieler und Trainer aktiv. Ich weiß, dass viele Vereine sich von den Verbänden gegängelt, überreguliert und in Rechtsfällen zu hart bestraft fühlen. Man findet aber schwer einen Offiziellen, der sich in der Zeitung zu Wort meldet. Die Verantwortungsträger von den Verbänden gelten manchen als selbstherrliche Fürsten, mit denen man sich lieber nicht anlegt. Wie können Sie dem entgegentreten?
Zwanziger: Es ist nicht immer einfach, die Interessensgegensätze zwischen Verband und Verein auszugleichen. Vereine wollen Fußball spielen und übersehen, dass es Regeln gibt, dass der Wettbewerb geordnet werden muss, Schiedsrichter angesetzt werden, Recht gesprochen wird. Der Verband leistet überwiegend ehrenamtlich all dies …
if: … und wird von den Vereinen dafür bezahlt …
Zwanziger: Die Vergütungen, die von den Vereinen gezahlt werden, sind im wesentlichen Vergütungen für Dienstleistungen der Verbände. Konflikte wird es auf diesem Feld aber immer geben, allein schon deshalb, weil der Verband als Kontroll- und manchmal auch als Polizeiinstanz auftreten muss.
if: Einer meiner Spieler wurde wegen einer Tätlichkeit vom Platz gestellt, nachdem er mehrfach provoziert worden war. Vor der Verhandlung fragte er mich, was er sagen solle. Ich riet ihm, die Wahrheit zu sagen. Er wurde sechs Monate gesperrt – wegen eines an und für sich harmlosen Fußtritts. Es wäre besser gewesen, wenn er gelogen und alles bestritten hätte; er wäre mit einer Monatssperre davongekommen. Es war das letzte Mal, dass ich einem Spieler zu Ehrlichkeit vor dem Sportgericht rate.
Zwanziger: Oh je! Sie müssen verstehen, die Mitarbeiter in unseren Rechtssprechungsorganen sind Ehrenamtler, von denen die meisten in modernen strafrechtlichen Fragen nicht ausgebildet sind. Deswegen bemühen wir uns, dieses Defizit zu beheben. In Sachen Prävention und Bewährung wollen wir modernere Maßstäbe etablieren. Aber dafür braucht man gut ausgebildete Leute. Ich gebe zu: Im Amateurfußball wird mitunter zu hart bestraft. Im Profifußball würden uns die Arbeitsgerichte solch lange Sperren nicht durchgehen lassen.
if: Darf ich Ihnen am Ende eine Frage als Befangener stellen? Anfangs haben Sie bedauert, dass Ihr Mobiltelefon keine Video-Clips abspielt; vielleicht vermissen Sie ja die schönsten Tore von Ihrem Heimatklub VfL Altendiez. Wie stehen Sie zum Fall Hartplatzhelden?
Zwanziger: Ich kann dazu nicht viel sagen, weil es für mich bisher ein Randthema ist. Es ist es keine DFB-Angelegenheit, sondern die Sache der Landesverbände, die hier ihre Ansprüche anmelden und ihre Rechte gefährdet sehen. Diese Meinung trage ich natürlich mit. Zum Schluss möchte ich noch zwei Fragen aus Ihrem Blog aufgreifen: Strammen Max esse ich sehr gerne, und der User westernworld fragt, ob ich mich ohne Polizeischutz mal in eine Stadionkurve traue. Aber ja, natürlich! Ich gehe auch gerne mit ihm dorthin. Das können Sie ihm ausrichten.
Diskutiert werden kann hier.