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Dschungelkapitalismus

Oliver Fritsch | Dienstag, 17. März 2009 Kommentare deaktiviert für Dschungelkapitalismus

Anrüchige Geschäfte in Bremen – wo noch? / Uli Hoeneß verkleidet seine Gier als Wohltat

Als „Praxis der stillen Teilhabe von Kluboffiziellen“ verspottet Thomas Kistner (SZ) das vermutliche Verhalten von Jürgen Born und Co, an Transfers mitzuverdienen. Der Beraterbranche traut er für keine 5 Pfennig: „Der Transfermarkt im autonomen Sport ist, was die globale Finanzwirtschaft bis vor kurzem war: Schwarzes Loch für alle Außenstehenden, in dem trickreich dies- und jenseits der Legalität operiert wird und das unfassbare Summen aufzusaugen weiß. Ohne Sinn, ohne einen erkennbaren Nutzwert. Und wie der anarchische Dschungelkapitalismus selig zieht auch der völlig unkontrollierte Athletenhandel das Gelichter an. Immer öfter sind es Milieugrößen, die für ihre ja mehr fürs Ballspiel geschaffene Klientel als Menschenhän-, pardon: Agenten und Berater auftreten.“

Frank Hellmann (FR) denkt laut über Anschlussfragen nach: „Anrüchig ist der Umstand, dass Pizarro 30 Prozent der Transferrechte an Roberto Silva besessen haben soll. Aus Aufsichtsratskreisen verlautete, man habe damals schon geahnt, dass der nachweislich nicht bundesligataugliche Spieler wohl zuvorderst gekauft wurde, um Delgado eine hohe Provision zukommen zu lassen. Und wie verhält es sich eigentlich mit der Option, die der Klub gerade vor ein paar Monaten für das zum FSV Frankfurt entliehene peruanische Talent Junior Ross gekauft hat, zufälligerweise auch ein Klient Delgados? Dessen im Rosenkrieg zu allem entschlossene Frau, das Ex-Model Fiorella Faré, ist im Besitz von 4.000 Aktenseiten mit brisantem Material. Wird bald auch öffentlich, wie etwa im Detail sich der FC Bayern die Dienste Pizarros bei dessen Agenten erkauft hat?“

Sylvia Schenk von Transparency International erläutert in der Berliner Morgenpost die Anfälligkeit des Sports für Korruption: „Die Verantwortlichen im Sport werden hofiert, sie sehen sich als die Guten. Daraus entsteht ein Gefühl der Unangreifbarkeit. Im Sport gibt es einen gefährlichen Gleichklang der Interessen von Politik, Sportklub, Medien und Wirtschaft. Verlag und Journalisten profitieren schließlich auch vom Erfolg des THW. Natürlich will die Politik in Kiel mit auf der Tribüne sitzen, die Wirtschaft hofft auf Imagewerbung. Da gibt es dann ein konzertiertes Wegsehen. Bremens zurückgetretener Klubchef Born hat ehrenamtlich gearbeitet. Dann ist man ihm dankbar, dass er die Kontakte in Südamerika hat und die Sportler bringt, niemand fragt nach. Dabei sind Spielertransfers mit Südamerika sehr oft mit Zahlungen am Rande verbunden, allerdings halten dann eher die dortigen Akteure die Hand auf.“

Nachrichten aus einer notleidenden Branche

Offenbar allen Ernstes legt Uli Hoeneß in seinem Wunsch nach einer Fußballsteuer nach und maskiert seine Gier als gute Tat: „Gerade jetzt sollten wir uns Gedanken um den ‚kleinen Mann‘ machen, um diejenigen, die es am meisten treffen wird. Diejenigen, die nicht mehr am Wochenende schnell wegfahren können, die vielleicht das Geld nicht mehr haben, um von weither zu ihrem Klub zu fahren und das Ticket im Stadion zu kaufen. Genau diese Leute könnten für 2 Euro an vier Tagen in der Woche, von Freitag bis Montag Fußball satt sehen.“

Martin Zeil, Bayerns Wirtschaftsminister und Mitglied im ZDF-Fernsehrat, misst Hoeneßens Temperatur: „Mir war entgangen, dass der Fußball zu den notleidenden Branchen gehört. Ich meine, wir müssen in der jetzigen Situation alles zurückdrehen, was die Bürger belastet. Und außerdem mache ich mir um die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen und bayerischen Fußballs keine Sorgen.“

Die SZ und die Abendzeitung haben weitere Stimmen aus Politik und Liga zum Hoeneß-Vorschlag gesammelt.

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