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Frühlingsspaziergang im Nebel

Oliver Fritsch | Freitag, 20. März 2009 Kommentare deaktiviert für Frühlingsspaziergang im Nebel

Bremer Schlampereien beim Einzug ins Viertelfinale / Fans schießen Leuchtraketen / Kanns Kahn?

Zum Sportlichen, dem 2:2 Werders in St. Etienne: Die Presse scheint ebenso von Frühlingsgefühlen angesteckt, wie sie diese bei Bremen ausmacht. Hinweise auf die Jahreszeit, vom Frühlingsspaziergang bis zur Frühjahrsblüte, sprießen wie Krokusse. Die Leuchtraketen-Fans werden selbst gebrandmarkt; „kriegsähnliche Zustände“ will man in St. Etienne gesehen haben.

Frank Hellmann (FR) sieht für uns durch die Rauchschwaden und erkennt vage einen Bremer Aufschwung: „Werder ist mit einem südfranzösischen Frühlingsspaziergang ins Viertelfinale gelangt. Das Weiterkommen hätte man rasch als routinierte Pflichterfüllung abhaken können, wären nicht mitgereiste Wirrköpfe aus der Rolle gefallen. Etliche Randalierer, die reihenweise Böller, Feuerchen und Raketen zündeten. Nicht über das erst durch späte Schlampereien nur unwesentlich getrübte 2:2 war zuerst zu reden, sondern über die fast kriegsähnliche Eskalation auf der Gegentribüne. Ständig lodernde Brandherde kennzeichnen also weiterhin diese wankelmütige Saison. Eher nebulös wird deshalb wahrgenommen, dass die Bremer sportlich langsam die Kurve kriegen.“

Auch Roland Zorn (FAZ) erfreut sich an der Bremer „Frühjahrsblüte“. Internationale Reife sei den Bremern noch nicht abhanden gekommen. Spiele gegen schwächere Gegner würden sie schnell mit „Wirkungstreffern“ entscheiden. „Doch was bei den in dieser Spielzeit so wankelmütigen Bremern die Normalform ist, scheint noch nicht endgültig ausgemacht.“ Die Aktionen der Werder-Fan betitelt Zorn als „ultra-daneben“. Sein lapidares Fazit: „Werder gut, Fans schlecht“.

Stoisch wie Hindu-Kühe

Frieder Pfeiffer sieht ebenfalls eine Wende für Werder. Auf Spiegel Online staunt er über zuletzt selten gesehene Taten der Füße Torsten Frings‘: „Es war ein Spaziergang an einem milden südfranzösischen Frühlingsabend, der nur im Kleinen Beachtenswertes zutage brachte. Beispielsweise Ecken von Frings – sonst bekannt für hohe Flugkurven, aber nicht für gefährliche. Jetzt waren die Standards plötzlich effektiv. Scharf und zielgenau schoss Frings in das lässig klaffende Verteidigungsloch der Franzosen, in das sich Sebastian Prödl geschlichen hatte – und das 1:0 machte. In bajuwarischem Pragmatismus legten sich die Bremer in der Folge den völlig überforderten Gegner zurecht. Die Mannschaft scheint gerade noch rechtzeitig in Fahrt zu kommen. Das Team hat sich defensiv wie offensiv gefunden.“

Anleihen im US-Sport nimmt die SZ. Das Bremer Spielprinzip sei vornehmlich auf die beiden Varianten ausgelegt, kurz auf den kreativen Diego oder lang auf Pizarro zu spielen. Ganz wie Shaquille O‘Neals Motto „Gebt mir den Ball und geht aus dem Weg!“ verfahre Bremen im Vertrauen auf einen seiner beiden Stars. Neben diesen stelle Thomas Schaaf zurzeit wohl bewusst nur neun „Fußballarbeiter“ auf. Viele Blumen verteilt die SZ für die Bremer Abwehr. Angesichts einer Leistung, die fürs „Lehrbuch für Stellungsspiel“ tauge und „stoisch wie Hindu-Kühe“ dargeboten werde, musste es ein fehlerhafter Abwurf von Tim Wiese sein, der ein Gegentor ermöglichte.

Pure Psychologie

Uwe Marx (FAZ) gibt Oliver Kahn eine weitere Chance im Post-Titan-Dasein: „Als Manager kann er noch zeigen, was er zu leisten vermag, aber als Schriftsteller und Seelenanalyst ist er gescheitert. Erfolg kommt nämlich nicht von innen, sondern von außen. Entscheidend ist, was andere einem zutrauen, welche Erwartungen sie projizieren. Fußball ist also, was Kahn immer schon wusste: pure Psychologie.“

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