Bundesliga
Hoffenheim fehlt wahre Größe
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| Montag, 4. Mai 2009Ralf Rangnick legt sich öffentlich mit Dietmar Hopp an und entlarvt Hoffenheim als Scheinidylle / Wolfsburg-Fans fühlen sich von Felix Magath im Stich gelassen / Der wahre Reformer Jürgen K. arbeitet in Dortmund / Jupp Heynckes‘ Einstand: Spiel wie vorher, Stimmung gut
Im Dezember noch geliebter Herbstmeister, entpuppt sich die TSG Hoffenheim inzwischen als Scheinidylle. Nach etlichen sieglosen Spielen, vielen Platzverweisen und einer verpassten Dopingprobe wird nun eine „Sollbruchstelle“ (FAZ) zwischen Trainer Ralf Rangnick und Chef Dietmar Hopp sichtbar. Rangnick fordert mehr Investitionen, weil er sich nicht mit „Mittelmaß“ zufrieden geben wolle. Hopp wertet das als „Erpressungsversuch“.
Lars Spannagel (Tagesspiegel) kommentiert die Verirrung Hoffenheims: „Die glorreiche Hinrunde hat die Vereinsverantwortlichen vergessen lassen, dass sie ihrem Plan eigentlich Jahre voraus sind. Ursprünglich sollte die Mannschaft erst 2011 in die Bundesliga aufsteigen. Langfristig, behutsam, perspektivisch sollte der Erfolg kommen. Das Projekt Hoffenheim schien auf alle Eventualitäten, alle Risiken, vorbereitet. Anscheinend nur nicht auf den Erfolg.“
Christian Kamp (FAZ) fordert Hoffenheim auf, verlieren zu lernen: „Hoffenheim – war das nicht der Musterklub, der bis vor ein paar Monaten noch das Wahre, Schöne und Gute im deutschen Fußball verkörpert hatte? Es scheint, als ob nun auch Hoffenheim die Erfahrung machte, dass sich wahre Größe erst in der Krise zeigt – oder eben nicht. Vieles, was über den Aufsteiger hereingebrochen ist, mag unverschuldet sein. Wie man damit umgeht, hat man jedoch immer noch selbst in der Hand.“
Rotation
Wie viel Ernst hinter Andreas Leschs (Berliner Zeitung) Trainerwechselparodie steckt, müssen Sie selbst entscheiden: „Dass Rangnick nicht mehr lange bleiben wird, ist angesichts derartiger Freundlichkeiten also offenbar geklärt. Macht aber nix. Vielleicht ist sein Weggang nur ein kleiner Teil einer großen deutschen Trainerrotation. Und die geht so: Jürgen Klinsmann, im Münchner Tagesgeschäft gescheitert, kommt nach Hoffenheim. Er findet dort viele Vertraute, den Sportdirektor Bernhard Peters und den Psychologen Hans-Dieter Hermann. Er, der Projektleiter, findet ein Projekt, das sich leiten lassen will. Rangnick, der eher kurzfristigen Ruhm ersehnt, wechselt nach Wolfsburg, wo sie beim Geldausgeben schon lange keine Hemmungen mehr hatten. Bleibt die Frage, was mit Schalkes Trainern Büskens/Mulder/Reck passiert, die durch den Wolfsburger Magath ersetzt werden. Wenn sie schnell Englisch lernen, baut Klinsmann sie vielleicht in seinen Hoffenheimer Trainerstab ein.“
Wie George Bush in Heiligendamm
Den Zorn der Wolfsburg-Fans auf den vermutlich abtrünnigen Felix Magath kann Boris Herrmann (Berliner Zeitung) nachempfinden: „Das Zentralhirn, der Architekt, der Chefstratege begeht Fahnenflucht, er lässt den VfL Wolfsburg mit seinem Erfolg alleine, so empfinden das die Anhänger. Und so bringen sie es auch zum Ausdruck. Als Magath jenes Stadion betrat, das er vor zwei Wochen noch als Held verlassen hatte, wurde er ausgepfiffen wie George Bush in Heiligendamm.“ Dass Magath nach dem 4:0-Sieg gegen Hoffenheim erstmals vom Ziel Meisterschaft spricht, deutet Herrmann als Zeichen dessen schlechten Gewissens: „Es war die radikale Abkehr von der Uefa-Cup-Sprachregelung der vergangenen Wochen, es war ein listiges Ablenkungsmanöver, aber es war natürlich auch ein Friedensangebot an Fans und Verein.“
Mit der schwierigen Zukunftsplanung des VfL Wolfsburg beschäftigt sich Frank Hellmann (FR): „Das Machtvakuum zu schließen, wird für die Wolfsburger eine gewaltige Aufgabe. Gefährlich ist es nämlich, wenn zwar die Organisationsstrukturen geordnet sind, Aufsichtsrat und Präsidium indes fast durchgängig der Fußball-Sachverstand abgeht. (…) Blöd, dass das nicht unwesentliche Detail Gültigkeitsdauer des Magath-Vertrages weiten Teilen des Vereins nicht bekannt war. Ein Unding. Das kommt davon, wenn einer nicht nur von früh morgens bis spät abends schuftet, sondern auch in Personalunion den Trainer, Manager und Geschäftsführer gibt und sein direktes Arbeitsumfeld mit Abnickern besetzt.“
Er kann auch Dortmund
Im Sport-Leitartikel der SZ adelt Christof Kneer Jürgen Klopp, der mit Dortmund Sieg an Sieg reiht, als den wahren Reformer: „Als er zum BVB kam, stand er noch im Verdacht, ein Milieutrainer zu sein, der nur Mainz kann. Nun ahnt man: Er kann auch Dortmund. Er hat das Talent, auch größere Welten zu seinem Milieu zu machen. Seine wuchtigen Ansprachen und sein Gespür für klar strukturierten Sport funktionieren bislang auch eine Ebene höher, und in München ärgern sie sich im Stillen gewaltig, dass sie ihr Milieu vor einem Jahr einem anderen Jürgen K. anvertraut haben.“
Aufbruch
Es sieht genauso aus wie vorher, fühlt sich aber anders an – Jörg Hanau (FR) schreibt über den 2:1-Sieg Bayern Münchens gegen Borussia Mönchengladbach und die gute Laune der Zuschauer, die sich von Klinsmann befreit fühlen: „Das neue Freudenhaus der Bundesliga steht in München. Bei so viel Lust hätte man nach dem Abpfiff glauben mögen, dass der Nochmeister den Tabellenvorletzten aus der Arena geschossen hätte. Dem war aber nicht so. Es war ein Arbeitssieg. Davon gab es unter Klinsmann viele. Dafür hätte man den Trainer nicht tauschen müssen. Klinsmann hätte nach solch einer Leistung einen medialen Gewitterregen über sich ergehen lassen müssen, Jupp Heynckes und sein Assistent Hermann Gerland werden gefeiert, als hätten die beiden gerade die 22. Meisterschaft gewonnen. So was nennt man dann wohl Aufbruchstimmung.“