Bundesliga
Keine Schale, kein Finale, HSV
| Dienstag, 12. Mai 2009Der Hamburger „SV saft- und kraftlos“ verspielt alle Trümpfe, die er vor vier Wochen noch hielt / Mönchengladbach plötzlich im Paradies, Schalke endgültig im Mittelmaß / Dem „anderen“ Jürgen K. wird die Umsetzung des Klinsmannschen Credos attestiert
In der FR spricht Frank Hellmann den Hamburger Spielern alles ab, was man an psychischer Stärke im Fußball benötigen könnte: „Ohne Mut, Mumm, Glaube, Geist“ sieht er sie antreten und führt aus: „Sechs der vergangenen neun Pflichtspiele gingen verloren – und so ist die monatelange Welle der Begeisterung, die durch die Elbstadt schwappte, einer gewaltigen Ernüchterung gewichen. Einige Spieler sprachen unverhohlen von einem ‚mentalen Problem‘, das der doppelte Pokal-K.-o. gegen Bremen ausgelöst habe. Es müsste Normalform her, die so viele Protagonisten (zuvorderst Trochowski, Guerrero, Pitroipa, Jarolim) derzeit nicht besitzen. Nicht umsonst rügt Torwart Frank Rost die Kaderqualität. Der HSV müsse Grundsätzliches klären, ‚wenn man ein Spitzenverein sein will‘. Was ein konkreter Hinweis darauf ist, diesen Sommer mehr Wert auf Klasse als auf Masse zu legen.“ Als Verstärkungen seien Marin und Madlung im Gespräch, ist andernorts zu lesen.
Frank Hellmann ergänzt sich selbst im Tagesspiegel mit Blick auf die konkreten Konsequenzen dieses Ergebnisses: „Mit einer Energieleistung, dazu kämpferisch und spielerisch ansprechend, gewann Werder Bremen das letzte und spannungsärmste dieser Duelle mit 2:0. Eine für Bremen bedeutungslose, für die Hamburger aber folgenschwere Partie. Denn nun stellt sich das Kuriosum dar, dass der im Niemandsland der Tabelle gefangene SV Werder seine schwächste Bundesliga-Saison seit zehn Jahren mit zwei Titeln krönen, der auf Platz sechs abgerutschte HSV nach eindrucksvollen zehn Monaten aber mit völlig leeren Händen dastehen könnte.“
Seligkeit wie im Opiumrausch
Philipp Selldorf sieht in der SZ plötzliches, unverhofftes und unverdientes Glück auf Borussia Mönchengladbach niederkommen. Von Gladbacher Fans ist die Rede, die dem Schalker Mannschaftsbus bei dessen Abfahrt applaudierten. Nicht aus Häme, sondern weil die Fans wussten, wem sie diese plötzliche Chance zu verdanken hatten. Die Chance, sich vom Abstiegsplatz zu entfernen und mit neuer Hoffnung nach Cottbus zu fahren. Der zukünftige Bayer Baumjohann wird dabei gleich zwei Mal abgewatscht: teilnahmslos im Spiel und bei seiner Auswechslung habe man ihn das erste Mal an diesem Tag laufen sehen. Für den entscheidenden Moment sei ein „älterer Fußballherr“ zuständig gewesen, der sich schon vor Jahren (WM 2006, WM 2002) den einen oder anderen großen Fußballmoment ans Revers heften durfte: Oliver Neuville, der immer noch die Gabe für einen schlauen Pass zur richtigen Zeit besäße.
Die FAZ wirft einen kurzen Blick auf den von Neuville so in Szene gespielten erstmaligen Torschützen: Robert Colautti. Zuvor der „Fußballritter von der traurigen Gestalt“, der zumeist dadurch auffiel, die Aufgaben eines Mittelstürmers nicht zu erledigen, sei er am Sonntag für den „Lucky Punch“ zuständig gewesen. Dauerhafte Bundesliga-Ambitionen will die FAZ daraus nicht ableiten, weder für Colautti noch für die Borussia, aber eine immens verbesserte Situation. Womöglich ein vergiftetes Lob, welches Hans Meyer Colautti ausspricht, aber das weiß man bei Hans Meyer ja nie so genau: Colautti sei ein „braver Profi“, der stets seine Aufgaben erledige.
In die Salatschüssel spucken
In der Stuttgarter Zeitung zieht Andreas Morbach für die unterlegenen Schalker Bilanz: „Schalke ist endgültig angekommen im Mittelmaß – mit der stabilsten Abwehr der Liga als einzig vorzeigbarer Saisonleistung. Ein Überbleibsel aus der Slomka-Ära, die Vorgaben zu Rundenbeginn jedoch waren völlig andere. Über die Europa League, in die sie nun mit Kusshand einsteigen würden, rümpften Schalkes anspruchsvolle Chefs vor einem Dreivierteljahr noch die Nasen. Und attraktiven Fußball wollten die Königsblauen auch anbieten. Aus diesem Grund hatten sie den kühl kalkulierenden Mirko Slomka ja vor die Tür gesetzt. Seinem Ruf, jeden Spieler besser zu machen, wurde dessen Nachfolger Fred Rutten jedoch nie gerecht. Und weil in den vergangenen zehn Monaten auf Schalke gar so viel Porzellan zerschlagen worden ist, warnen die Verantwortlichen auf Schalke sicherheitshalber schon, mit Magath womöglich erst eine Durststrecke durchwandern zu müssen. Insgeheim freilich lechzen die Schalker und der mit einem Vierjahresvertrag versorgte Magath nach dem ersten Meistertitel seit 1958. Für diese Spielzeit bleibt ihnen allein der vergleichsweise fade Anreiz, andere am Meisterwerden zu hindern. Morgen Abend gastiert der VfB Stuttgart in Gelsenkirchen, am Samstag dann könnte die Büskens-Elf den Berlinern in die begehrte Salatschüssel spucken.“
Borussenflüsterer Klopp
In der Financial Times Deutschland geizt Felix Meininghaus nicht mit Applaus für Jürgen Klopp, den aus seiner Sicht Verantwortlichen für Borussia Dortmunds rosige Tabellenlage: „Wichtig ist, dass sich der hoch veranlagte Sahin unter Klopp stetig weiterentwickelt. So wie viele andere in der Mannschaft, in der das Klinsmannsche Prinzip nachweislich funktioniert. Der Jürgen K. aus dem Revier schafft es tatsächlich, seine Spieler jeden Tag ein Stückchen besser zu machen. Hoch konzentriert geht sein BVB zu Werke, immer in der Lage, das Tempo zu verändern und das Spiel zu verlagern. Die Abwehr gehört mit jungen Spielern wie Subotic und Santana zu den stabilsten. Dortmunds Höhenflug trägt die Handschrift eines Trainers, dem mancher Experte nicht zugetraut hat, auch außerhalb der heilen Welt zu funktionieren. In Dortmund glauben sie, mit Borussenflüsterer Klopp eine Ära bestreiten zu können.“
Kommentare
3 Kommentare zu “Keine Schale, kein Finale, HSV”
Dienstag, 12. Mai 2009 um 12:07
Hat nix mit dem vorigen Spieltag zu tun, dennoch: Herzlichen Glückwunsch zur Grimme-Online-Award-Nominierung, Herr Fritsch!
http://www.focus.de/digital/internet/grimme-online-award-2009-die-nominierten-websites-im-ueberblick_did_23249.html
Dienstag, 12. Mai 2009 um 13:57
„Es müsste Normalform her, die so viele Protagonisten (zuvorderst Trochowski, Guerrero, Pitroipa, Jarolim) derzeit nicht besitzen.“
Pitroipa spielt doch wie eh und je. Immer schön blind mit dem Ball gerade aus laufen. Das klappt immerhin bei etwa jedem 13. Versuch.
Mittwoch, 13. Mai 2009 um 12:38
Der Freistoss des Tages erinnert mich stark an das Experiment des Bonner SC vor einigen Jahren, als quasi die komplette kubanische Nationalmmanschaft verpflichtet wurde(werden sollte).
Habe allerdings nie mehr davon gehört…