Bundesliga
Fußballmärchen vom Mittellandkanal
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| Donnerstag, 14. Mai 2009Wolfsburg cool, Hertha sachlich, Bayern fröhlich, und Karlsruhe leidet an den Folgen seiner Selbstüberschätzung
Christian Otto (Financial Times Deutschland) staunt beim 3:0 gegen Dortmund über die Coolness der Wolfsburger Spieler: „Das verblüffende an diesem Fußballmärchen vom Mittellandkanal bleibt die Selbstverständlichkeit, mit der eine unbedarfte Mannschaft von Sieg zu Sieg eilt. Keiner der VfL-Profis, bis auf Andrea Barzagli dank des 2006 errungenen Weltmeistertitels mit Italien, kann auf Erfahrung mit den ganz großen Momenten seiner Branche zurückgreifen. Wenn auf der Wolfsburger Anzeigetafel die Zwischenstände aus den anderen Stadien und vor allem die Tore des FC Bayern vermeldet werden, schlagen viele der Zuschauer die Hände über dem Kopf zusammen und werden nervös. Unten auf dem Rasen aber scheinen die Helden in Grün gegen Nervosität, Erfolgsdruck und Mediengetöse auf wundersame Weise immun geworden zu sein. Zumindest im eigenen Stadion.“
Kühle, technische Wertarbeit
Der erneut knappe Berliner Erfolg in Köln stimuliert Philipp Selldorf (SZ) zu Industriemetaphern: „Sieg Nummer 14 dieser eigentümlichen Serienproduktion. Wie üblich haben sie weder bestrickend schön noch mit überwältigender Wucht gespielt. Sie sind sachlich nach Plan vorgegangen wie Ingenieure bei der Montage, auch Individualisten wie Raffael, Pantelic oder Cicero fügten sich in dieses Bild der kühlen, technischen Wertarbeit.“
Fröhlich und gut gelaunt
Jupp Heynckes kann auch beim 3:0 gegen Leverkusen auf die ertragreiche Mitarbeit Lukas Podolskis setzen, der Bayern in wenigen Wochen verlassen wird. „Wenn ich länger hier gewesen wäre“, sagt Heynckes mit Blick auf den Transfer, „wäre das sicher anders gelaufen.“ Sebastian Krass (FR) schreibt dazu: „Nach Eindrücken aus den vergangenen zwei Wochen glaubt man es ihm. Einen Angreifer von Weltformat hätte auch er nicht hervorgebracht – dafür fehlen Podolski mal mindestens taktisches Geschick und Laufbereitschaft –, aber vielleicht ein funktionierendes Rad im Getriebe. Nun aber bleibt allen Beteiligten nichts anderes übrig, als das Leistungshoch zur fröhlichen Abschiedssause zu erklären.“
Mirko Weber (Stuttgarter Zeitung) fügt an: „Heynckes hat nicht nur Ribéry und Podolski binnen zwei Wochen Beine gemacht, sondern insgesamt die Spielfreude merklich erhöht. Was sich auch im Stadion vermittelt. So gut gelaunt ist das eher träge Publikum seit Eröffnung der Arena selten gewesen.“
Traum vom großen Wurf
Den Sturz Karlsruhes (wohl in die Zweite Liga) führt Oliver Trust (FAZ) auf Hybris zurück, die ihre Wurzeln in der Vergangenheit habe: „Nach dem Aufstieg 2007 und einer glanzvollen Vorrunde, die den KSC zu einem der besten Aufsteiger der Bundesligageschichte emporsteigen ließ, setzte die Talfahrt ein. Im Umfeld und im Kader träumte mancher vom großen Wurf. Über die Nationalmannschaft wurde gesprochen, einige KSC-Profis sahen sich in der nationalen Rangliste weit nach oben geklettert. Schon in der Saison 2007/08 zeigten sich erste Probleme in einer Mannschaft, die sich selbst überschätzte.“