Bundesliga
Kulturelle Blockade gegen Wolfsburg
| Freitag, 15. Mai 2009Wäre eine Bayern-Meisterschaft moralisch gerechtfertigt? Wolfsburg wäre für viele jedenfalls kein emotional akzeptierter Gegenvorschlag / Louis van Gaal und Bayern – eine explosive Mischung / Cacau für Deutschland, Ivica Olic, der Taschendieb
Die Bundesliga erwartet den „tollsten Titelkampf seit Ben Hurs Wagenrennen“, reibt sich die SZ voller Vorfreude die Hände. Zwei Spieltage vor Saisonschluss hegen noch vier Vereine Hoffnung auf die Meisterschaft: Wolfsburg, Bayern, Hertha und Stuttgart. Die Presse erörtert Chancen und Folgen. Ein erneuter Titelgewinn für den FC Bayern, der in dieser Saison einiges falsch gemacht hat, würde die Frage nach dem „moralischen Hintergrund“ aufwerfen, wirft die SZ ironisch ein.
Peter Unfried, stellvertretender Chefredakteur der taz, greift diese Vorlage auf Spiegel Online auf: „Eine erneute Meisterschaft der Bayern hätte einen sehr geringen Unterhaltungsfaktor und eine extrem betrübliche Moral von der Geschichte. Die lautet im Fall des Falles, dass Serienmeister Bayern selbst in einem Krisenjahr mit abgebrochenem internationalen Entwicklungsversuch und nationalem Rückschritt immer noch zu gut für den Rest ist. Gähn.“
Zudem beklagt Unfried, dass der VfL Wolfsburg, „die naheliegende Lösung als Bayern-Antipode“, zu Unrecht Antipathien auf sich ziehe: „Von fast ganz hinten in zwei Jahren nach fast ganz oben. Kleine, oft geschmähte Stadt trotzt allen Widrigkeiten. Überragende Rückrunde, überragender Offensiv-Fußball. Und ist nicht alles irgendwie besser als Bayern? Doch hier erleben wir selbst bei ausgewiesenen Fußballfachleuten und/oder Bayern-Hassern eine teils emotionale, teils kulturelle Blockade.“
Allen Skeptikern rät Unfried, die Distanz zu Wolfsburg aufzugeben und wirbt für die Attraktivität des VfL: „Wer sich hinter das Gästetor ganz nah an den Spielfeldrand setzt, kann die Wucht körperlich spüren, mit der das Stürmerduo Edin Dzeko und Grafite agieren. Es bläst gestandene Defensiven genauso weg wie Zweifel am moralischen Hintergrund eines möglichen Wolfsburger Titels.“
Dieser Club ist nicht kaputtzukriegen
Markus Völker (taz) tippt auf Bayern und gibt Jürgen Klinsmann noch eine mit: „Allein, dass der Luftikus aus dem Ländle sein Blendwerk beenden musste, hat den mehrmaligen Meister belebt. Sie haben sich nach der unglücklichen Ära Klinsmann kurz schütteln müssen, doch nun streben Ribéry, Podolski und Co. mit Vehemenz zum Titel. Am Ende werden die Bayern wohl trunken und singend auf dem Rathausbalkon stehen, und Uli Hoeneß wird doppelt stolz sein auf die Meisterschaft, denn sie haben die Schale trotz Klinsmann gewonnen. Dieser Club ist einfach nicht kaputtzukriegen.“
Er hat immer Recht
Elisabeth Schlammerl (FAZ) betont und begründet das „Risiko“, das Bayern mit Louis van Gaal eingehe: „Er ist ein unbequemer Zeitgenosse und hat für Diven, wie Franck Ribéry eine geworden ist, nicht viel übrig. Für den Teamspirit mag dies gut sein, aber in einer Stadt wie München, wo sich die Stars besonders gerne der Medien bedienen, steigt dadurch auch die Explosionsgefahr.“
Schlammerl macht auch deutlich, wovon ein Gelingen dieser Verbindung abhänge: „Van Gaal wird sich nicht anpassen. Die Bayern müssen sich nach van Gaal richten. Er lässt sich nicht viel sagen und hat immer Recht. In München hat allerdings höchstens recht, wer neben der fast schon obligatorischen Meisterschaft und dem DFB-Pokal endlich wieder einmal international eine Trophäe gewinnt.“
Taschendieb
Philipp Selldorf (SZ) empfiehlt Cacau, der Mario Gomez in Schalke ersetzt hat, als Kandidat für Joachim Löw: „Seine Präsenz und Dynamik waren beispielgebend, und sein Weitschuss zum 1:0 war eine Gewalttat ohne Warnung. Es gibt genügend Gründe, den eingebürgerten Brasilianer Cacau für die Asienreise zu berufen. Sein Ehrgeiz steht stellvertretend für die Mentalität seines Teams, dessen unerschütterliche Konstanz der Konkurrenz zu denken geben sollte. “
Jörg Marwedel (SZ) beschreibt „das typischste aller Olic-Tore“, das 3:0 gegen Bochum: „Er stahl Marcel Maltritz den Ball wie ein Taschendieb, der den Besitzer anrempelt und mit der Beute schon weg ist, bevor dieser es merkt.“
Kommentare
16 Kommentare zu “Kulturelle Blockade gegen Wolfsburg”
Freitag, 15. Mai 2009 um 11:23
Ja, Bayern wäre wirklich langweilig, Wolfsburg dagegen sensationell. Nur schade das unsere Euphorie und damit verbundene Leichtigkeit, durch den Wechsel von Magath nach Schalke einen Knick bekam – sonst wären wir wahrscheinlich schon durch. Wir haben ein starkes Team, eine tolle Arena und eine attraktive, wenn auch kleine Stadt und gemessen an der Einwohnerzahl, sehr viele großartige Wölfe-Fans. Alle hoffen nach dieser erfolgreichen Saison die S*C*H*A*L*E hochhalten zu dürfen.
Freitag, 15. Mai 2009 um 11:39
Ich erinnere mich noch an einen regnerischen Tag im Jahre 2006, als meine Mannschaft trotz früher Führung mit einem Unentschieden gegen die Wölfe den bitteren Gang in die zweite Liga antreten musste. Die einzigen, die damals feiernd in der trostlosen, langweiligen Innenstadt gesichtet wurden, waren wir, trotz verpasstem Klassenerhalt.
Die handvoll Grünen, die sich mit uns um des Alkohol Willen verbündeten, gehen wohl kaum als „sehr viele großartige Wölfe-Fans“ durch. Solange der Erfolg da ist, wird auch die wirklich tolle, doch, wie überall sonst auch, seelenlose Arena besetzt sein. Läuft es nächste Saison nicht mehr so gut, wird es auch in der VW-Arena ganz schnell wieder ganz still werden.
Freitag, 15. Mai 2009 um 12:14
An Peterchen:
Wir sind halt stark von Volkswagen und unseren Schicht-Arbeitszeiten abhänging. Beim Spiel gegen Dortmund mußte ich auch noch anschließend zur Nachtschicht. Den Sieg mußte ich also auch ohne Alkohol feiern – am Band bei VW und leider nicht auf einer weiß-günen Festmeile. Wenn der VFL Meister wird, dann sicherlich verdient.
Freitag, 15. Mai 2009 um 12:16
1. Hertha
2. Wolfsburg
3. Stuttgart
4. München
Wenn ich’s mir denn wünschen dürfte…
Freitag, 15. Mai 2009 um 13:14
Man sollte sich nicht immer beschweren,dass es langweilig ist,wenn Bayern ‚Meister wird.
Viel mehr sollten die andern Klubs mal aufwachen und Leistung zeigen, dann klappts auch mit der Meisterschaft.
Kann Bayern ja ni chts für wenn niemand Meister werden will.
Im deutschen Fussball wird zuviel gejammert!
Freitag, 15. Mai 2009 um 17:16
Was soll denn diese Gefühlsduselei, von wegen ein moralisch akzeptabler Meister? So ein Schwachsinn. Es gibt keine unmoralischen Meister. Wenn die Bayern dieses Jahr Meister werden sollten, dann ist das verdient, wie jeder Meister nach 34 Spieltagen verdienter Meister ist. Und verdiente Meister sind keine unmoralischen Meister. Dann kann sich die Konkurrenz ja mal an die eigene Nase fassen, warum es selbst in so einem Jahr nicht klappt, die Bayern vom thron zu stoßen. Das wäre keine bayrische Unmoral, sondern eher Unfähigkeit der anderen. Fußballerisch war kaum jemand über die ganze Spielzeit überzeugend. Hoffenheim, Wolfsburg und Stuttgart haben die halbe Saison jeweils einen ziemlichen Stiefel zusammengekickt.
Freitag, 15. Mai 2009 um 20:02
„Die lautet im Fall des Falles, dass Serienmeister Bayern selbst in einem Krisenjahr mit abgebrochenem internationalen Entwicklungsversuch und nationalem Rückschritt immer noch zu gut für den Rest ist. Gähn.“
Das ist halt nunmal so und wird sich auch nicht dann ändern, wenn die letzen 2 Saisonspiele nicht gut für die Bayern laufen…
Wie oft hätte sich denn der Spitzenreiter schon absetzen können/müssen? Der knappe Endspurt ist nur den anderen Vereinen anzurechnen, nicht den Bayern!
Waren die überhaupt schonmal auf Platz 1 dieses Jahr?
Freitag, 15. Mai 2009 um 20:05
„Wer nach 34 Spieltagen oben ist, ist verdienter Meister“, „Es gleicht sich immer alles aus“, „Der Beste setzt sich durch“, „Die Liga ist kein Wunschkonzert“, „Wer gewinnt, hat immer Recht“, „Es kann nur einer Meister sein“,…
Wer weis noch mehr unumstößliche Wahrheiten?
Sonntag, 17. Mai 2009 um 13:36
@Beobachtender
So einfach ist das nicht.
Bayern verfolgt seit Jahrzehnten eine Strategie:
Den/die Hauptkonkurrenten gezielt durch Spielerkäufe schwächen. Beispiele gibt es dafür zahlreiche. Wenn das nicht hilft, wie bei Bremen in den 90er, wird halt der Trainer gekauft.
Und da liegt es halt eben am Geld und das war scheinbar in München schon immer mehr vorhanden, als anderswo.
Ich finde, folgenden Verleich passend: Wenn in einem Spiel ein Spieler der gegnerischen Manschaft solange getreten wird, bis er nicht mehr spielen kann, spricht man von Foul. Wenn die andere Manschaft ihn weggkauft und er statt zu spielen, die meiste Zeit auf der Bank sitzt (z.B Ismael und einer beliebig erweiterbaren Liste), dann könnte man auch hier von einem (finanziellen) Foul reden.
Würd mich mal interessieren, was andere dazu sagen! Bitte um eure Kommentare
Sonntag, 17. Mai 2009 um 21:09
@Kuchen: Jaja, die bösen Bayern. Zuletzt hat man sogar „Hauptkonkurrenten“ wie Gladbach (Jansen)und Aachen(Schlaudraff)entscheidend geschwächt. Echt gemein sowas! Diesmal ist der Tabellensechste (Olic) dran! Den damaligen Titelaspiranten Köln hat man 2006 durch den Kauf von Podolski zum Abstieg in die zweite Liga verurteilt. Sorry, bin beileibe kein Bayern-Anhänger, aber diesen Unsinn kann ich nicht mehr hören. Valerien Ismael war übrigens bis zu seiner schweren Verletzung Stammspieler in München.
Sonntag, 17. Mai 2009 um 23:04
danke diddle, ich wollt ungefähr das gleiche schreiben, aber das war mir dann doch die mühe nicht wert 🙂
Sonntag, 17. Mai 2009 um 23:25
Olic müssen wir abziehen, Diddle. Der HSV ist schon ein Konkurrent, zumindest war er das zur Zeit der Verpflichtung.
Montag, 18. Mai 2009 um 09:32
Mir fielen zu dieser Strategie noch andere Beispiele ein. So hat ein gewisser M. Klose vor nicht allzu langer Zeit in Bremen gespielt. Und wann wurde mit ihm über einen Wechsel verhandelt? Richtig, in der Endphase der Saison. Und wann wurde ein gewisser F. Magath als Trainer abgeworben?
Montag, 18. Mai 2009 um 10:32
Ich denke, bei Transfers aus der Bundesliga die Konkurrenz zu schwächen, ist einfach ein netter Nebeneffekt. Der Hauptpunkt der Bayern-Logik ist doch der: Gerade bei Ausländer, die in bei der Bundesliga-Konkurrenz spielen, haben sie schon gesehen, wie sie in der Liga, in diesem Land schlagen; das sind zumindest mehr Anhaltspunkte, dass sie in München schaffen könnten, als bei jemanden, den sie direkt aus Südamerika holen müssten. Außerdem kennen sie jeden Bundesliga-Spieler natürlich genauer als einen, den sie aus dem Ausland holen.
Das ist nur eine logische Transferpolitik; so ziemlich das einzige logische, was die Bayern so tun.
Dienstag, 19. Mai 2009 um 11:14
Genau wegen dieser „logischen“ Transferpolitik kam dabei in den letzten Jahren auch nicht mehr als maximal Champions League Viertelfinale heraus. Ribery und Toni sind nun mal die Ausnahme von der Regel. Erfolgreiche Eigengewächse ebenfalls. Der FC Bayern München macht einfach zu wenige Spieler in seinen Diensten fussballerisch besser.
Fazit: derzeit würde selbst ein einigermaßen eingespieltes Bundesliga-All-Star-Team ein Halbfinale gegen Barcelona oder Manchester United mit ziemlicher Sicherheit verlieren. Und deswegen hat es für das Ziel Champions League keinen Sinn, die besten Spieler von Bundesligakonkurrenten zu verpflichten, in der Hoffnung in der europäischen Spitze wettbewerbsfähig zu werden.
Donnerstag, 21. Mai 2009 um 23:13
Nicht dass Cacau ein überragender Stürmer wäre, aber von den verfügbaren ist er bestimmt der dritt- wenn nicht sogar der zweitbeste. Ich sage nur: endlich.
Endlich findet ein Bundestrainer den Mut einen wirklich Eingebürgerten zu nominieren! Klingt komisch? Ja, dann guckt euch doch mal an, wie in bester Volk&Abstammung-Manier bei Dundee, Rink, Neuville und Co die deutsche Großmutter o.Ä. aus dem Hut gezaubert wurden. Hingegen wurde der nach eigener Aussage sich deutsch fühlende Ismael damals von Klinsmann gewogen und für nicht deutsch befunden. Die Begründung des CDU-Wählers Klinsmann hatte mit den fehlenden deutschen Wurzeln zu tun.
Danke, Herr Löw!