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Bremen ist nicht mehr als Bundesligamittelmaß

Oliver Fritsch | Freitag, 22. Mai 2009 7 Kommentare

Werders 1:2 gegen Schachtjor Donezk im Finale von Istanbul ernüchtert die Presse, die die Vereinsführung wegen der Kaderauswahl kritisiert

Die Finalniederlage habe gezeigt: Ohne den Spielmacher Diego, das betonen alle Zeitungen heute, sei Bremen nur die Hälfte wert. Andreas Lesch (Berliner Zeitung) geht ins Grundsätzliche: „Die Niederlage hat verdeutlicht, dass die Bremer ihre Mannschaft massiv umbauen müssen. Es ist erstaunlich, wie wenig fußballerische Substanz der Klub zu bieten hat, nun, nachdem er seine fünfte und vorerst letzte Saison in der Champions League absolviert hat. Hat man nicht immer gesagt, dass eine Mannschaft, die mehrere Jahre hintereinander dort antritt, schon wegen der garantierten Einnahmen lange kaum von der nationalen Spitze zu verdrängen ist? Die Bremer widerlegen diese These auf eindrucksvolle Art: Sie beschäftigen Spieler wie Dusko Tosic und Alexandros Tziolis, Jurica Vranjes, Sebastian Prödl und Markus Rosenberg – Spieler, die allenfalls für Frankfurt oder Bielefeld eine Verstärkung wären und die belegen, dass die einst gelobte Bremer Personalpolitik zuletzt sehr gewöhnlich geworden ist.“

Thomas Klemm (FAZ) stimmt ein: „Für einen internationalen Titel fehlte der Mannschaf die Platzreife. Die meisten Bremer waren damit ausgelastet, den Spieltrieb der fünf quirligen Donezk-Brasilianer zu stören; dem Rest fehlten die Nerven, um in einem europäischen Finale Akzente zu setzen.“

Wo hat sich Mesut Özil versteckt?

Markus Völker (taz) verfasst einen Zerriss des Endspiels und schließt den Sieger nicht aus: „Nichts war zu sehen von der jahrelang gepflegten hanseatischen Spielkultur, dem intelligenten Kurzpassspiel und den blitzgescheiten Ideen der Offensivspieler. Schwerfällig ging’s zu, fast schon grobschlächtig. Werder Bremen spielte nicht besser als eine mittelmäßige Bundesligamannschaft, die sie rein faktisch ja auch ist. Der Uefa-Pokal ist mit dieser Partie perdu. In Schönheit ist dieser ruhmreiche Wettbewerb nicht gestorben, dafür war das finale Finale zu nichtssagend und lau. Es war weit davon entfernt, eine Leistungsschau des kontinentalen Fußballsports zu sein. Von Mannschaften, die den AC Mailand, Udine, Tottenham oder Olympique Marseille aus dem Weg geräumt haben, hätte man ein bisschen mehr erwarten dürfen als biederes Ballgeschiebe.“

Sven Goldmann (Tagesspiegel) stellt zwei Bremern Fragen: „Was war mit Torsten Frings, vor drei Jahren bei der WM noch einer der besten defensiven Mittelfeldspieler der Welt? In Istanbul war er, wieder einmal, ein Führungsspieler, der nicht führte. Und wo hatte sich Mesut Özil 120 Minuten lang versteckt?“

Wahrheit gedehnt

Jörg Winterfeldt (Welt) entzieht Werder seine Liebe: „Zu oft hat Werder Bremen zuletzt ein gespaltenes Verhältnis zu Fairness und Aufrichtigkeit vorgeführt. Vielleicht wäre es im Profifußball sogar nachvollziehbar gewesen, wenn ein Klub wie Werder den Wettbewerb in der Bundesliga verzerrt, weil er da keinen Blumentopf mehr gewinnen kann und egoistisch Stars schont, um in Pokalspielen auftrumpfen zu können. Blöd wird es, wenn die Wahrheit so gedehnt wird, dass die angeblich verletzten Helden wie Diego in der Bremer Provinz bei Gaudi-Spielen antreten. Die Niederlagen beim 1. FC Köln und gegen den Karlsruher SC hat der Klub billigend in Kauf genommen. Auch gegen Wolfsburg morgen zählt nur: Es darf sich keiner für das wichtige DFB-Pokalendspiel verletzen.“

freistoss des tages

Kommentare

7 Kommentare zu “Bremen ist nicht mehr als Bundesligamittelmaß”

  1. tafelrunde
    Freitag, 22. Mai 2009 um 10:52

    Der freistoss des tages ist diesmal besonders lesenswert, v.a. wenn man Harald Schmid mag.

  2. Otto_Verstand
    Freitag, 22. Mai 2009 um 11:51

    Lächerlich!
    Was wäre geschrieben worden, wenn die Bayern mit ihrer augenblicklichen Mannschaft im CL-Finale gelandet wären (so ihr Anspruch), und dort hätten ihnen Ribery, Toni (oder Klose), Ze Roberto und Demichelis gefehlt? Und sie hätten nach Verlängerung mit 1:2 verloren.
    Werders Situation war analog! (Diego, Almeida, Jensen, Mertesacker)
    Nein, die Leistung im Endspiel war natürlich nicht berauschend. Aber man muß auch mal die Kirche im Dorf lassen.

  3. Nixwisser
    Freitag, 22. Mai 2009 um 13:27

    Nun denn, Bremen war ja nicht nur spielerisch, sondern auch läuferisch und im Zweikampfverhalten unterlegen. Daß Diego nicht zu ersetzen ist, liegt auf der Hand, aber rennen, kämpfen und ab und zu den Kopf einschalten – das sollte man von einem UEFA Cup-Finalisten schon in Maßen erwarten können. Für so eine Leistung wäre jeder Bundesligist kritisiert worden. Der Verweis auf Bayern oder sonstwen: Was soll das bringen?

  4. Oliver Fritsch
    Freitag, 22. Mai 2009 um 13:40

    Symptomatisch eine Szene kurz vor Ende der Verlängerung. Boenisch hat auf der linken Seite endlich mal Raum und den Ball am Fuß. Was macht er? Er schießt aus dreißig Metern aufs Tor (und seinen Gegenspieler an), statt zur Grundlinie oder in den Strafraum zu ziehen.

  5. Otto_Verstand
    Freitag, 22. Mai 2009 um 15:30

    Jetzt muß ich doch noch mal 😉
    Es steht doch außer Frage, daß Werder mit der Mannschaft vom Finale niemals in eben jenes gelangt wäre.
    Es spricht für den Realitätssinn von Schaaf, daß er den Umständen zu entsprechen versuchte. Man stand seeehr defensiv und hoffte vorn auf den lucky punch. Hat ja auch fast geklappt.
    Natürlich sah das nicht schön aus.
    Aber mich wundert schon, daß Sportjournalisten in ihren Artikeln dies alles völlig ausblenden und sich über das Fehlen „der jahrelang gepflegten hanseatischen Spielkultur“ beklagen.

  6. Bastian Leferink
    Freitag, 22. Mai 2009 um 15:36

    Mir ist das mit dem „Diego nicht zu ersetzen“ zu einfach. Es sollte vielleicht „Diego nicht zu ersetzen wenn Jensen kaputt und Özil an der Erwartungshaltung gescheitert, sowie Hunt gerade erst wieder fit“ heißen. Ist halt beileibe nicht so sexy, gelle? (Und grammatikalisch natürlich högschd unkorrekt)

    Der Verweis auf den Welt „Artikel“ ist meiner Meinung nach schade, dass haben Sie nicht nötig, Herr Fritsch. Dieser hat mit Journalismus nichts zu tun. Auch wenn es sich um ein Kommentar handelt, erwarte ich zumindestens einen kleinen Anteil an Objektivität und weniger gefrusteter Fan-Polemik.

    Das Werder dieses Finale verdient verloren hat, an seiner eigenen Erwartungshaltung gescheitert ist und in der Tat diese Saison kein gutes Bild abgibt steht allerdings außer Frage.

    Ich möchte mal ganz ketzerisch folgende Gegenthese aufstellen: Was wenn der Umbruch nicht erst diesen Sommer eingeleitet wird sondern schon vergangenen? Sehr junge Spieler wie Özil, Bönisch, Prödl waren am Mittwoch abend hoffnungslos überfordert, während die Alten damit beschäftigt waren Löcher zu stopfen (Baumann, Naldo) oder Däumchen zu drehen (Rosenberg). Ich hoffe die Jugend hat daraus gelernt und wird nächste Saison dann konstant(er) ans Werke gehen. Wenn dem so sein sollte ist mir um Werder keine Bange.

  7. Tackler
    Dienstag, 26. Mai 2009 um 12:56

    Natuerlich war die Leistung von Werder im Finale nicht mehr als mässig.
    Bei der Analyse sollte man aber beruecksichtigen, dass mit Mertesacker und Diego zwei Spieler fehlten, die ein Verein wie Werder Bremen niemals adäquat ersetzen können wird. Ebenso wie der FCB einen Ribery nicht eins zu eins ersetzen kann. Das sind nun mal Ausnahmespieler und daher war ihr Ausfall besonders ärgerlich.
    Ausserdem muss man meiner Meinung nach noch beachten, dass Spieler wie Özil, Boenisch und Proedl allesamt noch keine 23 sind. Wann musste denn ein FCB oder ein S04 mal mit einer so jungen Mannschaft im internationalen Wettbewerb antreten…
    Wenn ich dann lesen muss, dass einem jungen Spieler wie Proedel die Klasse abgesprochen wird macht mich das schon wuetend. Werder muss nun mal auf junge Spieler setzen und dabei besteht dann automatisch das Problem, dass diese in ihren Leistungen schwanken. Gerade von Proedl erwarte ich mir noch einiges. Er hat schon gute Spiele feuer Werder gemacht und ich bin sicher, dass da noch einige hinzukommen.
    Natuerlich gibt es auch Probleme die Haus gemacht sind. Ein Rosenberg spielt seit Monaten desolat und ist in nahezu jedem seiner Einätze als Totalausfall im wahrsten Sinne des Wortes zu bezeichnen. Das er dann in einem europ. Finale die Kohlen aus dem Feuer holen sein zeigt, dass der Sturm in der aktuellen Besetzung nicht Wettbewerbsfähig ist.
    Ob ein Boenisch fuer den linken Verteidiger eine Dauerlösung ist, lässt sich mMn noch nicht beurteilen, zu schwankend sind seine Leistungen. Von daher tut die ein oder andere Verstärkung sicher not, von einem qualitativ schlechten Kader zu sprechen scheint mir jedoch weit uebertrieben. Hätte Werder das Spiel gluecklich gewonnen, wuerden sich die Journalisten diese Frage gar nicht stellen.

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