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Leverkusen und Labbadia – das letzte gescheiterte Projekt dieser Saison

Oliver Fritsch | Dienstag, 2. Juni 2009 Kommentare deaktiviert für Leverkusen und Labbadia – das letzte gescheiterte Projekt dieser Saison

Mit Bruno Labbadias Abschied aus Leverkusen wird (fast) überall gerechnet / Das Kontrastmittel der Liga wird Pokalsieger: Werder Bremen mit dem 10-Jahre-Schaaf / Mit Diego verliert die Liga Glanz, mit Frank Baumann ein Stück Bescheidenheit

Dass sich Bayer Leverkusen von Bruno Labbadia trennen wird, gilt in einigen Redaktion als wahrscheinlich. Es wäre, schreibt Michael Horeni (FAZ), „das letzte gescheiterte Projekt dieser Bundesligasaison“. Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) kritisiert das Timing Labbadias, der sich öffentlich von seinem Arbeitgeber distanzierte: „Labbadias Interviewveröffentlichung am wichtigsten Tag des Jahres bleibt ziemlich fragwürdig. Wie ein dunkler Schatten lag die Geschichte über dem Spiel, sie war der Leistung des Teams gewiss nicht zuträglich.“

Am Samstag, dem Tag des Endspiels, hatte Labbadia in der SZ seinen Klub überrascht und seine harte Linie verteidigt: „Vielleicht bin ich zu forsch rangegangen, als ich gesagt habe, was ich denke: dass wir aus dem Trott rauskommen müssen! Aber genau deswegen wurde ich geholt. Ich habe mich vor einem Jahr auch deshalb für Bayer entschieden, weil ich das Gefühl hatte, alle wollen genau diesen Weg mitgehen. Ich hatte in den Gesprächen darauf hingewiesen, dass wir raus müssen aus der Komfortzone. Aber letztlich bin ich damit angeeckt.“

Über Manager Michael Reschke sagte Labbadia offen: „Wir haben eigentlich von Anfang an keine gemeinsame Arbeitsebene gefunden. Es müssen sich einige Voraussetzungen ändern. Ein Weiter-so kann es für beide Seiten nicht geben.“

Kein Impfstoff gegen das Phlegma

Theweleit spricht Labbadia eine Profilierung zu: „Gut möglich, dass nicht der Trainer als großer Verlierer aus der Geschichte hervorgeht, sondern Reschke. Selbst wenn Labbadia entlassen wird, bleibt der Eindruck, er habe mit allen Mitteln versucht, Bayer 04 endlich von seinem Phlegma zu befreien, und sei dabei aber an den inneren Widerständen des Werksklubs gescheitert. Für den jungen Trainer, der auf eine große Karriere hofft, ist das vielleicht sogar wertvoller als der Pokalsieg.“

Katrin Weber-Klüver (Financial Times Deutschland) erkennt das Wesen Bayers im Endspiel wieder: „Leverkusen tat, was der Verein mit fast schon pathologischer Beharrlichkeit tut: Er scheiterte kurz vorm Ziel. Der Mangel an Leidenschaft der Spieler auf dem Platz wurde immer offenkundiger, je länger das Spiel dauerte. Gleiches galt für die Anteilnahme Labbadias. Wieso wechselt ein Trainer in einem Finale bei einem 0:1-Rückstand erst nach 85 Minuten? ‚Weil die Mannschaft bis dahin gut gespielt hat‘, sagte er. Fast könnte man denken, bei aller selbst postulierten Siegermentalität des fordernden Förderers sei Labbadia inzwischen vom Leverkusen-Virus der genügsamen Trägheit erfasst. Es ist das Phlegma einer Mannschaft, die wunderschönen Fußball spielen kann, über Jahre in wechselnden Besetzungen. Die aber nur selten Spieler wie Ulf Kirsten in ihren Reihen hat, die richtig wütend werden, wenn Spiele verloren gehen. Seit dem Pokalerfolg von 1993 hat Bayer zehnmal den Trainer gewechselt. Stepanovic folgte Ribbeck, dann kamen Hermann, Daum, Völler, Vogts, Toppmöller, Hörster, Augenthaler, Skibbe, nun Labbadia. Es sind Trainer mit sehr unterschiedlichen Ideen und Ansprachen an die Mannschaft. Keiner hat einen Impfstoff gegen das Phlegma gefunden. Auch Labbadia nicht. Sieben Monate nach seinem Bekenntnis zur neuen Heimat Werkself kann er sich jetzt vermutlich ein neues Zuhause suchen.“

Kontrastmittel

Mehr als die Hälfte der Bundesliga-Vereine hat nicht mehr denselben Trainer wie am Anfang der Saison, entweder durch Entlassung oder durch Kündigung. Horeni (FAZ) goutiert es daher, dass Werder Bremen Pokalsieger geworden ist: „Dass im Pokalfinale ausgerechnet der dienstälteste Ligatrainer, Schaaf, den letzten Titel der Saison gewonnen hat, könnte auf die in die Jahre gekommene Bremer Arbeitsbeziehung vielleicht auch noch mal wie eine Verjüngungskur wirken – als Kontrastmittel zur Bundesliga-Wechselmanie taugt diese ganz besondere Beziehung in jedem Fall.“

Glanz

Nach dem Finale weint David Hugendick (Zeit Online) Diego eine Träne nach: „Er brachte etwas in die Bundesliga, was man dort selten sieht, im Grunde fast gar nicht: Glanz. Einer Liga, in der beispielsweise Bastian Schweinsteiger als technisch versierter Spieler gilt, zeigte Diego, wie lässig es aussehen kann, drei, vier Gegner auszudribbeln. Wie profan eine Körpertäuschung, wie einfach – zumal in Deutschland, muss man sagen – eine Ballannahme. Und trotz seiner Klasse, blieb er bescheiden. Kein Großmaul, keine Rampensau. Jemand, der stets betonte, wie wohl ihm in Bremen, wie wohl ihm diese Mannschaft sei.“

Disclaimer: Zeit Online ist einer meiner Auftraggeber.

Unsichtbar und sich entschuldigend

Eine nette und bezeichnende Anekdote kramt Jan Christian Müller (FR) anlässlich des Karriereendes Frank Baumanns aus: „Ein paar Mal hat er in der Nationalmannschaft gespielt. Es hätte noch ein Länderspiel mehr sein können, doch bei der Weltmeisterschaft 2002, als Rudi Völler in der Schlussphase gegen Irland dicht machen wollte, war Baumann irgendwie nicht aufzutreiben gewesen. Die Ersatzspieler hatten sich im Spielertunnel aufwärmen müssen, wo Baumann der Legende zufolge unsichtbar blieb, als die Betreuer ihn suchten. Vielleicht ist das typisch für diesen Mann, der seine Arbeit immer irgendwie heimlich verrichtet hat. Deutschland kassierte seinerzeit in der Schlussphase noch den Ausgleich. Wahrscheinlich hätte Baumann das verhindert, ohne dass es jemand gemerkt hätte.“

Sven Goldmann (Tagesspiegel) ergänzt: „Als der Franke Baumann Mitte der Neunzigerjahre zum ersten Mal ein Angebot von Werder bekam, überlegte er lange, blieb dann doch beim 1. FC Nürnberg und schrieb eine Art Entschuldigungsbrief nach Bremen. Das ist nicht so ganz gewöhnlich im Profifußball, nicht mal im eher beschaulichen Bremen. Baumanns Brief soll noch immer auf Werders Geschäftsstelle zirkulieren.“

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