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Bundesliga

Die Lüge ist ein Kulturphänomen des Profifußballs

Oliver Fritsch | Mittwoch, 3. Juni 2009 6 Kommentare

Christoph Daum verlässt freiwillig den Bundesligisten 1. FC Köln, geht in die Türkei und löst, wie üblich, Gedanken über Moral aus / Michael Oenning, der Furtwängler der Trainerbank

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) nimmt Christoph Daum vor Vorwürfen in Schutz: „Auch wenn die Häufung derzeit auffällig ist, so lässt sich doch kein genereller Verfall der moralischen Sitten in der Trainergilde feststellen. Moralisch viel verwerflicher ist es, einen Trainer einen Spieltag vor Ende der Saison zu entlassen. Trainer sind keine Vorbilder, genauso wenig wie es Vereinsvorstände sind oder die Spieler. Wieso sollten sie es auch sein? Der moderne Fußball ist eine Unterhaltungsindustrie, es geht um viel Geld, alle Beteiligten sind interessengeleitet, und zwar ausschließlich von ihren eigenen Interessen. Alles andere ist billige Romantik. Natürlich wird es Daum künftig schwer haben, einen wechselwilligen Spieler seiner Mannschaft zur Vertragstreue anzuhalten. Aber als ob das jemals einfach gewesen wäre.“

Roland Zorn (FAZ) hingegen notiert ernüchtert: „Die Zeiten, da Trainer noch als Vorbilder an Loyalität galten, scheinen vorbei.“ Philipp Selldorf (SZ) ergänzt, Daums Herzensbekenntnis zu Köln im Ohr: „Das gesprochene Wort gilt nicht mehr, und wenn es der Sache dient, wird aufrichtig gelogen. Die Lüge ist ein Kulturphänomen des Profifußballs geworden.“

Kein Mittelmaß mehr sein

Mit den Gründen Daums, in die Türkei zurück zu wechseln, befasst sich Daniel Theweleit (FR): „Die messianische Zauberkraft Daums hat sich ohnehin nie entfaltet. Daum hat solides Fußball-Lehrer-Handwerk abgeliefert, die spielerische Qualität des Kölner Fußballs blieb bescheiden. Das große Daum-Spektakel aus Leverkusener Tagen ist nie angekommen in Köln. Daum war zuletzt kein Spitzentrainer mehr, sondern ein Durchschnittsübungsleiter aus dem grauen Mittelmaß der Tabelle. In der Türkei ist das noch anders, dort kann er weit kommen, er kann Meister werden und mit etwas Glück auch Spieler kaufen, die viele Millionen Euro kosten. Und sein großer Ruf strahlt noch über dem ganzen Land. Das ist die Welt des Christoph Daum.“

Furtwängler der Trainerbank

Und wer es noch nicht weiß, was Nürnbergs Trainer Michael Oenning alles macht und kann, der lese Stefan Osterhaus‘ Aufstiegsportrait in der Neuen Zürcher Zeitung: „Eine alltägliche Erscheinung ist er nicht. Von Hause aus ist Oenning Germanist; er spielt Klavier und meint, dass ihm auch der Beruf des Dirigenten gelegen hätte, weshalb er die Leitung einer Equipe gern mit der Position des Mannes am Orchesterpult vergleicht. Im Nebenberuf sorgt er quasi als fachliche Anstandsdame dafür, dass dem preisgekrönten TV-Reporter Marcel Reif kein Lapsus unterläuft. Als Intellektueller will der mutmaßliche Furtwängler der Trainerbank trotzdem nicht gelten. Und auch seinen Spielern wolle er nichts Branchenfremdes abverlangen, sagt er. Anders als der entlassene Jürgen Klinsmann, der den Fußballern gerne Fremdsprachenkurse offeriert hätte, meint Oenning, dass es auf dem Platz genug zu lernen gibt.“

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Kommentare

6 Kommentare zu “Die Lüge ist ein Kulturphänomen des Profifußballs”

  1. Christoph
    Mittwoch, 3. Juni 2009 um 16:16

    Zum Thema „Lügen im Fußball“ darf Kaka natürlich nicht fehlen:

    „Ich versichere den Millionen von Milan-Fans, dass ich meine Wahl getroffen habe. Ich will bei Milan bleiben.“

    Sehr schön übrigens: http://static.guim.co.uk/sys-images/Football/Pix/pictures/2009/1/17/1232229836384/Kaka-001.jpg

    Oder der englische Nationalspieler Gareth Barry von Aston Villa, der den Verein unbedingt verlassen wollte, um Champions League zu spielen – und jetzt trotz Interesses von Liverpool und Arsenal zu Man City wechselt, die sich nicht mal für die Europa League qualifiziert haben. Immerhin kommt dadurch der gute alte Brief wieder in Mode (http://www.timesonline.co.uk/tol/sport/football/premier_league/aston_villa/article6423223.ece).

  2. Phentas
    Mittwoch, 3. Juni 2009 um 17:41

    Warum sollten Trainer Vorbilder an Loyalität sein? Ihnen gegenüber ist man doch auch nicht loyal. In sportlichen Krisen sind sie immer die ersten, die das Feld räumen müssen um als Feigenblatt für erfolglose Mannschaften und oportunistische Vereinsobere zu dienen.

  3. Fisch
    Donnerstag, 4. Juni 2009 um 09:05

    Könnte nicht endlich mal Ede Becker als Feigenblatt dienen?

  4. Atze Guevara
    Freitag, 5. Juni 2009 um 15:42

    Es ist einfach nicht inspiriert in diesem Zusammenhang von Moral philosophieren zu wollen.

    Reichlich interessanter wäre es zu ergründen, welchen Stellenwert der Podolski-Transfer in Daums Entscheidung einnimmt.
    Objektiv betrachtet zeugt es von Größe, in diesem Moment nach Aufstieg und dem souveränen Klassenerhalt den Hut zu nehmen, eben auch mit einer Ausstiegsklausel und einem Interessanten Angebot.
    Die Gefahr, in einem reichlich fragilen Konstrukt aus Klüngel, Express und zurückgekehrtem Heilsbringer Podolski sehr schnell zum Schwächsten Glied zu werden, wird einen erheblichen Teil in Daums Überlegungen eingenommen haben. Darüber ist jedoch nichts zu lesen.

  5. methusalix
    Samstag, 6. Juni 2009 um 13:57

    @Fischiger Irrtum

    Nix mit Feigenblatt-Ede: Wäre die ksc-mitgliedschaft nicht ebenso verschnarcht wie ihr Präsidium und der den Stadionbau seit jahren verschleppenden OB wären Becker & Dohmen im Zuge einer Palastrevolte geschasst worden und Becker hätte die geführten Kuntzgespräche nach der Sassic-Entlassung zum Abschluß gebracht.

  6. Doerk
    Sonntag, 7. Juni 2009 um 11:06

    Einspruch gegen die Beurteilung des Werks Daums durch Daniel Theweleit:

    Es ist zweifellos richtig, dass der FC keinen Zauberfussball gespielt hat.

    Aus meiner Sicht ist es eine hervorragende Leistung, mit einer derartigen Mannschaft, die gemessen an ihrem spielerischen Vermögen auf einen Abstiegsplatz gehört, die Liga zu erhalten. Diese Mannschaft has mit Ausnahme von Geromel, Petit und Novakovic kaum erstklassige Spieler.

    Daum ist sich bewusst, dass mehr als in dieser Saison mit dem FC nicht drin ist. Allerdings werden im Umfeld des FC mit der Rückkehr von Podolski die Erwartungen ins unermessliche steigen. Köln stand in der Abschlusstabelle auf Platz 12. Um die Mannschaften auf Platz 10 und besser (Werder Bremen) einzuholen, wäre ein spielerischer Quantensprung und ein nicht zu leistender finanzieller Kraftakt erforderlich. Daum ist realistisch genug, um zu sehen, dass dies nicht möglich sein wir.
    Wenn der Verein so bescheuert ist und ihm eine derartige Kündigungsklausel lässt, braucht er sich nicht zu wundern, dass Daum diese nützt. Aus meiner Sicht ist dies alles nachvollziehbar.

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