indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Der Wert der Asienreise liegt bei etwa Null – sportlich und wirtschaftlich

Oliver Fritsch | Donnerstag, 4. Juni 2009 2 Kommentare

Die Presse kreidet der Delegation des deutschen Fußballs in Dubai und Shanghai Versäumnisse im Marketing an / Ende eines Länderspieljahrs, in dem Joachim Löw und die Mannschaft an Kredit verspielt haben / Alleine Manuel Neuer schreibt gute Schlagzeilen

Christian Löer (FR) schätzt die Werbewirkung der Asienreise als gering und hält den Verantwortlichen Fehler vor: „Auf sportpolitischer Ebene bleibt eine ernüchternde Bilanz. In einer gemeinsamen Anstrengung wollten Liga und DFB sich auch für die Unterstützung bei der Vergabe der WM 2006 erkenntlich zu zeigen. Diese Pflicht hat der DFB nun erfüllt – obgleich man gegenüber den Gastgebern hätte versuchen können, den Besuch etwas weniger als eine Pflicht darzustellen. Die Menschen in China und den Emiraten hat der deutsche Fußball mit dieser Reise kaum erreicht. Sowohl in Schanghai als auch in Dubai waren die wenigen Zuschauer hauptsächlich Auslandsdeutsche oder mitgereiste Fans. Das Schautraining in Schanghai geriet wegen Organisationsfehlern zum Flop, in Dubai sagte man die öffentliche Einheit gleich ganz ab. Eigentlich hätte der DFB-Elf eine ganze Werbekarawane nach Asien folgen müssen. Doch daran hat offenbar niemand gedacht, was auch ein Versagen der DFB-Sponsoren bedeutet.“

In der Berliner Zeitung liest man: „Vor dem Stadion verkauften Pakistaner gefälschte Deutschland-Trikots chinesischer Produktion an deutsche Touristen. Welcher Markt da welchen eroberte, blieb also unklar.“ Die SZ stimmt ein: „Der Werbe-Effekt dürfte bei nullkommanull liegen.“

Der sportliche Wert stand ohnehin in Frage, Andreas Lesch (Berliner Zeitung) bedauert: „Dass das DFB-Team den asiatischen Markt erobert hat, ist angesichts des mäßigen Zuschauerinteresses zu bezweifeln. Aber auch sportlich hat sich der Trip, wie zu erwarten, als Zeitverschwendung erwiesen. Belastbare Erkenntnisse hat er Joachim Löw nicht gebracht – dazu waren die Gegner zu schwach und die eigenen Reihen mit zu vielen Ersatzkräften besetzt. Dabei hätte Löw einen ernsthaften Test gut gebrauchen können. Er hat eine Mannschaft beisammen, deren Konkurrenzfähigkeit auf Höchstniveau fraglich ist.“

Jahr der spielerischen und disziplinarischen Lässigkeiten

Michael Horeni (FAZ) resümiert ein schwaches und problematisches 2008/09: „Die Länderspielsaison hatte neben betriebsbedingten Reibereien sportlich Stillstand zu bieten. Den Pflichtteil WM-Qualifikation brachten sie zwar ordentlich hinter sich, aber als mannschaftliche Einheit machten die Deutschen überhaupt keinen Fortschritt. Das Team hat an Kredit verloren.“ Auch den Trainer fokussiert Horeni. „In einem Jahr der spielerischen und disziplinarischen Lässigkeiten“ habe Löw „an Autorität und Souveränität eingebüßt“.

Die Aktien für Manuel Neuer immerhin dürften gestiegen sein, zumal er nun doch Bayerns Werben nicht abgeneigt zu sein scheint. Eine Chance für ihn, auch im Nationaltor, findet Horeni: „Ein Stellungswechsel im WM-Jahr würde ihm in der ungeklärten Hierarchie der Nationalmannschaft auf die Sprünge helfen – Einsätze in der Champions League, garniert mit Münchner Lobbyarbeit, könnten aus Neuer mehr als nur einen Konkurrenten von Enke, Adler und Wiese machen.“ Ein verklausulierter Wunsch Horenis an Löw? Gar eine Kritik? Lobbyismus darf in solchen Fragen keine Rolle spielen, unter Klinsmann war alle Lobbyarbeit zwecklos.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Der Wert der Asienreise liegt bei etwa Null – sportlich und wirtschaftlich”

  1. nummer eins
    Donnerstag, 4. Juni 2009 um 13:21

    mich öden die journalisten nur noch an, die mit aller macht versuchen, adler oder nun neuer hochzuschreiben, um die verfrühten, journalistischen lobeshymnen für adler/neuer bei deren debüt vor zwei jahren nachträglich zu rechtfertigen. Die beiden sind immer noch, was sie damals waren: tolle Talente. Und keiner weiß, wann und ob überhaupt sie mehr werden
    Einen – einen – gestandenen Klassetorwart hat die Bundesliga auch: Robert Enke. Aber um das zu erkennen, müsste man ja Fachkenntnisse haben.

  2. Steffen Seitz
    Donnerstag, 4. Juni 2009 um 16:02

    Mich würde aus der Ferne einmal interessieren, welcher der Vertreter der schreibenden Zunft denn die DFB-Elf auf ihrer Asien-Reise begleitet hat. Das wäre m.M. die Voraussetzung um den (wirtschaftlichen) Erfolg der Reise beurteilen zu können.

    Gerade im Rahmen des Shanghai-Spiels habe ich über den Fernseher den Eindruck gewonnen, dass durchaus positive Resonanz seitens der nativen Bevölkerung zu erkennen war. Und schlussendlich sind die Erfolgskriterien des DFB gar nicht bekannt, oder doch?

    Und an meinen Vorkommentator: Ich kann immer nicht ganz verstehen, wieso ausgerechnet bei Bundesliga-Spielern eine höchstseriöse Kosten-/Nutzenanalyse seitens der Öffentlichkeit vollzogen wird.
    So wie ich das sehe, hat Neuer im Rahmen des Länderspiels gegen die VAE hervorragende Leistungen gezeigt, ebenso in der Rückrunde, von der U21 ganz zu schweigen. Zusätzlich muss man ihm anrechnen, dass er sich in seinen jungen jahren bereits aus einem Tief wieder herausgearbeitet hat.

    Und Vereine zahlen nun mal im voraus, und das beinhaltet somit eine gewisse Unsicherheit oder Wahrscheinlichkeit. Mich regt v.a. auf, dass kaum kommt ein Spieler aus Brasilien, Argentinien oder irgendeinem anderen Südamerikanischen Land sofort eine Art Schönspiel-Erfolgreichspiel-Garantie-Aufschlag ganz selbstverständlich gezahlt wird.

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