Ascheplatz
Daumenschrauben im Tal
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| Mittwoch, 5. August 2009Die finanzielle Lage der Bundesliga ist weniger rosig als zuletzt oft gehört; die Spannung einer Liga hängt stark an der Verteilung der Gelder
Roland Zorn berichtet in der FAZ, dass das Hochglanzprodukt Bundesliga Kratzer abbekommen habe. Bei einer von den Wirtschaftsprüfern Ernst & Young veröffentlichten anonyme Befragung aller Profiklubs gaben 35 Prozent an, inzwischen mit Verlust zu arbeiten, 56 Prozent erwarten im Verlauf der kommenden Saison eine Verschlechterung der Lage. Gleichzeitig nehmen die meisten Befragten dies nur als kleines Tal wahr, welches vergleichsweise zügig durchschritten werden könne. Hauptursache für die aktuell sinkenden Einnahmen sei die reduzierten Sponsoraktivität in den Bereichen Bandenwerbung, Trikotwerbung, Namensrechte sowie bei den Business-Seats und Logen. 76 Prozent vertrauen jedoch auf eine Wende des Trends zum Positiven innerhalb der nächsten fünf Jahre: „Das Prinzip Hoffnung, von dem die Anhänger des mit Abstand beliebtesten Sports in Deutschland zehren, lebt auch in der Krise munter weiter.“ Dass die Krise an der Bundesliga nicht gänzlich vorübergehe, sei eher beruhigend als alarmierend. Der Zuschauerzuspruch bleibe hingegen ungebrochen. Dass sich die Verhältnisse ein wenig, aber nicht grundlegend änderten, sei auch eine Chance: neue, kreative Wege aus der kleinen Krise zu finden. Auf dass „der Krise von gestern der Boom von morgen folge.“
Im Kommentar in der FR schreibt Wolfgang Hettfleisch zum selben Thema: „Die Unterhaltungsbranche Fußball kommt keineswegs ungeschoren davon. Etliche Klubs schreiben rote Zahlen. Zudem sind die kurzfristigen Aussichten nach Einschätzung der Akteure ziemlich düster. Das ist dennoch kein Grund für Schwarzmalerei, denn die Konkurrenz in Italien, Spanien und England hat es ungleich härter erwischt.“ Dies sei eine gute Chance für die Bundesliga: „Bei Profis wird sich rasch herumsprechen, dass die Deutschen auch in Zukunft pünktlich zahlen können, sollte nichts Unvorhersehbares geschehen. Auch wenn die Bundesliga am Ende im europäischen Vergleich wohl als Krisengewinnler dastehen wird, könnte sich nun bei einigen Klubs der Glaube an fortwährendes Wachstum rächen. Das Ächzen über unvorteilhafte Vermarktungsverträge wird lauter. Erst jetzt spüren die Klubs so richtig, dass sie im Gegenzug Daumenschrauben verpasst bekamen. Es fängt an weh zu tun.“
Ausgeglichenheit ist in Gefahr
Im direkten Zusammenhang mit den Klubfinanzen stehe aber auch der Verlauf der Saison in der Bundesliga, bemerkt Rolf Obertreis in der ZEIT: „Die im Vergleich zu Spanien, England oder Italien eher geringen finanziellen Unterschiede zwischen den deutschen Vereinen haben nach Ansicht von Ernst-&-Young-Experte Hovemann aber einen großen Vorteil: Die Bundesliga ist erheblich spannender und abwechslungsreicher und damit für die Zuschauer attraktiver als die Ligen in den anderen Ländern. Dort machen allenfalls drei oder vier Vereine Jahr für Jahr aufgrund ihrer finanziellen Stärke oder eines schwerreichen Eigentümers den Titel unter sich aus. Ein Überraschungsmeister wie hierzulande der VfL Wolfsburg wäre der Studie zufolge in England, Spanien oder Italien kaum möglich.“
Diese Ausgeglichenheit sei aber nicht nur aufgrund der bekannten Ausnahmen wie Bayer Leverkusen, der TSG Hoffenheim und eben jenem Wolfsburg in Gefahr, sondern auch wegen der aus der Champions League nur an die Topklubs verteilten Millionen, warnt die Studie, schreibt die FAZ. Als einzig mögliche Lösung sei eine weiter gestreute Verteilung dieser Gelder angezeigt. Anderenfalls sei ein weiteres Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich nicht zu vermeiden. Und damit einhergehend der Abfall jener Spannung, wie man sie zur Zeit in der Bundesliga und der Ligue 1 den anderen drei großen Ligen noch voraushabe.