DFB-Pokal
Ein Spiel zum Reinbeißen
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| Mittwoch, 5. August 2009Über den fußballerischen Leckerbissen in Düsseldorf, einen unkonzentrierten HSV und warum der Pokal seine vermeintlichen „eigenen Gesetze“ immer öfter vermissen lässt
Richard Leipold (Tagesspiegel) sieht „Ein Spiel zum Reinbeißen“ und hört anschließend die Verlierer lauter jubeln als die Gewinner: „Es war eine mitreißende Zeitreise, auch wenn sie für die kämpferische, erstaunlich spielstarke Fortuna ohne Happy End blieb. In der 120. Minute schien die Glücksgöttin noch ihrer Namenscousine aus dem Rheinland zugewandt. Der HSV kam dann mit einem blauen Auge und einer blutigen Nase davon. Der Verlierer verschmerzte es. ‚Wir sind wieder da!‘ riefen die Düsseldorfer Fans so laut sie konnten – und das war äußerst laut. Sie sehen ihren Klub nach trüben Jahren in unteren Spielklassen wieder auf dem Weg zu altem Ansehen.“
Frech wie Lumpi
Markus Bark spielt in der taz auf den Spitznamen eines Fortunen an: „So frech wie ‚Lumpi‘ im Interview zeigte sich die gesamte Fortuna in ihrem ersten großen Spiel nach etlichen Jahren in den Niederungen. Die Chance, bei einem Millionenpublikum im Fernsehen einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, nutzte die Mannschaft. Es dauerte nur eine Sekunde der Enttäuschung, bis die mehr als 30.000 Fortuna-Fans im Stadion nach dem letzten Elfmeter begannen, ihre Elf zu feiern. Die Düsseldorfer trugen die Euphorie, die nach dem Aufstieg entfacht worden war, in die neue Saison herüber. (…) Die Hamburger brachten sich mehr in Gefahr durch den kollektiven Glauben der Feldspieler, die wesentlich größeren spielerischen Fertigkeiten alleine reichten aus, um einen Zweitliga-Aufsteiger zu bezwingen. Selbst die letzten, brachialen Attacken der Fortuna wurden nicht richtig ernst genommen. Dadurch kam ‚Lumpi‘ Lambertz zu seinem Tor in der letzten Sekunde.“
Horrorstreifen des HSV
Erik Eggers (Financial Times Deutschland) beschreibt die schwache Leistung des HSV: „Der HSV leistete sich unerklärliche Fehler in der Defensive, wo Jérôme Boateng als Innenverteidiger noch nicht mit seinen Nebenleuten harmonierte. Er produzierte reichlich Fehlpässe im Mittelfeld, wo lediglich Zé Roberto überzeugte. Die Flanken gerieten ungefährlich, das Laufspiel war ungenügend und es mangelte an der Konsequenz im Angriff, wo weder Mladen Petric noch Zé Roberto große Chancen zum entscheidenden 4:2 verwertet hatten. Viele Mosaiksteine ergaben ein ziemlich übles Bild des HSV-Spiels. Ziemlich sicher, dass Bernd Hoffmann dieses 120 Minuten von Düsseldorf als Horrorstreifen erlebte, es könnte schließlich schnell ungemütlich werden für den HSV-Vorstandsvorsitzenden. Ein frühes Aus im DFB-Pokal hätte sofort für Feuer unter dem HSV-Dach gesorgt und Hoffmann hätte Mühe gehabt, dieses Feuer zu löschen. Zumal der HSV investiert hat wie noch nie in seiner Vereinsgeschichte.“
Unromantische Sensationsdürre
Christoph Biermann klärt bei Spiegel Online über den Schwund der Favoritenstürze im Pokal auf: „Die Erklärung für die Sensationsdürre ist unromantisch, sie hat vor allem mit Geld zu tun. Inzwischen haben die Vereinsverantwortlichen auch ihren verträumtesten Spielern klar gemacht, dass es keinen kürzeren Weg in den internationalen Fußball gibt als den über den DFB-Pokal: Sechs Siege, und man ist für die Europa League qualifiziert. Wichtiger noch sind aber die direkten finanziellen Anreize geworden, im Pokal weiterzukommen. Sie sind so hoch, dass auch die Reichen der Liga interessiert sind. Durch neue Fernsehverträge und die zentrale Vermarktung werden in den kommenden drei Spielzeiten insgesamt 156 Millionen Euro an die beteiligten Clubs ausgeschüttet. Das bedeutet, dass die Qualifikation für die zweite Runde jedem Verein eine Viertelmillion Euro Fernsehgelder sichert, die Erlöse aus den Eintrittsgeldern noch nicht eingerechnet. In der dritten Runde verdoppelt sich der Betrag, im Viertelfinale sind es schon 1,75 Millionen Euro. Der Pokalsieger nimmt insgesamt sechs Millionen Euro auf diesem Weg ein. Das ist ein dicker Batzen, den niemand ignorieren kann. Der DFB-Pokal ist wertvoll wie nie und zugleich verliert er an anarchischem Reiz, weil sich kaum jemand mehr Konzentrationsmängel leistet.“ Die Ausnahme vom Montag bestätigt da wohl nur die neue Regel.