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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Von Ballack lernen heißt siegen lernen

Frank Baade | Mittwoch, 12. August 2009 11 Kommentare

Ballack erhält vor seiner letzten großen Titelchance Lob für seine Entwicklung, Löw wird wegen an Klinsmann erinnnernde Umgangsweisen hart kritisiert, während für Vogts wie so oft nur Spott bleibt

Andreas Rüttenauer findet in der taz deutliche Worte für das Treiben der Verantwortlichen der Nationalmannschaft. Unter dem Titel „Die Hybris des DFB“ schreibt er: „Die sportliche Leitung des DFB-Teams bezeichnet sich gerne als ‚Kompetenzzentrum‘ des Deutschen Fußballs. Oliver Bierhoff hat das Wort dieser Tage wieder in den Mund genommen. Es ist in den zwei Tagen der Vorbereitung auf das Spiel in Baku so, wie es meist ist, wenn der DFB seine Elite versammelt. Der Manager tut alles, um die Bedeutung der Arbeit im DFB für die Entwicklung des Fußballs zu unterstreichen. Wundern wird er sich nicht, wenn sich in der Folge die Trainer und Manger der Klubs wieder einmal beschweren über die Hybris des DFB in Sachen Fußballsachverstand. Felix Magath hat dies vor Beginn der Saison in der Fußball-Bundesliga besonders heftig getan.“ Auch Karl-Heinz Rummenigge wehre sich gegen von der Nationalmannschaft erstellte Trainingspläne. „Deswegen muss Joachim Löw immer wieder die Gemüter der aufgebrachten Trainer beruhigen.“ Vor der entscheidenden Partie in Russland brauche Löw die Mitarbeit der Klubs und Trainer: „Also verwendet er derzeit nur leise Töne. Kritik am langsamen Spiel, am grobschlächtigen Verteidigungsverhalten in der Liga, wie er sie in der Vergangenheit geäußert hat, wird man in der entscheidenden Phase der WM-Quali von ihm nicht hören.“

Keinen reinen Wein

Im Zuge der Nichtnominierung von Torsten Frings schildert Gregor Derichs in der Stuttgarter Zeitung Löws wenig ausgeprägte Konfliktfähigkeit: „Aus der Liga meckern einige Manager und Trainer, Löw nominiere zu ’südlastig‘. Der Bundestrainer neigt recht stark zu Stuttgart und Hoffenheim, aber Völler bevorzugte in seiner Zeit auch Leverkusen. Es ist eher das Nominierungsverhalten von Löw, das Befremden bei Spielern auslöst. Der Verdacht, dass der Bundestrainer konfliktträchtigen Gesprächen gern aus dem Weg geht, erhärtet sich. Immer wieder klagen die Betroffenen, Löw habe ihnen keinen reinen Wein eingeschenkt. Der Bundestrainer nimmt solche Kritik in der Regel auf, er reagiert meist mit Verständnis für die andere Seite. Dass die neue Saison, die möglichst mit der Finalteilnahme bei der WM 2010 in Südafrika enden soll, aber gleich wieder mit Disharmonien beginnt, ist kein gutes Zeichen.“

Unwiderstehliche Eleganz

Ansonsten steht vor allem Michael Ballack im Mittelpunkt, dessen Karrierende bevorsteht, ohne dass er je einen internationalen Titel gewann. Das sei ihm selbst bewusst, und da er nach zwei Jahren bei Chelsea das Leistungsprinzip verinnerlicht habe, halte er auch nicht mehr öffentlich zu seinem „Kumpel“ Torsten Frings, berichtet die FAZ. Ballacks Ungeduld sei möglicherweise auch dem Anspruch an sich selbst und seinen Zielen geschuldet, worin auch die Wurzel für Auseinandersetzungen mit dem Umfeld liegen könne. Ballack jedenfalls habe viel gelernt durch seinen Weggang zu Chelsea und Christian Kamp schließt: „Von Ballack lernen heißt siegen lernen. Selbst wenn es nicht in jedem Fall geklappt hat.“

In der FR zeigt sich Karlheinz Wagner verzückt von Ballacks Karriereplanung und deren Resultat: „Das WM-Finale 2010 ist vermutlich Ballacks letzte Chance auf einen großen Titel. Zu dem Eindruck, dass dieses Thema ihm den Schlaf raubt, trägt der 32-Jährige nicht viel bei. (…) Mit 25 war er noch ein relativ junger Spieler, seine Zukunft mit den ebenso klugen wie logischen Wechseln zu Bayern München und zum FC Chelsea lag noch vor ihm. Er vervollkommnete seine Art des Spiels, indem er die Komponenten Kraft, Härte und Entschlossenheit zu einer so ungewöhnlichen wie unwiderstehlichen Eleganz verdichtete; große Titel aber blieben ihm versagt. Seine Perspektive hat sich seither verschoben. Die Niederlage im EM-Finale 2008 gegen die besseren Spanier hatte Ballack offensichtlich schwer getroffen – erinnert sei an den beinahe handgreiflichen Streit mit Oliver Bierhoff nach dem Schlusspfiff. Und auch Ballacks ungewöhnlich scharfe Verbalattacken gegen Führungsstil und Personalpolitik der Nationalmannschafts-Spitze ist vielfach gedeutet worden als Appell, seine Ambitionen nicht auf dem Altar fußballerischer Experimentierwut zu opfern.“ Bierhoff selbst verweise nun auf die nationalen Titel, welche Ballack bereits gewonnen habe, während Spieler wie Völler und Häßler trotz ihres Mangels an solchen als „große“ Spieler wahrgenommen würden, worauf Wagner feststellt: „Allerdings waren Häßler und Völler auch Weltmeister, 1990.“

Vogts und der Deutsche in ihm

Volle Breitseite gibt Stefan Hermanns dagegen Berti Vogts, dem Trainer des heutigen Gegners Aserbaidschan, im Tagesspiegel: „Warum sind die Schotten wieder so gut? Weil er, Vogts, damals als Nationalcoach auf junge Spieler gesetzt hat. Und die Deutschen? Haben die ihn nicht immer für sein ewiges Genörgele über die mangelhafte Nachwuchsarbeit belächelt? Jetzt haben sie wieder Talente über Talente, Bewegung auf allen Positionen, ‚eine unheimliche Breite in der Spitze‘, sagt Vogts. ‚Goldene Zeiten stehen bevor.‘ Das hat man auch gedacht, als er 1990 Franz Beckenbauer ablöste und Bundestrainer wurde. Bis 1998 hat Vogts die Nationalmannschaft trainiert, zweimal scheiterte er mit ihr im WM-Viertelfinale, beide Male war es ein Desaster.“ Vogts spricht in Bezug auf die aktuelle deutsche Mannschaft von der „besten Mannschaft der Welt“, was Hermanns höhnisch kommentiert: „Die beste Mannschaft der Welt? Berti Vogts wird den Deutschen in sich einfach nicht los.“

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Kommentare

11 Kommentare zu “Von Ballack lernen heißt siegen lernen”

  1. TheBigEasy
    Mittwoch, 12. August 2009 um 21:50

    Wg. Berti

    Na ja, ich bin zwar jetzt auch nicht gerade ein Anhänger der Vogt’schen Fußballlehre, aber man sollte nicht vergessen, dass er 1996 den letzten Titel eingefahren hat, den eine deutsche Nationalmannschaft gewonnen hat.

    Tja Herr Hermanns, das war zwischen den „Desastern“ von 1994 und 1998. Die Finalniederlage bei der EM 1992 würde ich nicht unbedingt Vogts anrechnen.

    Bleibt der Eindruck, dass eher (oder auch?) Herrn Hermanns‘ Schmähung von Vogts typisch deutsch ist. Nix für ungut.

  2. Stefan Hermanns
    Freitag, 14. August 2009 um 10:55

    Lieber Big Easy,

    wenn Sie den kompletten Text im Tagesspiegel lesen, werden Sie sehen, dass ich genau darauf hingewiesen habe: dass Vogts den bis heute letzten Titel für den DFB gewonnen hat.

    Wenn man das bei der Presseschau rausschneidet oder weglässt, passt das natürlich besser in das Bild von der „vollen Breitseite“ gegen Vogts.

    Auch nix für ungut
    Stefan Hermanns
    P.S.: Berti Vogts war übrigens der erste Lieblingsspieler meiner Fankarriere. Und auch wenn ich da erst sieben war – ich war sicher nicht der einzige Vogts-Fan

  3. Frank Baade
    Freitag, 14. August 2009 um 12:11

    Mir war bewusst, dass ich tendenziös gekürzt habe, allerdings lerne ich gerade noch, dies zu vermeiden, ohne den Umfang ausufern zu lassen.

    Deshalb, Herr Hermanns, verzeihen Sie mir und Big Easy, das nehm ich auf meine Kappe, ich hätte es wenigstens selbst nach Ihrem Kommentar erklären oder entschärfen können, so wie es jetzt der Autor tat.

    Dennoch empfand ich die Vokabel „Desaster“ trotz Viertelfinaleinzug als sehr drastisch.

    Berti-Vogts-Fans sind allerdings von heute gesehen aus schwer vorstellbar. Als er nur spielte und wenig reden musste fiel das wohl leichter.

  4. TheBigEasy
    Freitag, 14. August 2009 um 14:54

    @Stefan Hermanns
    Mea culpa, mea maxima culpa. Ich gestehe, es war ein Fehler vor dem Kommentieren nicht die Quelle im Original zu lesen. Ich ziehe daher den letzten Absatz meines Kommentares oben zurück und hoffe auf Ihre Nachsicht.

  5. Stefan Hermanns
    Freitag, 14. August 2009 um 18:37

    Bin nicht nachtragend. „Desaster“ ist eigentlich nicht mein Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Fußballspielen; es sollte die damalige Stimmung in der deutschen Öffentlichkeit (oder war es doch nur in der „Bild“-Zeitung) wiedergeben. Allerdings, wo wir schon mal beim Fehlerzugeben sind, ist es natürlich blöd, wenn ein Journalist nachträglich erklären muss, was er wie gemeint hat.

  6. TheBigEasy
    Freitag, 14. August 2009 um 19:51

    Na ja, so schlecht war der Artikel nun nicht, dass du dich dafür entschuldigen musst. 😉

    Tatsächlich war die Stimmung im Fußballland Deutschland 1994 ja nach dem Ausscheiden auch nicht gerade toll. Wenn ich mich richtig erinnere war das doch auch die WM mit Effenbergs Fingerzeig, oder?

    1998 empfand ich dagegen gar nicht als so schlecht, wie es hinterher gemacht wurde. Im Achtelfinale wurde gegen Mexiko noch ein Rückstand gedreht und die Niederlage gegen die durchaus nicht schlechten Kroaten hatte auch einen Namen: Wörns, der kurz vor der Halbzeit eine dumme rote Karte bekam.

    Nach der WM wurde dann insbesondere vom Boulevard recht mies Stimmung gegen Vogts gemacht, obwohl im Halbfinale gegen Frankreich bei objektiver Betrachtung wohl sowieso Schluss gewesen wäre.

    Aber egal, ich habe in meinem ersten Kommentar eigentlich nur so reagiert, weil ich fälschlicherweise davon ausgegangen bin, dass sich da mal wieder jemand über Vogts lustig macht.

    Obwohl ich kein großer Freund des Trainers Vogts bin, halte ich das einfach für unfair, weil es ja doch immer auf seine wenig geschickte Art sich auszudrücken und sein nicht gerade weltmännisches Auftreten abzielt. Vogts war und ist immer ein ehrlicher Typ gewesen, der sich sowohl als Spieler wie auch als Trainer stets alles hart erarbeiten musste. Das verdient in meinen Augen Respekt und nicht Häme.

    Kurzum: Lieber ein „fricher“ Vogts als ein öliger … Deshalb noch einmal und final: Sorry, nix für ungut, samma wieda guad und weiter so. 😉

  7. Frank Baade
    Freitag, 14. August 2009 um 23:55

    Entschuldigung, aber ich dachte, das wüsste jeder einigermaßen erwachsene Fußball-Liebhaber. Die Rote Karte für Wörns resultierte aus einem vergurkt schlecht gespielten Pass von Lothar Matthäus, und nicht aus Wörns vermeintlichem Unvermögen. Ich dachte wirklich, das sei allgemein bekannt.

  8. Lena
    Samstag, 15. August 2009 um 10:58

    „…Löw wird wegen an Klinsmann erinnnernde Umgangsweisen hart kritisiert…“ ?

    Welche Klinsmann’schen Verhaltensweisen sind es denn nun?
    Suedlastiges Nominieren? Konflikt ausweichen?? Experimentierwut? Leise Toene verwenden? Oder das was Bierhoff sagt?

    So erinnert die Erinnerung an eine Nebelkerze. Wird schon was passen. Oder fehlts?

  9. Frank Baade
    Samstag, 15. August 2009 um 12:30

    Mein Vergleich bezog sich hauptsächlich auf diesen Satz:

    „Immer wieder klagen die Betroffenen, Löw habe ihnen keinen reinen Wein eingeschenkt.“

    Und ist gleichzeitig natürlich auch Interpretation. Dass Klinsmann seinen Spielern keinen reinen Wein eingeschenkt hat, kann ich nicht belegen, dennoch lautet mittlerweile mehrheitlich der Tenor in dieser Art, so verstehe ich es jedenfalls. Nachzufragen bei Wörns, Kahn oder Kuranyi.

    Konflikten ist er ja eher nicht ausgewichen, hat sie aber wenn, dann nicht mit offenen Worten zu lösen gepflegt, sondern mit reichlich Gerede, welches dann auch mit der von Ihnen ins Spiel gebrachten Nebelkerze treffend beschrieben wäre.

  10. TheBigEasy
    Samstag, 15. August 2009 um 20:05

    @Trainer wg.
    „Entschuldigung, aber ich dachte, das wüsste jeder einigermaßen erwachsene Fußball-Liebhaber. Die Rote Karte für Wörns resultierte aus einem vergurkt schlecht gespielten Pass von Lothar Matthäus, und nicht aus Wörns vermeintlichem Unvermögen. Ich dachte wirklich, das sei allgemein bekannt.“

    Sorry Trainer, aber das ist vielleicht deine Sicht der Dinge. Natürlich war der „Rück-Quer-Pass“ von Matthäus Murks, aber das überharte Einsteigen von Wörns war an dieser Stelle völlig fehl am Platz. Wenn du es dir noch einmal anschauen bzw. antun willst, findest du bei YouTube das Video.

    By the way, erwachsen bin ich vermutlich schon etwas länger als du. 😉

  11. Lena
    Sonntag, 16. August 2009 um 09:01

    Danke fuer die Erklaerung.

    Ist das eigentlich ein neues Phaenomen, dass Trainer manchmal Spieler versuchen hinzuhalten, bei der Stange zu halten, fuer den Fall, dass man sie wegen Verletzung oder was weiss ich spaeter doch noch braucht, aber die Spieler eigentlich nicht in der Wunschelf drinne hat? Ab wann wird sich ein Trainer wirklich bewusst, dass er einen Spieler nicht mehr will, das ist ja auch ein Prozess. Und eventuell sendet er dabei Signale, die spaeter entsprechend der Entscheidung gedeutet werden. Haette sich Klinsmann fuer Kahn entschieden, haette bestimmt dann Lehmann die Klage mit dem Wein gefuehrt. Podolski wurde bei Bayern von Klinsmann reiner Wein eingeschenkt und dann hat er gekniffen anstatt gekaempft.

    Aber vielleicht faellt es bei manchen Trainern auch so besonders auf, weil sie als „Freund und Motivator“ auftreten und dann gibts nur 11 Plaetze und damit auch immer die Reise nach Jerusalem.

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