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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Der Künstler Özil und der Fuß, der nie rumpelt

Oliver Fritsch | Montag, 7. September 2009 8 Kommentare

Der Bremer Spielmacher weckt beim 2:0 gegen Südafrika die Sehnsucht der Chronisten nach einem Spielmacher – und muss sich Vergleiche mit der DFB-Ahnenreihe gefallen lassen

„Endlich ein Künstler“, jubiliert die FAZ, und Peter Heß lässt sich von Mesut Özil ans Licht führen: „Plötzlich ist er da – der Sonnenstrahl, der das monotone Bild erhellt. Zuletzt bot bei Länderspielen der Blick auf den Rasen ein tristes Grau aus mal mehr, mal minder ausgeprägtem läuferischem Bemühen und schnellem spielerischem Scheitern. Und dann dreht dieser Mesut Özil in einer Weise auf, die den Fan jauchzen und sogar die Mitspieler applaudieren lässt.“

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) besingt Özil in einem Gedicht: „Er hat bewiesen, dass er die Kunst beherrscht, mit einer Drehung, einem Pass, einer Idee eine völlig neue Situation aufs Feld zu zaubern. Er hat einen Fuß, der niemals rumpelt. Er hat getanzt, fast hat es ausgesehen, als schwebte er. Er hat so schwerelos gewirkt, so undeutsch, so leicht. Özil hat mit seinem Debüt als deutscher Spielmacher Sehnsüchte befriedigt und Stoff zum Träumen geboten, er hat beängstigend gut funktioniert.“

Philipp Selldorf (SZ) rückt ihn in eine ehrwürdige Ahnenreihe des deutschen Fußballs: „Sein Trikot trug die Nummer 22, doch auf einmal waren sich alle darüber einig, dass die deutsche Elf den Sieg einem wahren 10er verdankte – einem klassischen Regisseur moderner Prägung. Und auf diese sakrosankte Spielfigur hat man hierzulande ungefähr seit den Zeiten des großen, kleinen Thomas Häßler verzichten müssen. Wobei Özils Fertigkeiten auf vielerlei Vorfahren verweisen: Von Häßler etwa hat er die erfüllte Liebe zum Ball und von Uwe Bein die Fähigkeit, mitten durch die unruhig umeinanderlaufende Menge die Bahn für den finalen Pass zu finden.“

Als ein weiteres Zeichen gelungener Integration wertet Markus Lotter (Berliner Zeitung) Özils Streben: „Er ist der Regisseur aus der Tiefe des multikulturellen Raumes, der glücklicherweise immer mehr Spieler hervorbringt, die deutsche Tugenden und fremdländische Finesse in sich vereinen. Fortsetzung folgt mit einer Achse der Internationalität: Serdar Tasci, Deutschtürke, Sami Khedira, Deutschtunesier, Mesut Özil, Deutschtürke, Mario Gomez, Deutschspanier. Die Welt spielt für Deutschland.“

Christian Gödecke (Spiegel Online) motiviert Bastian Schweinsteiger mit einem Özil-Vergleich: „Was für ein Kontrast! Özil hat das deutsche Spiel bestimmt, Schweinsteiger lieferte eine Leistung zum Wegschauen: Ballverluste, Kullerpässe, Schlappschüsschen. 25 Jahre alt ist Schweinsteiger jetzt, er spielt immer noch in München. Es gibt auch Menschen, die fragen, warum der hoch talentierte Spieler noch nicht ins Ausland gewechselt ist. Oder zu einem Bundesliga-Klub mit Ambitionen, bei dem Schweinsteiger regelmäßig auf einer Position spielen kann. Und nicht Verschiebemasse ist wie in München, wo sie jetzt erst mal alle ‚Robbéry’ bejubeln.“

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Kommentare

8 Kommentare zu “Der Künstler Özil und der Fuß, der nie rumpelt”

  1. erz
    Montag, 7. September 2009 um 12:49

    Haben die überschwänglichen Lobhudler eigentlich keinen Fußball geschaut in den letzten zwei Jahren? Wie kann man sonst bitte so überrascht sein, was es für tolle Spieler in Deutschland gibt? Ich könnt mich aufregen!

    Auch Sie, Herr Fritsch, seien ermahnt, in Zukunft früher auf meinen nahezu pathologischen Überschwang mit Zustimmung zu reagieren. Zidaneesk!

  2. Eisen
    Montag, 7. September 2009 um 13:41

    Da kann ich nur Oli Kahn aus der Nachbesprechung zitieren, als KMH zur Lobeshymne ansetzte: „Halt, halt“!

  3. K. Otz
    Montag, 7. September 2009 um 17:05

    Dieses Schweini-Gebashe wird echt langsam lächerlich.

  4. Florian (Die Vorstopper)
    Montag, 7. September 2009 um 21:28

    Manchmal würde man sich da mehr Zurückhaltung wünschen. Es war nur ein Testspiel, es war nur ein zweitklassiger Gegner. Und mit zuviel Vorschusslorbeeren und dem entsprechenden Erwartungsdruck ist schon so manch anderes Talent überhäuft worden (vgl. der Fall Deisler).

  5. erha
    Montag, 7. September 2009 um 23:37

    zu Özil: manchmal lässt früher Druck besondere Spieler aber auch besonders schnell reifen. Also warum nicht mal wieder ein deutscher „Weltstar“ in jungen Jahren á la Messi, Henry, Raúl, Ronaldo (beide)?

  6. WhatsYourPlace » Blog Archive » Mesut Özils Gelsenkirchen
    Dienstag, 8. September 2009 um 01:51

    […] indirekter freistoß: “Der Bremer Spielmacher weckt beim 2:0 gegen Südafrika die Sehnsucht der Chronisten nach einem Spielmacher – und muss sich Vergleiche mit der DFB-Ahnenreihe gefallen lassen” […]

  7. Eisen
    Dienstag, 8. September 2009 um 14:44

    > Dieses Schweini-Gebashe wird echt langsam lächerlich.

    Naja, bei Bayern ist er kein Leistungsträger so wie Lahm. Aber solange er bei Turnieren immer schön Tore wie gegen Portugal und die Türkei macht, kann er von mir aus bei Bayern rumgurken wie er will.

  8. Eisen
    Dienstag, 8. September 2009 um 14:52

    Denn: Unterschätzte Nationalspieler sind immer gut ^^.

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