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Felix Magath für Arme

Frank Baade | Mittwoch, 23. September 2009 1 Kommentar

Beim 1. FC Kaiserslautern spielt man einen neuen Fußball, in Aachen gewinnt Michael Krüger das Powerpoint-Duell, Holger Stanislawski ist ein Mann der Innovationen und Union Berlin hat einen neuen Sponsor

Jan Christian Müller lobt in der FR das Wirken von Kaiserslauterns neuem Trainer Marco Kurz: „Kurz hat in der Pfalz bereits einiges bewirkt. Vor allem spielt der FCK nicht mehr jenen gnadenlosen Bolzball, mit dem Vorgänger Milan Sasic anfangs allerdings ähnlich gute Erfolge hatte wie Kurz nun mit seiner Idee von gepflegterem Passspiel. Kurz, einst Mitglied der Schalker Eurofighter beim Uefa-Cup-Sieg 1997, ist ein Mann, der mit den Spielern des jüngsten Kaders der zweiten Liga viel spricht, aber dennoch auch Distanz hält. Die Spieler erfahren vor jedem Training dezidiert von ihrem direkten Vorgesetzten an einem Flipchart, was sie erwartet und warum gerade dieses Trainingsprogramm gewählt wurde. (…) Dank der Vorarbeit von Kuntz kann er auf recht gediegenes Personal zurückgreifen. Kurz will jetzt ‚das Momentum aufnehmen‘, er spürt, dass jeder Sieg der jungen Mannschaft eine Prise neues Selbstvertrauen verpasst, aber er hütet sich davor, das Wort Aufstieg als Ziel auszugeben. Aber das, so darf vermutet werden, ist nur die offizielle Lesart. Intern sind Kuntz und Kurz sich einig: Die Bundesliga soll es werden, möglichst schon ab Sommer 2010.“

Kernthese Identifikation

Für Sven Flohr ist die stetige Verbesserung der Lage in Kaiserslautern das Verdienst eines Mannes, den man letztens erst in Bochum vertrieb (Welt): „Der Aufschwung hat einen Namen: Stefan Kuntz. Im April 2008 übernahm er den Posten des Vorstandsvorsitzenden. Ein mutiger Schritt, der Verein stand damals vor dem kompletten Absturz, sieben Spieltage vor Schluss fehlten sechs Punkte auf einen Nichtabstiegsplatz. Am letzten Spieltag vermied der FCK den Abstieg, und Kuntz machte sich in der Folge daran, den Verein neu aufzustellen. Er brachte eine Philosophie zu Papier, die eine Kernthese hatte: Die Identifikation zwischen Klub und Bevölkerung müsse maximiert werden. Deshalb schickt der Chef sein Personal unter die Leute. Allein in diesem Jahr haben sich die Besuche der Spieler bei Veranstaltungen aller Art verdreifacht. Kuntz selber hielt gerade erst einen Vortrag in der örtlichen Sparkasse. Im Gegenzug erklimmen die Fans auch wieder den Betzenberg. Und tatsächlich ist im vergangenen Jahr das berühmte Betze-Gefühl zurückgekehrt. Aber reicht es auch für den Aufstieg? Kuntz möchte dieses Ziel nicht ausgeben, weil nach seiner Meinung das Geld nicht reicht. Zwar hat der FCK die gröbsten Finanzsorgen überwunden, muss aber immer noch Altlasten abtragen. Solange er diesen Nachteil nicht ausgleichen könne, sieht Kuntz keine Chance, ernsthaft oben anzugreifen.“ Langfristig habe Kuntz jedoch das Ziel Aufstieg ausgegeben.

Pokalspezialist in Afrika

Nach einem ungewöhnlichen direkten (Vortrags-)Duell der letzten beiden verbliebenen Kandidaten für den Trainerposten in Aachen fiel die Wahl auf Michael Krüger, hierzulande nur den wenigsten bekannt. In der taz erfährt man von Bernd Müllender: „Michael Krüger, ein freundlicher Mann mit randloser Brille, fröhlichen braunen Augen, gewählten Worten und immer bereit für launige Wortgefechte. Er sei von Haus aus sehr harmoniebedürftig, sagte er, könne aber auch ’sehr eklig werden‘. In Braunschweig hieß er deshalb ‚Felix Magath für Arme‘. Ziel, so der studierte Sport- und Geografielehrer: klar, Bundesliga. Das will man in Aachen hören. Der 55-jährige Krüger hatte Eintracht Braunschweig 2005 aus der Regionalliga in die 2. Bundesliga gecoacht. Ansonsten war er in Liga 3 und 4 aktiv, dazu in Afrikas Sonne. Er arbeitete lange mit Ko-Trainer Willi Kronhardt zusammen, der praktischerweise schon im Sommer in Aachen angeheuert hatte und sein Team am Sonntag zu einem souveränen 2:0 gegen 1860 München interimsgecoacht hatte. Michael Krüger ist ein großer Pokalspezialist. Dreimal gewann er den Pott, mit all seinen Teams in Afrika: in Ägypten mit El Masri, dazu sogar den afrikanischen Pokal der Pokalsieger und dann im Sudan mit al-Merrikh. Zudem habe er, fügte Krüger gestern lächelnd hinzu, Braunschweig und Wolfsburg II zu Triumphen über Hertha und zweimal Borussia Dortmund gecoacht.“ Krügers Vorgänger Seeberger sei vor allem an seinen menschlichen Schwächen gescheitert: „Er war stets misstrauisch, aus Unsicherheit unnahbar und von Kontrollwut beseelt.“

Wohl auch deshalb weiß Wolfgang Hettfleisch in der FR zu berichten: „Erfahrung, Kommunikation und Mannschaftsführung seien wichtige Kriterien gewesen, sagte Aachens Sportdirektor Andreas Bornemann. Vor allem klingt an, welche Versäumnisse Seeberger den Job kosteten: Defizite bei Kommunikation und Menschenführung. Viele Freunde unter den Alemannia-Profis soll der Mann aus Konstanz nicht gehabt haben.“ Weshalb die Aufgaben des neuen Trainers klar seien: „Krüger muss auch am Betriebsklima arbeiten. Der Klub, der den Stadionneubau allein stemmte, zielt nicht auf schnellen Erfolg. Ausnahmetalent Lewis Holtby durfte im Sommer auch deshalb gehen, weil das Geld knapp war. Namhafte Neuzugänge gab es nicht. Der schwarz-gelbe Fußballmittelständler will nachhaltig wirtschaften. Fans ist so etwas schwer zu vermitteln. Der neue Trainer wird nicht zuletzt bei ihnen für Geduld werben müssen.“

Einstudierter Jubel

Frank Heike (FAZ) findet in Hamburg mit Holger Stanislawski einen Trainer, der die Doppelbelastung Trainerjob und Trainerausbildung erfolgreich hinter sich gebracht hat. Sein Club sei in der besten Situation seit Jahren. Dafür sei Präsident Littmann genauso verantwortlich wie Trainer Stanislawski und Manager Schulte. Allen Führungsmitgliedern gemein ist die lange Zugehörigkeit zum FC St. Pauli. Der Trainer besetzte zuvor schon alle nur denkbaren Positionen in diesem Verein, nun plane er als Coach Spielzüge am Reißbrett, ganz wie beim American Football. Von ungewöhnlichen Maßnahmen, aber auch endloser Vielfalt im Repertoire Stanislawskis ist zu lesen: „Stanislawski ist ein Mann voller Ideen. Zu Hause brütet er bis nachts vor dem Laptop an Spielzügen. Im Training ließ er originelles Jubeln einstudieren. In der Vorbereitung eröffnete er den Fettklub: Wer mehr als zwölf Prozent Körperfett hatte, bekam ein spezielles Shirt und musste Überstunden machen. Im Jugendtraining während seiner Trainerausbildung brachte er die Talente mal durch eine überraschende Breakdance-Einlage auf seine Seite.“ Und seit Stanislawski sportlich so erfolgreich wirke, habe Littmann den Rücken frei für den Stadionumbau, der den Klub finanziell sicherer aufstelle. Dann sei man auch bereit für eine Rückkehr ins Oberhaus.

Da weiß man, was man hat

Nach dem großen Flop mit der ISP hat Union Berlin nun einen anderen Trikotsponsor gefunden, der vorher schon Co-Sponsor in Köpenick war. Matthias Wolf klärt auf (Berliner Zeitung): „Der neue Sponsor, der bis 2012 unterschrieb, legte Wert auf mehr Zurückhaltung. Die genannten Fakten: Hundert Mitarbeiter, derzeit rund 25 Millionen Euro Nettoumsatz im Jahr. Tendenz steigend, weil man demnächst auch in Reifen und Felgen mache. Das Onlinegeschäft der Firma boomt angeblich – trotz der Krise in der Autoindustrie. Wie viel von diesen Einnahmen an Union gehen, ließ man offen. Die Rede ist in gut informierten Kreisen von 750.000 Euro in dieser Saison, der Vertrag ist aber gestaffelt und erfolgsabhängig. Erstaunlich ist, dass Union nach den schlechten Erfahrungen diesmal auf Bürgschaften verzichtete. Man habe sich ‚absolut keinen Kopf gemacht‘, sagt Präsident Zingler, das Unternehmen sei schließlich sehr transparent. Und auch Sportdirektor Christian Beeck sagte: ‚Autoteile – da weiß jeder, was man hat.‘ Anders formuliert: Ein neues Abenteuer, das im Fiasko endet, wollte der 1. FC Union vermeiden.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Felix Magath für Arme”

  1. Schweinchen Schlau
    Mittwoch, 23. September 2009 um 16:03

    Kaiserslautern als Thema beim indirekten Freistoß. Und dann auch noch positiv. Dass ich das nochmal erleben darf 🙂

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