Bundesliga
Dieser Auftritt hat den Boulevard total überfordert
| Donnerstag, 8. Oktober 2009Der „höfliche Monsieur Favre“ redet sich in der selbst anberaumten Pressekonferenz wohl um Teile seiner Abfindung, Preetz widerspricht inhaltlich und die FAZ ist angewidert darüber, was andere draus machen
Keine selbstgerechte Note
Stefan Osterhaus wundert sich in der Financial Times Deutschland über Favres selbst inszenierte Schlussworte bei der Abreise aus Berlin: „Wann hatte es so etwas gegeben? Ein Trainer beruft nach seiner Entlassung eine Pressekonferenz ein – um sich zu erklären. In der Bundesliga verschwindet das Personal auf der Bank nach Rausschmiss für gewöhnlich grußlos.“ (Oder es hat einen Auftritt bei Stern-TV, fb.) Favre sei „erstaunlich konkret“ geworden. Von der plötzlichen Bereitschaft, nun doch zu investieren, sei Favre überrascht. Außerdem sei er zu viele Kompromisse eingegangen. „Doch seine Schelte hatte keine selbstgerechte Note. Und dann sagte er einen Satz, den niemand für vorstellbar gehalten hatte.“ Dass Dieter Hoeneß‘ Demission vom Klub nicht verkraftet worden sei. „Das saß. Und bestätigte nebenbei, dass der vermeintlich despotische Manager als Integrationsfigur des Klubs deutlich wichtiger war, als dies von seinen Kritikern gesehen wurde.“
Selbstdemontage – und „hinter den Kulissen“
Gänzlich konträr bewertet Uwe Bremer den Auftritt Favres in der Welt: „Der Schweizer demontierte sich bei seiner Abschiedsrede selbst. Nach dieser Vorstellung dürfte es für ihn schwer werden, noch einmal einen Bundesligisten zu trainieren.“ Bemerkenswert nannte Favre, dass Gegenbauer jetzt die Bereitschaft zu Nachkäufen signalisiert habe. „Das ist eine schallende Ohrfeige für den Klubpräsidenten. Dabei hatte Werner Gegenbauer Lucien Favre stets vorab über den kleinen Etat der verschuldeten Berliner unterrichtet.“ Und Favres Kommentar zum Abschied Hoeneß‘ ordnet Bremer ganz unten ein: „Das ist nun ein Treppenwitz. Richtig ist: Ex-Manager Hoeneß hat in seinem letzten halben Hertha-Jahr viel Zeit auf eine doppelbödige Strategie verwendet. Öffentlich wurde der damals erfolgreiche Favre gelobt, hinter den Kulissen (‚Mal unter uns‘) aber nichts unversucht gelassen, um den Trainer in Misskredit zu bringen. Das war so, auch wenn Hoeneß das vehement bestreitet. (…) Wenn es die Absicht Favres und seiner Berateragentur war, sich am Dienstag für weitere Engagements in der Liga zu empfehlen, ist das Gegenteil gelungen.“
Jeder einzelne Transfer
Auch die Reaktion vom neuen Manager, Michael Preetz, auf die Vorwürfe Favres gibt es schon bei der Berliner Zeitung, wie sie Michael Jahn erfragt hat:
„Preetz: Die Personalpolitik für diese Spielzeit war in allen Punkten mit Lucien Favre abgestimmt. Sie ist im Bewusstsein der wirtschaftlichen Gegebenheiten erfolgt, die dem Trainer zu jedem Zeitpunkt bekannt waren. In jedem einzelnen Fall – ob Transfers oder Leihgeschäfte – lag die Zustimmung von Favre vor.
Es ist also von Ihnen kein Profi geholt worden, den Favre etwa nicht wollte?
Preetz: So ist es. Jeder Transfer ist im Einvernehmen von Favre und mir erfolgt. Jeder.
Das trifft also auch auf Stürmer Artur Wichniarek zu? Favre sagte, er wolle nur Spieler holen, die Perspektive haben oder später verkauft werden können.
Preetz: Meine Aussagen treffen auch auf Wichniarek zu. Natürlich. Favres Behauptungen, dass seine Transfer-Philosophie nicht berücksichtigt wurde, entbehrt also jeder Grundlage.“
Schlamm, Schmutz und Unrat – von Petzen und Sykophanten
Peter Körte lässt kein gutes Haar an Kollegen (?), die nicht nur im Falle von Favres Abschiedsgruß zu kurz blickten und noch kürzer schrieben. In seinem Blog bei der FAZ räumt er im Wortsinne auf: „Keine Ahnung, wie viele Putzkolonnen man benötigen würde, um all den Schlamm, Schmutz und Unrat wegzuräumen, den der Berliner Boulevard in den letzten Tagen abgesondert hat, um all die Lügen, Inkompetenzen und Charakterlosigkeiten beiseite zu räumen, die da aufgetürmt wurden, von den unmissverständlichen Aufforderungen, Lucien Favre rauszuwerfen, bis zur von keinerlei Kenntnis getrübten Apostrophierung des bedauernswerten Sascha Burchert als „Torwart-Trottel“, als bestünde Journalismus darin, möglichst grenzdebile Nominalkomposita zu bilden und als gäbe es die Auszeichnung zum Mitarbeiter des Monats, wenn dabei auch noch eine Alliteration gelingt. Wer auch nur ein wenig von Fußball versteht, hat sofort gesehen, welche Fehlerquellen für die Gegentore verantwortlich waren; und wer nur Auszüge aus Lucien Favres Pressekonferenz im Adlon gesehen hat, hat begriffen, dass dieser Auftritt den Boulevard total überfordert hat, weil er zwar ein wenig verschroben und kryptisch war, aber hinreichend komplex und differenziert, um sich der Formel von der ‚Abrechnung‘ zu entziehen. Man fragt sich bei all dem gar nicht mehr nach der journalistischen Substanz, dem nachrichtlichen Wert, sondern nur danach, wer denn nun die Singvögel, Whistleblower, Petzen, Sykophanten sind, die ihre Informationen eifrig auf den Boulevard werfen: Spieler, Verantwortliche, irgendwelche Adabeis, Leute also, die Kampagnen initiieren wollen, deren Folgen zu überblicken sie zu beschränkt sind?“
Viel zu schade eigentlich, es an dieser Stelle mit dem aktuellen Fall in Berlin zu vermengen – dennoch der Hinweis auf das höchst lesenswerte und aufschlussreiche Interview von Henning Sußebach und Stefan Willeke mit Sebastian Deisler, der heute sein Buch veröffentlicht, in der Zeit.
Im Tagesspiegel findet sich das komplette Vorwort des Buches aus der Feder von Ottmar Hitzfeld, an dessen Ende er Deislers Rückkehr in den Fußball als Jugendtrainer fordert, oder besser: vorschlägt.
Kommentare
10 Kommentare zu “Dieser Auftritt hat den Boulevard total überfordert”
Donnerstag, 8. Oktober 2009 um 07:00
Nicht „Uli Hoeneß‘ Demission“, sondern „Dieter Hoeneß‘ Demission“
Donnerstag, 8. Oktober 2009 um 07:14
Natürlich, Dankeschön. Ist korrigiert.
Donnerstag, 8. Oktober 2009 um 10:42
Und? Hat der Dieter Hoeness es vielleicht nicht gewusst, aber zumindest doch gefuehlt? Wirklich schade, dass die beiden nicht konnten. Denke, dass es mit D.H. so nicht gelaufen waere, nicht haette laufen koennen.
Donnerstag, 8. Oktober 2009 um 12:00
Mit einigem Erstaunen habe ich die gestrigen Entwicklungen um die Pressekonferenz des beurlaubten Hertha-Trainers Lucien Favre und dessen Managements verfolgt, insbesondere die Art, Form und Inhalte der darauf auftauchenden offiziellen Reaktion seitens Hertha BSC und die der Medien.
Ich erlaube mir hier exemplarisch anhand des Artikels „Farce am Brandenburger Tor“ von Uwe Bremer aus der Online-Ausgabe der „Welt“ (http://www.welt.de/die-welt/sport/article4760222/Farce-am-Brandenburger-Tor.html) dazu eine Darlegung meines Betrachtungswinkels abzugeben.
Grundsätzlich ist es überraschend, dass Herr Favre und sein Management den Weg dieser seit 2. Oktober 2009 angekündigten Pressekonferenz gewählt haben – darüber hinaus ist es verwundernd, wie wenig professionell und sachlich Hertha BSC im Vorfeld und Nachgang dieser Entwicklungen agiert hat.
Nimmt man sich die einzelnen Aussagen des Herrn Favre und stellt diese in einen Kontext zu Form und Ablauf dieser Pressekonferenz sowie den nachfolgenden Reaktionen seitens Hertha BSC und einiger Medien, dann ergeben sich schon einige interessante Fragen und Bilder.
Aber im Einzelnen zu den Äußerungen und Reaktionen:
1. „Spieler nicht gegen den Trainer“.
Soweit dies verfolgbar war, hatte Herr Favre zu keinem Zeitpunkt behauptet, Spieler würden gegen ihn agieren. Da dies in den Medien und offenbar aber auch seitens des Hertha-Geschäftsführers Preetz öffentlich kolportiert wurde, dürfte diese Stellungnahme schlicht einem Autoritätsverlust des Trainers Favre vorbeugen sollen. Die Verhaltensweisen des Spielers Friedrich waren in den vergangenen Spielen auf dem Platz und anhand dessen Äußerungen hinsichtlich Sprachproblemen etc. ersichtlich.
2. „Hertha wird nicht absteigen“
Herr Favre hat soweit dies mitzubekommen war, zu keinem Zeitpunkt von einem Abstieg gesprochen. Da mit Herrn Funkel nun ein Trainer explizit gegen den Abstieg verpflichtet wurde (samt Nichtabstiegsprämie in Höhe von 250.000,–), man seitens des Präsidiums von Hertha BSC offenkundig tatsächlich eine konkrete Abstiegsangst hat und auch die Medien und Fans klare Befürchtungen haben, ist es durchaus nachvollziehbar, wenn Herr Favre (aus Prestigegründen?) darauf hinweist, dass der bisherige Kader – an dem er mit beteiligt war – bei voller Mannschaftsstärke kein Abstiegskandidat ist. Hier kann man sicherlich geteilter Meinung sein, die aber eben auch davon abhängt, ob Spieler ein Ihnen zu vermittelndes System zu adaptieren bereit sind oder aber lieber so spielen wie sie es für richtig halten. Im Fall Favre war dieser Kader offensichtlich auf Lernbereitschaft und Zusammenwachsen ausgerichtet, der bis Weihnachten in die Erfolgsspur zurückkehren sollte. Vor allem etablierte Spieler haben allerdings ihre zugedachten Aufgaben offenkundig (bisher) nicht wahrnehmen können – oder wollen.
3. „10 Millionen Investitionen im Winter“
Diese Äußerung fiel klar in Zusammenhang mit diesbezüglichen Äußerungen des Herrn Gegenbauer weitere Investitionen nicht auszuschließen. Wenn Herr Gegenbauer gegenüber Herrn Favre zuvor den Investitionshahn kompromisslos zugedreht hatte und ein „schmoren nur im eigenen Saft“ „befahl“ (sprich: Investitionen nur aus Einnahmen aus Verkäufen und Verleihgeschäften sowie Zusatzeinnahmen aus Europa League/Pokal unter garantierter Abführung von € 5 Millionen an den „Verein“) und jetzt plötzlich doch Geld sieht, ist eine Reaktion aus der Sicht von Herrn Favre berechtigt, dem ein erhöhter Investitionsspielraum auch gut zu Gesicht gestanden hätten.
Herr Favre formulierte dies nach meinem Eindruck wie folgt: Mit 0,5 Millionen bekommt man keine wirklichen Verstärkungen (sprich Schnäppchen sind hoffnungsvolle, aber keine sofortigen Perspektivspieler), für diese braucht man 10 Millionen (sprich: Der Wert klarer Perspektivspieler ist schon erkannt und dadurch höher, sowie bekommt man gestandene Top-Spieler nicht für Preise von alternden Stürmern eines Bundesliga-Absteigers).
Dies entspricht ohne Zweifel der Realität. Herr Gegenbauer hat dem nach der Lektüre der Hertha-Pressemitteilung auf die Äußerungen von Herrn Favre in der Pressekonferenz auch nicht widersprochen. Er hat nur noch einmal bestätigt, dass Herrn Favre ein mehr als begrenzter Etat zur Verfügung gestellt worden war. Das Herr Favre überrascht und ggf. auch verbittert darüber reagiert, dass neben den mittlerweile bekannten Abfindungen von 3,5 Millionen für Management/Trainer trotzdem weiteres Geld im Winter da sein soll, kann aufgrund seiner Demission nicht verwundern.
Hier muss die Frage erlaubt sein, warum nicht Herrn Favre vor der Saison die Spieler „gestattet“ worden sind, die dieser eigentlich wollte und stattdessen eben – zumindest zum Teil – die Dritte oder Vierte Wahl geholt werden musste. In der Pressekonferenz sagte Favre deutlich und vollkommen zu recht, dass Hertha BSC nicht nur wesentliche Stützen abgegeben hat, sondern auch die geringsten Investitionen aller Bundesligisten getätigt hat. Hertha BSC hat also offenkundig vorn der Fähigkeit Favres zur Entwicklung von Spielern und einer Mannschaft auf „low cost basis“ profitieren wollen und diese Zockerei mit der Entlassung Favre in die Schuhe schieben wollen.
4. „Hoeneß“
Auch hier waren mir bisher keine Aussagen direkt von Herrn Favre bekannt, in denen er gegen Herrn Hoeneß geschossen hatte. Die Äußerungen, die Herr Favre auf der Pressekonferenz in Richtung des Herrn Hoeneß tätigte waren auch weder lobender noch kritischer Natur: Er habe nicht gegen diesen geschossen, er sei diesem Dankbar von ihm nach Berlin geholt worden zu sein und Hertha BSC habe den Abgang von Hoeneß nicht verkraftet. Zwischen Trainer, Manager und Präsident gibt es immer divergierende Interessenlagen. Durch den Hoeneß-Abgang kam es offenbar zu einem Machtvakuum, das Favre die Durchsetzung seiner Spielerwünsche gegen die Sparvorgaben des Herrn Gegenbauer nicht wie offenbar zuvor unter Hoeneß ermöglichte. Sicherlich kamen zuvor auch oft eher Hoeneß-Wunschspieler, allerdings eben nicht nur „Billigvarianten“. Wenn also ein „Sturkopf“ wie Herr Gegenbauer (egal aus welchen Beweggründen) den Investitionsspielraum kappt, dann erschwert dies ganz sicher die Arbeit eines Trainers vor allem in Bezug auf Transfers und in der Folge werden die Konstanten für eine erfolgreiche Mannschaft immer weniger.
Das Herr Hoeneß weg sollte ergab sich spätestens mit den –überzogenen anmutenden – Reaktionen von Herrn Gegenbauer nach dem Auftritt von Herrn Hoeneß im Aktuellen Sport Studio Ende 2008 – und wurde klar von Herrn Gegenbauer betrieben. In der Folge kam es offenbar erstmals dazu, dass ein Wunschspieler von Hoeneß nicht verpflichtet wurde (Junior Caesar), angeblich wegen des Vetos des Präsidiums. Dies schob man aber auf Favre und entwickelte dann daraus offenbar die Strategie, der Trainer wolle nicht mehr mit dem Manager und kam im Juni 2009 zum Vollzug, was Herr Preetz zumindest mitspielte.
Hier muss die grundsätzliche Frage erlaubt sein, warum man Herrn Hoeneß ein Jahr vor dessen Vertragsende und offenbar ohne erfolgte Übergaben mit samt des vollen Jahressalärs vorab bei Hertha BSC entfernt hat? Herrn Favre als Grund vorzuschieben ist wenig glaubwürdig.
In Anbetracht der katastrophalen Hinterlassenschaften von Herrn Hoeneß wäre man eine fristlose Kündigung ohne Goldenen Handschlag weit angebrachter gewesen. Wurde Herrn Hoeneß etwa zu Lasten von Herrn Favre die „Flucht durch die Hintertür“ mit einem „gut gefüllten Säckel voller Dukaten“ ermöglicht, bevor das „Kartenhaus“ für jedermann sichtbar beginnt zu wanken?
Stellt sich die Frage: Wozu das alles und vor allem warum unter Nutzung des bis zu seiner Pressekonferenz schweigenden Herrn Favre? Wurde hier etwas „inszeniert“, auf das Herr Favre reagieren musste, um nicht das alleinige „Bauernopfer“ zu sein?
5. „Zu viele Kompromisse gemacht, auch im Sommer“
Spieler mit Perspektive zu verpflichten, die man gewinnbringend verkaufen kann ist eine sicherlich richtige Sichtweise. Das wird kaum jemand bestreiten. Hier sei exemplarisch auf die mittlerweile bei Manchester United herrschende Geschäftspolitik verwiesen. Nur ist es ein Unterschied, ob man die besten Jungen kauft und weiter entwickelt (z.B. Diego bei Werder Bremen) oder aber die bisher nicht ausgereizten jungen Spieler erst an den Punkt bringen muss, an dem sie „wertvoll“ werden.
Bengtsson scheint tatsächlich so was wie ein Wunschspieler Favres zu sein, Pejcinovic begrenzt. Von beiden aber gleich Stammkraftpotenzial zu erwarten bzw. mangels Alternativen gar nicht anders zu können musste fast zwangsläufig zu Fehlern führen. Ramos war offensichtlich nicht die erste Wahl und hat sicherlich Ansätze – nur ist er eben kein fertiger Spieler der Kategorie eines Grafité etc – sprich: Auch der muss sich eingewöhnen. Janker ist ein klarer Hoeneß-Transfer zu Lasten von Chahed – im Übrigen ist Janker einer der besten Freunde von Sebastian Hoeneß.
Das Thema Wichniarek zeigt, wie Favre sich hat für Hertha BSC einspannen lassen.
Wie auch zuvor bei Andre Lima (3,5 Millionen in den Sand gesetzt), hatte Favre von anderen getätigte Transfers nicht verteufelt, sondern als vom Verein „gewollt“ dargelegt. Das dem nicht so war erschließt sich schon aus der Philosophie Favres, Wichniarek war offensichtlich eine vom Hertha-Management gewollte Billiglösung von der man sich ein paar Tore gegen wenig Geld versprach.
All dies unterstreicht: Favre hat tatsächlich zu viele Kompromisse gemacht und hätte entweder nie nach Berlin kommen sollen oder aber sich nach der vergangenen Saison – ggf. gegen eine Ablöse für Hertha BSC – zu einem Club gehen sollen, der ihm seine Ansprüche ermöglichte. Ansprüche eben wie Holtby, Geromel etc. . Favre sagte sicher nicht ohne Grund vor einiger Zeit, dass er es gewohnt war, dass die besten jungen Spieler der Schweiz von ihm geholt werden konnten und dass Hertha eben nicht die besten jungen Spieler Deutschlands anzieht. Eine – leider – unbestreitbare Tatsache.
Herr Preetz hat in der Presseerklärung zu der Pressekonferenz von Herrn Favre auch nichts gegenteiliges dazu darlegen lassen, er hat nur bestätigt, dass Favre nur einen sehr engen finanziellen Rahmen hatte und in der Folge dementsprechend nicht die Spieler bekam, die er wollte. Ein Widerspruch zu den Äußerungen Favres war nicht zu erkennen, auch weil Herr Favre gar nicht direkt attackierte, sondern Rahmenbedingungen und seine – falschen – Reaktionen darauf darlegte.
Ist es daraus folgernd nicht sogar richtig, dass Favre sagte, diese Situation hätte früher oder später an die Wand führen müssen?
Nimmt man also die simplen Fakten sowie die Reaktionen von Hertha BSC auf die Pressekonferenz sind die in den Medien dargelegten bzw. sogar in den Mund Favres geschobenen Behauptungen schlicht und ergreifend unwahr und verfälschend.
Hier stellt sich die Frage, warum man das macht?
Sicher, Herr Favre wirkte angespannt und unsicher. Also warum geht man nicht dem nach, warum es überhaupt zu dieser Pressekonferenz kam? Warum wird nicht herausgearbeitet, warum Favre mit vorbereiteten Statements agierte und von diesen nur ja nicht abwich? Dies nicht nur in Berlin, sondern ohne „persönliche Sprachbarriere“ dann noch mal in der Schweiz, auf Deutsch wie Französisch?
Warum wird nicht noch weiter nacharbeitet, was ebenfalls Uwe Bremer dankenswerterweise heraus stellte: Das ein hoher Bundesligamanager (nachlesbare Mutmaßungen deuten auf Uli Hoeneß?) Herrn Favre drohte, sich nicht negativ über Dieter Hoeneß und dessen Gefolgsleute (Sauer, Felder?) zu äußern? Womit wurde gedroht? Link dazu: http://www.morgenpost.de/sport/article1185482/Wie-sich-Herthas-Ex-Trainer-Lucien-Favre-entzauberte.html. Wenn sogar das Management Favres weitergehend bedroht wurde, dann muss es hier zu offiziellen Ermittlungen kommen, in der Schweiz wie in Deutschland.
Ist es hier nicht auch wichtig heraus zu stellen, was Favre wirklich über Hoeneß denkt bzw. was die Herren Gegenbauer-Hoeneß-Preetz etc. intern bei Hertha BSC veranstaltet haben und mit welchen Folgen für eben Hertha BSC und seine Mitglieder, Fans, Sponsoren etc. bis hin zur Stadt Berlin mit ihrem Umland und auch der DFL?
Ist es nicht so, dass die Aussagen von Herrn Favre bei der Pressekonferenz sich eindeutig nicht nur auf die Situation seit dem Hoeneß-Abgang sondern vor allem auch die Zeit davor bezogen – mithin sogar eine saftige und deftige Kritik an der Zusammenarbeit mit Herrn Hoeneß und auch an dessen Fähigkeiten zumindest zwischen den Zeilen rüber kam?
Warum wird dann von Seiten bestimmter Medien so getan, als wäre Herr Favre (ernsthaft) auf die Seite von Herrn Hoeneß gesprungen und hätte auf der anderen Seite die sich „verraten und verkauft“ fühlenden Gegenbauer/Preetz/Schiller zurück gelassen, die für sich in Anspruch nehmen für Hertha BSC zu stehen? Wird diese Form der Darstellung von Herrn Gegenbauer so etwa „gewünscht“ und was bezweckt dieser damit?
Warum wird sich jetzt so oder so nur noch mit Schuldzuweisungen beschäftigt und mit einem Stellen auf die eine oder andere Seite? Vor allem: Warum rennen bestimmte Teile der Presse gerade so vehement auf die Seite von Gegenbauer/Preetz und auch Schiller, obwohl diesen Herren – insbesondere Herrn Gegenbauer – dieselbe Verantwortung am möglicherweise nahen Ruin Hertha BSC´s trifft wie vor allem Herrn Hoeneß?
Warum nutzt man also Herrn Favre jetzt so offensichtlich als „Sündenbock für alles“ – obwohl dieser nicht das eigentliche Problem ist – aber den Mut hatte, diese Probleme (wenn auch zumindest teilweise mit zu hinterfragendem Wahrheitsgehalt) anzusprechen auch wenn es ihn seine Abfindung kostet?
Das eigentliche Problem ist und bleibt der katastrophale sportliche und finanzielle Zustand von Hertha BSC und die dafür Verantwortlichen sowie der Dominoeffekt der dahin führenden Fehler und Verantwortungen der Vergangenheit (samt der Profiteure daraus)!
Ist es nicht jetzt an der Zeit, Herrn Gegenbauer aufzufordern, alle Karten ungeschminkt auf den Tisch zu legen und zu sehen, ob Hertha BSC überhaupt noch eine Zukunft hat oder aber was notwendig wäre, um eine (prosperierende, nicht aber dahin siechende) Zukunft zu ermöglichen?
Vor dem Hintergrund der sich immer weiter verdichtenden Gesamteindrücke muss darauf gepocht werden, endlich einmal alles im Gesamtzusammenhang darzustellen. Dazu muss das Präsidium bzw. der Präsident des Hertha BSC e.V. und die Geschäftsführung der Hertha BSC KGaA öffentlich nachvollziehbar auffordert werden, die zu tun. Die Reaktion darauf wird schon viele Rückschlüsse ermöglichen.
Samstag, 10. Oktober 2009 um 02:27
Die Frage ist doch eher, warum macht der Favre diese Berliner Runde. Er waere doch nach fuenf Spieltagen vergessen gewesen. Und Leistung kommt doch immer zurueck.
„Vor dem Hintergrund der sich immer weiter verdichtenden Gesamteindrücke muss darauf gepocht werden, endlich einmal alles im Gesamtzusammenhang darzustellen.“ Laberrabarber.
Es scheint doch vielmehr so zu sein, dass von interessierter Seite im Duktus eines (laenger nicht mehr praktizierenden) Rechtsanwalts geschrieben und geklittert wird.
Nur interessiert es halt niemanden, ausser so ein paar mehrsprachige Indianer halt.
Viel interessanter ist doch die Verpflichtung von Funkel. FUNKEL! Sind die wahnsinnig oder panisch in Berlin?
Samstag, 10. Oktober 2009 um 14:16
@ Lena:
Sicher ist die Frage interessant, warum Favre so handelte – allerdings ist das Ergebnis egal in welche Richtung wenig geeignet, Änderungen herbei zu führen bei Hertha BSC.
Hinsichtlich Ihrer Hoeneß-“Zuneigung“ empfehle ich Ihnen mal einen blick auf die sportliche wie finanzielle Bilanz des Herrn Dieter Hoeneß, der sich mit einem Goldenen Handschlag aus dem Staub machte und „das marode Schiff“ verließ.
Exakt hier treffen die Forderungen zur Aufdeckung aller Gesamtzusammenhänge: Rückwirkend für die Hoeneß-Ära und mit den Auswirkungen für die nächsten 10 Jahre.
Das mag aus der Sicht praktizierender Hoeneß-Fans gerne als „Laber-Forderung“ dargestellt werden – allerdings geht es hier eher um knallharte Analysen mit unmissverständlichen qualitativen wie quantitativen Ergebnissen. Sprich: Weit über anwaltliches Niveau hinaus gehend.
Die Verpflichtung des Trainers Funkel ist nur eine Folge, eben ein Symptom – nicht aber eine Erforschung der Ursachen.
Ob mit oder ohne Funkel hat Hertha BSC keine Zukunft – wenn sich nicht grundlegend etwas ändert- Für Änderungen bzw. die Suche und Findung von Lösungen, muss man aber erst die gesamten Probleme überblicken können. Wie gesagt: Weit über anwaltliches Niveau hinaus.
P.S.: Einfach mal anschauen, was Hoeneß beim VfB Stuttgart hinterließ und was von den ihm zugeschriebenen Erfolgen wirklich auf ihn zurück ging. Könnte „heilsam“ sein.
Montag, 12. Oktober 2009 um 15:32
Anstelle von Laberrabarber:
Zunaechst bin ich Fussball Fan. Fan von gutem Fussball.
„Exakt hier treffen die Forderungen zur Aufdeckung aller Gesamtzusammenhänge: Rückwirkend für die Hoeneß-Ära und mit den Auswirkungen für die nächsten 10 Jahre.“
Sie koennen ja mal bei der Birthler Behoerde anfragen, die haben doch immer Interesse an jahrzehntelanger Aufarbeitung von jahrzehntelangem Unrechtsunwesen. Naja. Vergangenheit im Fussball ist doch schlicht Ergebnisdienst.
Es gibt keine sinnvollen Erkenntnisse aus dem wilden Treiben der Fruehzeit zu gewinnen, alles bleibt bei rein anekdotischer Relevanz. Die Rahmenbedingungen sind anders und aendern sich. Selbst die gleichen Personen aendern sich und agieren spaeter veraendert – man gebe einfach einem in der Mannschaft eine Gehaltserhoehung. Und zu glauben, man koenne eine Art Gesamtzusammenhang darstellen oder gar aufdecken und Schlusse fuer die naechsten 10 Jahre ziehen ist schon fast ruehrend.
Da soviel Glueck und Zufall ist in diesem Sport, halte ich wenig von Ihrem Vorhaben. Klar, Standort bestimmen und Ziele formulieren, gucken, wo sind die Engpassfaktoren, wo brennts, was laeuft gut, wie teile ich meine knappen Ressourcen ein, was gibt der Markt her an Mitteln (Trainer, Spieler) fuer mein Geld, mach ich eher eine Spotmarkt-Mannschaft, kaufe mir also zusammen, was da ist und was geht und gucke das beste draus zu machen oder gibt es ein laengerfristigen Plan, welches Spielsystem oder noch besser gibt es eine Vision fuer das Spielsystem und das mit einem „erfolgreichem“ Trainer, klar, das und vieles mehr gehoert analysiert, dann wird geplant und umgesetzt und dann laeuft alles ganz anders und nichts wie geplant. Das ist Fussball.
Und hier gilt es eben eingreifen zu koennen, managen zu koennen, im Gefuehl fuer die Details wirksam Akzente zu setzen, damit sich Entwicklungen, zumeist ja Niederlagenserien, nicht ewig fortsetzen. Reizen, schuetzen, mal draufhauen. Dieter Hoeness kann das meiner Meinung nach, nicht perfekt aber besser als die meisten. Viele denken doch die Schoenheit ihrer Powerpoint Konzepte ist die ganze Miete. Alles kluge Koepfe ohne Frage, aber dann kommt der Stress und der Trubel und dann wirds haeufig peinlich.
Ich bleibe dabei, mit Hoeness und Favre waere diese Saison besser gelaufen fuer Berlin. Aber das bitte nicht gleichsetzen mit Fan von Hoeness sein. Danke.
Montag, 12. Oktober 2009 um 15:59
@ Lena
O.K. Verstanden – und akzeptiert.
Allerdings ist die Facette des sportlichen leider nur ein Teil des Wirkens von Dieter Hoeneß & Co. (es geht explizit nicht nur um die „Ergebnisse des Wirkens“ von Dieter Hoeneß).
Es geht vielmehr um um die Auswirkungen im Bereich der wirtschaftlichen Aktivitäten, der aufgebauten Verschuldung sowie der Tatsache, dass man mittels Knebelverträgen Hertha BSC für die nächsten 5-10 Jahre „Hände und Füße“ zusammengefesselt hat, so dass die aufgebauten Verbindlichkeiten auf der Einahmeseite nicht ausreichend Spielraum zur Bedienung ermöglichen. Sprich: Hertha BSC steht vor dem möglichen Ruin.
Man hat es Dieter Hoeneß schlicht zu leicht gemacht, die Substanz von Hertha BSC „von innen nach außen zu kehren“ und bei seinem Abgang (mit Goldenem Handschlag“ „eine aufgeblähte, aber kaum substanzhaltige Blase“ zu hinterlassen.
Es wurde schlicht die Zukunft von Hertha BSC verkauft um wenige Jahre in der Vergangenheit groß auftrumpfen zu wollen (und es im Verhältnis zu den Investitionssummen eben nicht hinbekommen hat) und um sich als „Baumeister“ hinstellen zu können.
Dieter Hoeneß wollte und will sich feiern lassen. Für seine angeblichen Leistungen, für das was er angeblich geschaffen hat – genauer: gegen unendliche Verschuldung von Hertha BSC finanziert – etc.
Welche Berechtigung sollte er dazu haben? Er hat als Verantwortlicher Hertha BSC an den Rand des Ruins getrieben und dabei all das verschachert, was neben den Zuschauern Einnahmen für Hertha BSC bringen kann – auf lange, lange Jahre.
Jetzt ist Hoeneß weg, möchte auf „elder Statesman“ machen und will urplötzlich mit Hertha BSC abgeschlossen haben.
Klar: Jetzt kommt nämlich raus, was da gestümpert, versagt, gelogen, verramscht, geschachert und „umverteilt“ etc. wurde.
Ehre, wem Ehre gebührt – aber auch Schande, wem Schande gebührt.
Das gilt vor allem auch für Dieter Hoeneß.
Die „Mitstreiter“ wie Gegenbauer und Schiller – aber auch Preetz – müssen für die verratene und verkaufte Zukunft von Hertha BSC genauso im Fokus stehen.
Montag, 12. Oktober 2009 um 16:59
Ok. Und ich verstehe nun auch Ihr Anliegen. Das einzig troestliche, was man einem Hertha Fan sagen kann, ist, dass sie da nicht alleine sind.
Und jetzt wirds lustig: Nicht nur andere Vereine machen das, sogar „der Staat“ verkauft seine Zukunft, um heute Monsterzocker auszuloesen. Wir alle zahl(t)en mit Kredit und fuehl(t)en uns reicher. Also vielleicht doch ein Fall fuer Birthler.
Dienstag, 13. Oktober 2009 um 15:26
Ergänzend erlaube ich mir, den folgenden Link einzustellen:
http://www.tagesspiegel.de/sport/Dieter-Hoeness-Hertha-BSC;art15527,2921197
Von besonderem Interesse dürfte dabei die „rege Diskussion“ in den Kommentaren unterhalb des Artikels sein, in der es um einige sehr wesentliche Hertha BSC betreffende Sachverhalte und Personen geht.
In diesen Kommentaren wird auch auf einige weitere, nicht gerade unbedeutend wirkende Links verwiesen.