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Fehlende Fähigkeit zur Empathie

Frank Baade | Dienstag, 13. Oktober 2009 Kommentare deaktiviert für Fehlende Fähigkeit zur Empathie

In diesem Falle müsste die Rubrik „Portrait“ eher „Selbstportrait“ heißen, denn ein solches hat Louis van Gaal von sich verfasst, die SZ war bei der Buchvorstellung, aus den Niederlanden erfährt man mehr zum Inhalt

Gottesdienst und Verkaufsveranstaltung

Ulrich Hartmann (SZ) schwant Böses für zukünftige Fragen an den gestrengen Mijnheer van Gaal, nachdem er bei der Buchvorstellung in der Amsterdam ArenA war, wo van Gaal im Stile eines „selbstbewussten Predigers und Dozenten“ via Mikrofon die Halle beschallte. 2005 hätte er den Entschluss gefasst, „das ultimative Buch über sich und seinen Fußball zu schreiben.“ Neben seinen vorherigen Stationen gehe van Gaal in seinem Buch auch auf die insgesamt fünfmaligen Avancen ein, die der FC Bayern ihm gemacht habe, bei denen der Klub sich bekanntermaßen zunächst vier Körbe einholte. In seinem Buch beschreibe van Gaal die Situation beim letztmaligen, schließlich erfolgreichen Werben der Bayern so, dass Uli Hoeneß sofort klargemacht habe, dass er van Gaal als Trainer wolle, während Karl-Heinz Rummenigge sich erst von van Gaal habe überzeugen lassen müssen. Auch Dortmund und Schalke hätten früher schon um van Gaal gebuhlt. Der Topklub sei aber Bayern, „mit einer Vision und enormer Ausstrahlung“ und natürlich habe es van Gaal geschmeichelt, dass dieser Klub ihn immer verpflichten wollte. (…) „Der 58-Jährige hat das Buch bewusst als Standardwerk angelegt, und genauso wird das Buch im Internet auch annonciert. ‚Willst Du auch klug werden und keine dummen Fragen mehr stellen? Dann bestell hier das Buch von Louis van Gaal‘, heißt es im Werbetext, und so wie van Gaal sich über all die Jahre auch immer wieder gegeben hat, als bisweilen knurriger, unwirscher Mensch, ist dieses Buch mit dieser Attitüde auch eine Generalantwort an seine Kritiker. Louis van Gaal wird es sich kaum nehmen lassen, künftig auch gerne einmal auf sein Buch zu verweisen.“

Lieber Call-Girls als einen geruhsamen Nachtschlaf

Auke Kook berichtet in der englischen Online-Ausgabe des NRC Handelsblad unter dem Titel „Van Gaal bestätigt unbeabsichtigt seine mangelnde Empathie“ detaillierter über den Inhalt des Werkes, das van Gaal „Biografie & Visie“ genannt hat. Van Gaal nehme ausführlich zu seiner größten sportlichen Niederlage Stellung, dem Scheitern in der Qualifikation zur WM 2002, als er mit Spielern wie Frank und Ronald de Boer, Patrick Kluivert, Phillip Cocu und Edwin van der Sar als haushoher Favorit mit glänzender Aussicht auf Erfolg startete, schließlich aber mit einer 0:1-Niederlage in Irland nicht mal diese Qualifikation überstand. „Van Gaal attribuiert das Scheitern seines Traumes, der erste Weltmeister-Trainer der Niederländer zu werden, dem unprofessionellen Lebensstil seiner Spieler, aber auch sich selbst zu.“ Die Spieler hätten sich mehr für Partys und Mädchen interessiert als für das Training. Zwar sei es zu keinen solchen Ausschweifungen gekommen, doch dass sich die Spieler viel mehr auf solche Dinge konzentrierten, sei „zu verrückt [gewesen], um es zu beschreiben“, lege van Gaal dar. Natürlich seien auch Verletzungen und die „Nandrolon-Affäre“ für das Scheitern verantwortlich, aber ebenso habe es persönliche Konflikte gegeben: Die Spieler seien mittlerweile zu Stars geworden worden und hätten nichts mehr mit den gefügigen Youngsters gemein gehabt, mit welchen van Gaal 1995 die Champions League gewonnen hatte. Gerade van Gaal hätte dies wissen müssen, denn er arbeitete folgend auch beim FC Barcelona mit diesen Spielern. Neben immer schlechterer Trainingsmoral seiner niederländischen Spielern, die er nicht zu beeinflussen gewusste habe, hätten sich dort die spanischen und brasilianischen Spieler über seine Methoden beschwert. Dass er gemeinsam in der Gruppe die Fehler jedes einzelnen offen diskutieren wollte, hätten diese als „hart und herabwürdigend“ empfunden. Beide Male habe er Barcelona schwer enttäuscht verlassen. Genauso sei es ihm bei Ajax ergangen, wo er als Sportdirektor als „zu fordernd“ und „zu direkt in seinem Ansatz“ kritisiert worden sei.

Kleinstadt-Jungs aus Alkmaar

Kook fährt fort: Van Gaal charakterisiere sich selbst in seinem Buch als einen fanatischen „Top Coach“, dem die Fähigkeit zur Empathie fehle. Dieses Eingeständnis mache er vielleicht ungewollt, aber die steifen Erzählungen in seinem Buch ließen ihn genau so wirken. Mit großen Egos anderer umzugehen, sei nie van Gaals Stärke gewesen. Am meisten Freude habe es ihm bereitet, mit den Kleinstadt-Jungs aus Alkmaar zu arbeiten, die er zur Meisterschaft führte. Gegenwärtig versuche er bei Bayern München wieder, mit Stars zu arbeiten. Zum Glück für ihn sei der deutsche Klub eine Bastion der Disziplin. Er fände dort alles, „was er für seine Standards erwartet“, schreibt van Gaal.

Zur Webseite von Louis van Gaal, die er eigens mit Erscheinen des Buches hat erstellen lassen, geht es hier entlang.

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