Champions League
Ein einziger gezielter Punch genügt
| Mittwoch, 4. November 2009„Erschreckend“ lautet die beliebteste Vokabel zur Niederlage der Bayern, der nur noch europäisches Mittelmaß darstellende Klub weiß keine Antworten; der FC Zürich verliert hoch, aber unter Wert in Marseille
Elisabeth Schlammerl findet in der FAZ immerhin einen Bayern-Spieler, auf den die Vokabel des Abends nicht zutraf: „Der erschreckend leidenschaftslos auftretende deutsche Rekordmeister verlor vor 66.000 Zuschauern zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren in der Champions League zu Hause. Danijel Pranjic knüpfte beinahe nahtlos an seine bisherigen schwachen Auftritte an, der andere Neuling in der Mannschaft wusste zu überzeugen. Martin Demichelis war bei den wenigen Vorstößen der Franzosen aus dem Spiel heraus zur Stelle – auch wenn es am Ende nichts Zählbares einbrachte.“
Jörg Hanau spricht von der „nächsten Watschn“, die Bayern zurecht kassiert habe (FR): „Mit erschreckender Einfallslosigkeit waren die Münchner in dieses wegweisende Gruppenspiel gegangen. Gegen die tief stehenden und physisch starken Franzosen fehlte den Bayern in den ersten 45 Minuten jedwedes spielerische Mittel, um für Gefahr zu sorgen. Aus dem von van Gaal propagierten Positionsspiel resultierten allenfalls Fehlpässe. Und wenn überhaupt einmal ein Ball in den Strafraum segelte, war dieser zuvor ziemlich sinnfrei und uninspiriert in hohem Bogen nach vorne geschlagen worden. Europäischer Spitzenfußball sieht anders aus. Ohne Franck Ribéry und Arjen Robben – dies ist allerdings keine wirklich neue Erkenntnis – ist der FC Bayern im Herbst 2009 nur die Hälfte wert.“
Weltpfeiftag des erbosten Publikums
Michael Neudecker (Berliner Zeitung) weist auf einen Nebenaspekt der Niederlage gegen Bordeaux hin, der sonst kaum zur Sprache kommt: „Der FC Bayern verliert bei der Heimpleite gegen Bordeaux auch die Unterstützung seiner Fans: Als Pranjic und Braafheid nach 15 Minuten den Ball verstolperten, pfiff das Publikum; als die Münchner nach einer knappen halben Stunde versuchten, das Spiel mit Querpässen zu beruhigen, pfiff das Publikum lauter. Am Dienstag war Weltmännertag, aber es sind ja dauernd irgendwelche Welttage, in München interessierte das ohnehin niemanden, dort veranstalteten sie ihren eigenen Welttag: den Weltpfeiftag. Das Publikum war sauer in der Arena, zu Recht: Der FC Bayern verlor 0:2.“
Bordeaux mit der Gefährlichkeit einer Anzeigetafel
„Erschreckende Schwächen“ hat auch Sebastian Winter (Spiegel Online) wahrgenommen: „Mit der Niederlage gegen Bordeaux hat das Image der Bayern einen weiteren Kratzer bekommen. Wenn man so will, sind sie auf dem besten Weg, im Mittelfeld Europas anzukommen – zu den besten Mannschaften gehörten sie schon lange nicht mehr.“ Den Beweis lieferten die Bayern in diesem Spiel selbst: „Girondins Bordeaux spielte clever, aber keineswegs gut. Das reicht zurzeit, um bei den Bayern 2:0 zu gewinnen.“ Arjen Robben habe zwar das Spiel sofort schneller und besser gemacht, doch damit vornehmlich die Mittelmäßigkeit seiner Kollegen unterstrichen. Und Antworten auf die nicht erst seit dieser Partie aufgeworfenen Fragen weiß man in München keine: „Sie finden kein Rezept gegen eine Krise, die die Spieler mehr und mehr zu lähmen scheint und auch den Verantwortlichen langsam Sorgen bereitet. Schon vor dem Spiel gegen Bordeaux hatte Manager Uli Hoeneß in einer bösen Vorahnung bekannt, nervös zu sein. Dass die Bayern sich womöglich aus der Champions League verabschieden, noch bevor Hoeneß sein Amt zum Jahresende Christian Nerlinger zur Verfügung stellt, war mit Sicherheit nicht sein Plan.“
Jürgen Schmieder (Sueddeutsche.de) vergleicht den abwartenden Spielstil der Münchner mit dem Boxer Henry Maske, der selten einen offenen Schlagabtausch zuließ und häufig nur nach Punkten gewann. Und Schmieder liest vom Statistik-Blatt der UEFA ab, warum die langen Ballstafetten der Münchner schließlich nicht zu Punkten reichten: „38 Mal spielten sich die Innenverteidiger Holger Badstuber und Martin Demichelis während der 90 Minuten den Ball quer zu, ihre Gegenüber Michael Ciani und Marc Planus kamen gerade einmal auf vier Zuspiele zueinander. Ein Kurzpassspiel nach vorne dagegen fand kaum statt: Der linke Außenverteidiger Edson Braafheid spielte während seiner 60 Minuten Dienstzeit keinen einzigen Pass auf den linken Mittelfeldspieler Pranjic, auf der rechten Seite brachte es Philipp Lahm auf gerade einmal drei Zuspiele zu Schweinsteiger – dafür passte Lahm sieben Mal zurück auf Torhüter Hans-Jörg Butt.“ Chancen hätten die Bayern auf diese Weise nicht kreiert. Und im Unterschied zu Henry Maske die entscheidenden Gegentreffer zugelassen: „Auch in der zweiten Halbzeit glänzte Bordeaux durch die Gefährlichkeit einer Anzeigetafel, es brauchte einen Stellungsfehler von Badstuber und ein ungestümes Herauslaufen von Butt, damit sich die Franzosen zu einem zweiten Treffer hinreißen ließen.“ Schmieders Fazit trifft aufs Glaskinn der Bayern: „Die Mannschaft dominiert seit Wochen viele Partien, doch genügt ein einziger gezielter Punch des Gegners, um die Münchner ins Wackeln zu bringen.“
Zu viel des Schlechten
In der NZZ relativiert Peter B. Birrer die hohe Niederlage des FC Zürich bei „OM“: „Was in den ersten 20 Minuten im Stade Vélodrome zu Marseille hereinbrach, war für den FC Zürich zu viel des Schlechten. Eigentlich. Man dachte sogar, dass er früh untergehen könnte. Er ging noch unter – aber erst am Schluss. Es brannte bisweilen überall. Aber weil Olympique Marseille derzeit keine grosse Mannschaft ist und das Spiel nach den ‚geschenkten‘ zwei Toren schleichend aus der Hand gab, fassten die Zürcher Tritt.“ Die schließlichen weiteren drei Gegentreffer „stellten den Abend in ein viel zu krasses Verhältnis. Aber wer sechs Tore zulässt, geht mit möglichen Gegenargumenten und Beschwichtigungen hinterher unter. Nimmt man die 190 Minuten zwischen den beiden Teams (Zürich und Marseille) in Rechnung, hätte der Schweizer Vertreter nie sechs Punkte verlieren dürfen.“
Kommentare
1 Kommentar zu “Ein einziger gezielter Punch genügt”
Mittwoch, 4. November 2009 um 12:56
[…] 4th, 2009 13:56 by Johannes · Keine Kommentare Im Blog indirekter-freistoss.de findet man einige Pressestimmen zur Niederlage gegen Bordeaux und dem erschreckend schwachen Spiel […]