Deutsche Elf
Oben lächeln, unten Bein stellen
| Montag, 8. Februar 2010Der böse Bube Bierhoff ist nicht allein verantwortlich für die Querelen, auch Zwanziger spielt mit allen Tricks, die er beherrscht, das Vertrauen ist weg, die Zeichen stehen auf Abschied, ganz wie bei Klinsmann
Hohn und Gelächter
In Warschau wurde nur kurz miteinander kommuniziert, berichten Robert Ide und Paul Flückiger (Tagesspiegel): „Hohn und Gelächter musste sich die gespaltene deutsche Delegation in Warschau anhören nach den Verhandlungen, die wegen überhöhter Forderungen von Bierhoff, Ultimaten von der Verbandsspitze um Zwanziger sowie Indiskretionen über mögliche Vertragsinhalte von bislang unbekannten DFB-Granden im Desaster endeten. (…) Eigentlich war nur eines herauszuhören: Sämtliche Seiten wollen jetzt irgendwie die WM überstehen und sich so lange halbwegs mit Sticheleien zurückhalten. Diesen Kurzzeitpakt hatte ein Krisengespräch zwischen Zwanziger und Löw in Warschau ergeben. Aber Löws Ärger darüber, dass unnötig Diskussionsstoff in die Öffentlichkeit getragen worden sei, ging darin nicht unter. Von gegenseitigem Vertrauen, das über die WM hinaus hält, war jedenfalls nichts zu vernehmen.“
Trugbild der heilen Fußballwelt
Wolfgang Hettfleisch erwartet trotz der Misstimmigkeiten (FR) professionelles Arbeiten jener, die selbst stets Leistung verlangten: „Es ist ja eine Mär aus Sepp Herbergers Tagen, dass sportlicher Erfolg aus Harmonie erwächst. Und die Legende von der lahmen Trainer-Ente, der die Spieler auf dem Kopf herumtanzen, weil das Ende naht, widerlegte zuletzt Luis Aragonés mit Europameister Spanien eindrucksvoll. Wenn es der Wir-AG mit der Doppelspitze Löw/Bierhoff also ernst ist mit der Ausrichtung an allgemeinen Management-Praktiken, darf ein gestörtes Verhältnis zur Verbandsspitze WM-Vorbereitung und Turnier nicht nachhaltig beeinflussen. (…) Wenn Millionen Fans etwas gelernt haben, dann dies: Die heile Fußballwelt in Schwarz-Rot-Gold, die der Öffentlichkeit gern vorgegaukelt wird, ist ein Trugbild. Es gibt, wie überall, Freund und Feind, Tricks und Intrigen.“
Quasi-Intellektueller ohne Lobby
Lars Wallrodt (Welt) erläutert die weit verbreitete Abneigung gegen Bierhoff: „Um diesen Punkt verstehen zu können, muss der Interessierte wieder zurückkehren zu jenem Sommerabend im Londoner Wembleystadion 1996. Und er muss wissen, dass Neid eine starke Triebkraft im Fußballgeschäft ist, wo das Auto die Visitenkarte und die Armbanduhr der Personalausweis der Profis sind.“ Sein Golden Goal war ein „echter Schuss ins Glück, der Bierhoff alle Türen öffnete: Er wechselte zwei Jahre später zum AC Mailand. Vor allem aber wurde eine gigantische Werbemaschine angeworfen. Allein 1998 hatte er acht Werbeverträge, unter anderem für Joghurt, Finanzfonds und Shampoo.Die konsequente Selbstvermarktung schürte Neid, auch unter den Kollegen. Einem Kumpeltyp wäre das Hochglanzleben vielleicht verziehen worden. Aber Bierhoff war nie ein Kumpel. Durch seine Sonderrolle als Quasi-Intellektueller und Italien-Profi fehlte Bierhoff die Lobby unter den Kollegen. Das könnte für ihn heute zum Fallstrick werden. Denn gerade im DFB ist ein Netzwerk überlebenswichtig.“ Allerdings sei nicht sein Image allein ursächlich: „Bierhoff ist vielen im DFB wohl eher suspekt, weil er wie der Gegenentwurf eines Verbandsfunktionär daher kommt: Dynamisch, unabhängig, attraktiv.“
Zeit ohne Druck ist vorbei
Bei einer Auflistung der Vorgänger Löws ordnet Sven Goldmann (Tagesspiegel) den Umgang des DFB mit Löw ein: „Der DFB war nicht zu allen nett, aber so stillos wie mit Löw ist er noch mit keinem umgegangen. (…) Es kam Jürgen Klinsmann ins Spiel, er war schon mal deshalb kein Wunschkandidat, weil er ‚den ganzen Laden auseinandernehmen‘ wollte. Der DFB hätte ihn kurz vor der WM auf Druck von ‚Bild‘ kalt lächelnd geopfert, wäre nicht zur rechten Zeit ein Sieg über die USA gekommen. Den Druck, dem Klinsmann in den eineinhalb Jahren vor dem Sommermärchen ausgesetzt war, hat sein Nachfolger Löw nie gespürt. Damit ist es seit dieser Woche vorbei.“
Gräben wie bei Klinsmann
Jan Christian Müller charakterisiert in der FR Bierhoff so, wie ihn viele sehen: „Oliver Bierhoff, Sohn eines ehemaligen Top-Managers, Ex-Nationalspieler, Golden-Goal-Torschütze, vielfach beneidete Werbe-Ikone, Diplom-Betriebswirt, Ex-Agenturchef mit Strippenzieher-Ambitionen, gläubiger Katholik, bald zweifacher Vater. Tatsächlich bietet der 41-jährige Nationalmannschaftsmanager in seiner allzu oft undiplomatischen Art ausreichend Angriffsfläche.“ Dass er mit seiner Art und seinen überzogenen Forderungen allein schuld sei, wäre jedoch „zu einfach“. Denn: „Dafür gibt es objektive Gründe: Nachdem die Bild-Zeitung Mitte Dezember fast im Online-Tickertempo von einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Zwanziger und Löw erfuhr, an dessen Ende ein zweifelhafter Handschlag zur Vertragsverlängerung bis 2012 stand, ließ Löw umgehend verlauten, es seien noch ‚einige Punkte‘ zu klären. (…) Die Gratifikation bzw. Signing Fee, die sie als branchenüblichen Aufschlag bei Vertragsverlängerungen vorschlugen, soll sich auf einen Betrag von spürbar unter fünf Millionen Euro, verteilt auf eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren summiert haben. Für alle vier. Ein zwar stolzer Betrag, aber keiner, für den ein Fabio Capello in der englischen Nationalmannschaft Leibchen verteilen würde. (…) Es bestehen wenig Zweifel, dass der Graben ähnlich tief ist wie vor vier Jahren, als sich das Duo Jürgen Klinsmann/Oliver Bierhoff mit dem Präsidium in der Frage des zu installierenden Sportdirektors überwarf. Für Projektleiter Klinsmann stand danach fest, dass er nach der WM auf sein üppiges DFB-Gehalt verzichten würde. Die Anzeichen verdichten sich, dass es nun ähnlich ausgeht.“
Bierhoff ist der Bösewicht
Peter Stützer (Welt) befasst sich mit Bierhoffs und Löws Gegenpart, der zwar eine betuliche Karriere als Jurist hinter sich hat, aber: „Die wichtigsten Tricks hat Zwanziger trotzdem drauf, während er oben noch lächelt, stellt er unten schon ein Bein, das haben Löw und Bierhoff samt Anhang möglicherweise unterschätzt. Der Präsident weiß gut, wo etwas zu holen ist, besetzt die Felder denn auch unermüdlich, auf denen er nur gewinnen kann.“ Doch nicht immer geriere sich der Zwanziger dabei präsidial: „Wie es aussieht, hat der Präsident haarscharf am Rande der Unwahrheit Interna öffentlich gemacht, dass er sich dabei, so der Vorwurf, des größten deutschen Boulevardblattes bedient, belastet das Vertrauensverhältnis der Streithähne noch mehr. Die alte Fußballfamilie jedenfalls hat die Zeichen der Zeit erkannt, sie stehen auf Sturm, so wird sich der Präsident über einen Mangel an Mitstreitern kaum beklagen können. Von Franz Beckenbauer über sämtliche DFB-Etagen bis hin zu Günter Netzer sind sich alle einig: Oliver Bierhoff ist der Bösewicht. Doch der Versuch, Manager und Nationaltrainer auseinanderzudividieren, wird beim Versuch bleiben. Löw wird eher sein Schicksal mit dem Oliver Bierhoffs verknüpfen.“
Kommentare
1 Kommentar zu “Oben lächeln, unten Bein stellen”
Montag, 8. Februar 2010 um 19:21
Sorry, nehme alles zurück. Gute Arbeit!