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Deutsche Elf

Die Narben werden bleiben

Frank Baade | Mittwoch, 10. Februar 2010 Kommentare deaktiviert für Die Narben werden bleiben

Die Wellen wogen weiter, der Konflikt ist befriedet, aber nicht gelöst; Wer sind die Verlierer, wer handelt nacht welchen Motiven? Und: Was macht eigentlich Matthias Sammer?

Thomas Kistner (SZ) hält den Burgfrieden an sich für keine Überraschung: „Was erstaunt, ist zweierlei: das flotte Tempo, in dem sich die Klima-Erwärmung vollzog, und die intensiven, öffentlichen Selbstgeißelungen, die – Löw ausgenommen – alle Beteiligten betrieben. Ein dreifach-kleinlautes Mea culpa aus Frankfurt – hat es das je gegeben in Deutschlands kraftstrotzendem Fußballverband?“ Zudem hätten alle bemerkenswerte Lehren aus ihren Fehlern gezogen, Bierhoff, auch Zwanziger. Vor allem jedoch einer: „Am tiefsten aber lässt wohl der zerknirschte Niersbach blicken. Einem gelernten Medienprofi, der heftigste und wiederholte Kommunikationspannen im eigenen Revier so offen einräumen muss, könnte durchaus eine Schlüsselrolle zum Verständnis der verbandsinternen Karambolage zugewiesen werden. Sicher ist jedenfalls: Welche Kraft auch immer den jähen Burgfrieden betrieb, vom Boulevard kommt sie diesmal bestimmt nicht.“

Vertrauensverlust unübersehbar

In der FAZ schildert Michael Horeni die Abläufe bei der Pressekonferenz: „Aber außer Zerknirschung war von Gemeinsamkeiten noch immer wenig zu spüren in der aufgewühlten Welt des DFB. In vielen Äußerungen und in den Gesichtern ließ sich trotz aller bemühter Versöhnlichkeit der Vertrauensverlust nicht verhehlen, der zwischen den Parteien nicht so einfach zu beheben sein dürfte, wie man sich das auf der eilig einberufenen Pressekonferenz wünschte.“ Horeni ist der Auffassung, dass nur eine tatsächliche Vertragsverlängerung den Konflikt vom Tisch geschafft hätte. In der aktuellen Konstellation sei diese aber nicht mehr möglich. „Nach den Forderungen mit fehlender Bodenhaftung könnten die öffentlichen Attacken, trotz allgemeinen Bedauerns der DFB-Führung, ihr Ziel erreichen. Die Frage bleibt, ob sich der Bundestrainer bei der WM sportlich für weitere Verhandlungen qualifiziert – und wenn, ob er dann überhaupt noch mag.“

Nicht auf heile Welt gemacht

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) nennt die ursprüngliche Vorgehensweise „naiv“ – zu glauben, dass diese Angelegenheit keine so großen Wellen schlagen würde. Dass die Protagonisten wieder miteinander reden, sei nun begrüßenswert: „Das Bedauern aller Beteiligten war glaubhaft, gerade weil sie nicht auf heile Welt gemacht haben, sondern die gegenseitigen Verletzungen offen angesprochen haben. Die Wunden sind tief, die Narben werden bleiben. Spannend ist die Frage, ob sie künftig noch schmerzen werden. Denn auch wenn der Verständigungsfrieden von Frankfurt am Main dem Bundestrainer eine halbwegs ungestörte Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft erlaubt – die Möglichkeit, dass seine Zusammenarbeit mit dem DFB nach dem Turnier endet, ist nach wie vor gegeben. Oder etwas positiver formuliert: Die Möglichkeit, dass es nach der WM weiter geht, ist nun zumindest nicht mehr vollkommen ausgeschlossen.“

Gegenspieler Niersbach

In der NZZ macht sich Stefan Osterhaus auf die Suche nach den Gründen: „Nach wie vor forschen nicht wenige nach der Ursache des Konflikts. Als Bierhoffs Gegenspieler wird oft der Generalsekretär Niersbach genannt. früher hatte der Generalsekretär umfangreiche Befugnisse. Er war für die Nationalmannschaft und die Liga zuständig. Die Bundesliga wird nun eigenständig verwaltet. Ein Vetorecht Bierhoffs wirkt da bedrohlich. (…) Am Dienstag fühlte Bierhoff sich zudem bemüssigt, ein paar Worte zu seinem Verhältnis zur Agentur ‚projekt b‘, an der er Anteile hält, und die auch im Fussballgeschäft aktiv ist, zu verlieren: Er arbeite dort nicht, sondern ein Geschäftsführer. Als wolle er dem Verdacht entgegentreten, er sei mit dem Nationalteam nicht ausgelastet.“

Perfekter Gegenentwurf zum umgänglichen Löw

Stefan Osterhaus blickt in der FTD als einziger auf jenen, dessen Name ständig über dem Szenario schwebte, der sich aber nicht am Konflikt beteiligte: Matthias Sammer. „Jetzt, wo die Situation beinahe täglich eskalieren kann, ist er gewissermaßen unsichtbar. Nicht wenige halten die scheinbare Starre in der aktuellen Situation für die beste Strategie. Sammer werden große Ambitionen nachgesagt, einmal selbst Bundestrainer zu werden. Vielleicht kommt die Gelegenheit schneller als erwartet, nach der WM in Südafrika eventuell, schlimmstenfalls sogar vorher. Strategisches Geschick deutet Sammer vor allem durch sein aktuelles Verhalten an. Im Falle einer Eskalation würde er sich sicher nicht zweimal bitten lassen. Fachlich gibt’s an ihm nicht zu rütteln – und seine nörgelnde Art macht ihn zum perfektem Gegenentwurf zum umgänglichen Löw.“

Und noch einmal Stefan Osterhaus in der FTD zur Personalie Bierhoff: „Ging es um die Wurzeln des Konflikts, so wurde nichts verraten. Immer noch rätselt die Anhängerschaft, wer in diesem Verwirrspiel, das die Prädikate shakespearesk oder byzantinisch vollauf verdient, der wahre Buhmann ist. Oliver Bierhoff hat sich dank einer nicht eben vorteilhaften Verhandlungsführung in die Pole Position dafür gebracht. Ihm hängt das Image des Raffkes nun an.“

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