indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Geheimniskrämerischer Männerbund

Frank Baade | Freitag, 12. Februar 2010 2 Kommentare

Die Vorwürfe gegen Amerell könnten auch gewissen Ränkespielen im Hintergrund geschuldet sein, meint die Presse, Kochs Abgang sei womöglich gar ein „eleganter“ zur richtigen Zeit

Frank Bachner, Robert Ide und Michael Rosentritt verbreiten im Tagesspiegel die Auffassung, dass die Vorwürf stichhaltig sein müssten: „Ein hochrangiger Fußball-Funktionär, der Kempter seit Jahren gut kennt, hat wenig Zweifel an dem Wahrheitsgehalt seiner Aussagen. ‚Er ist ein korrekter, seriöser Mann, der privat eher unauffällig ist‘, sagte er dem Tagesspiegel. Für den Funktionär ist Kempters Brief ‚ein Hilfeschrei‘. Warum, fragt er, ’soll er sich an den DFB wenden, wenn an den Vorwürfen nichts dran ist? Er könnte dabei ja nur verlieren.‘ Ein Schiedsrichter aus Kempters Verein VfR Sauldorf beschreibt den 27-Jährigen als ‚absolut korrekten, ehrlichen Typ‘. Er sei sehr bodenständig. Kempter arbeitet als Bankkaufmann im badischen Pfullendorf und gilt auch dort als integer und angenehm. Er hatte aus Gefälligkeit ein paar Spiele des SC Pfullendorf gepfiffen, er ist sogar mal eingesprungen, als bei einem Spiel des SC Pfullendorf kurzfristig ein Schiedsrichter ausgefallen war. Für den nächsten Bundesliga-Spieltag ist Kempter nicht eingeplant. Offenbar soll er vor möglichen verbalen Angriffen geschützt werden.“

Absolut korrekt und ehrlich, angenehm und bodenständig. Klingt genau wie das, was man im Nachhinein über Serienmörder zu lesen bekommt. Allerdings ist Kempter hier ja Opfer und nicht potenzieller Täter. Zumindest scheint es so.

Sportpolitische Dimension

Roland Zorn (FAZ) blickt auf die Konsequenzen auf den zuständigen Posten: „Eine möglicherweise pikante Geschichte, die aber auch eine sportpolitische Dimension hat. Der bisher im DFB-Präsidium für das Schiedsrichterwesen zuständige Vizepräsident Rainer Koch hat sich, verärgert darüber, von Roth nicht über die Causa Amerell/Kempter informiert worden zu sein, von dieser Aufgabe zurückgezogen. Ob Roth nun noch vor dem DFB-Bundestag im Oktober in Essen, bei dem der sperrige Niedersachse sein Amt zur Verfügung stellen will, wegen der von ihm verursachten Informationspanne zurücktreten solle, wollte Koch nicht beantworten. Roths designierter Nachfolger Herbert Fandel jedenfalls steht in dem Ruf, die von manchem als arg konservativ erachteten Strukturen in der Schiedsrichtergilde modernisieren zu können. Als Unparteiischer, der bis zum Juni 2009 aktiv war, genoss er einen erstklassigen Ruf.“

Schotten dicht, Augen zu und durch

In der FR kommentiert Jan Christian Müller: „Es muss bei der Beurteilung von Talenten größtmögliche Transparenz herrschen. Es muss gewährleistet sein, dass allein objektive Kriterien maßgeblich sind, nicht auch persönliche Seilschaften. Im DFB-Schiedsrichterwesen liege da manches im Argen, sagen auch interne Kritiker. Dazu passt, dass der Schiedsrichterausschuss in Person seines Vorsitzenden Volker Roth viel zu lange viel zu wenig um Aufklärung bemüht war. Es war der typische Reflex: Schotten dicht, Augen zu und durch. Noch nicht einmal der zuständige DFB-Vizepräsident Rainer Koch wurde informiert. Ein unsäglicher Vorgang, der noch weitere Konsequenzen haben dürfte.“

Ein eleganter Abschied

Den Blick auf die „Zerwürfnisse im Schiedsrichter-Wesen“ lenke dieser Fall, untertiteln Thomas Kistner und Christof Kneer in der SZ. Und nennen die Gründe für diese Auseinandersetzung: „Kochs Ansinnen war es von Beginn an, diesen auf wenige Personen konzentrierten geheimniskrämerischen Männerbund neu zu ordnen. So wurde Schiedsrichter-Chef Roth vor zwei Jahren gegen die Stimmen der Liga wiedergewählt; es gab diverse Kritiker, denen die Machtachse um Roth, Amerell und DFB-Lehrwart Strigel zu mächtig geworden war.“ Koch sehe sich selbst als Mittler zwischen Schiedsrichterwesen und Liga. „Kochs Mittlertätigkeit wird grundsätzlich auch von den Schiedsrichtern anerkannt – allerdings werfen sie ihm vor, sich in der Mittlerrolle selbst inszeniert und profiliert zu haben. Er habe zu vieles an sich reißen wollen, sagt einer, der alle Debatten kennt und mitgeführt hat.“ Die jetzige Eskalation habe außerdem verhindert, dass es später zu einem Konflikt käme. Heribert Fandel, der im Herbst Roths Nachfolger werden soll, habe bereits signalisiert, dass er nicht mit Koch zusammenarbeiten wolle. „So gibt es bereits Stimmen in der Szene, die Kochs Rückzug als eleganten Abschied werten.“ Fandels Weg sei nun frei, dieser habe sich die — wohl überfällige — Modernisierung des Schiedsrichterwesens vorgenommen.

Kommentare

2 Kommentare zu “Geheimniskrämerischer Männerbund”

  1. Lena
    Freitag, 12. Februar 2010 um 21:10

    „Absolut korrekt und ehrlich, angenehm und bodenständig. Klingt genau wie das, was man im Nachhinein über Serienmörder zu lesen bekommt.“

    Ok. Ehrlich gesagt, ging mir das beim Lesen auch durch den Kopf. Erschreckend die Konditionierung durch amerikanische Serien.

    Aber ist ja alles schon sehr obskur. Bin auf jeden Fall auf Töppis Kommentar gespannt.

  2. Matthias
    Dienstag, 16. Februar 2010 um 11:24

    Jajaja, alles ganz interessant, das mit Amarell. Und ich will auch nicht nölen. Aber: WO BLEIBT DIE PRESSESCHAU FÜR DEN LETZTEN SPIELTAG?!?!?!?!?

    Im Ernst: Ich frag nur, weil ich mich jeden Montag auf die Presseschau freue und so langsam Entzugserscheinungen kriege. Außerdem wird es mir so langsam unangenehm, während der Arbeitszeit alle fünf Minuten den IF zu checken… 😉

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