Am Grünen Tisch
Gegenüber den märchenhaften Reichtümern der Herausforderer hat Blatter wenig zu bieten
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| Freitag, 19. Februar 2010Unerwartet gibt es Diskussionen um die Nachfolge Sepp Blatters, zwei einfluss- und reiche Asiaten arbeiten zusammen, um den nächsten FIFA-Präsidenten einen aus Asien werden zu lassen
„Götterdämmerung“ titelt Jens Weinreich in seinem Blog (s. u.), weil sich eine Gegenkandidatur für Sepp Blatter anbahnt. Asiens Konföderationschef Mohamed bin Hammam (Katar) und der südkoreanische Milliardär Chung Mong-joon, ein Sohn des Hyundai-Gründers, wollen zusammenarbeiten, um einen FIFA-Präsidenten mit asiatischer Herkunft installieren. Einer von beiden, die sich vor Kurzem noch spinnefeind waren, soll der Kandidat werden. Blatter, der zu Beginn seiner Amtszeit 1998 „überschattet von Korruptionsvorwürfen“ eine Kampfabstimmung gewann, hatte damals versprochen, nur zwei Amtszeiten bleiben zu wollen. Inzwischen strebt er seine vierte an, was bin Hammam nicht passt; er möchte generell die Zahl der Amtszeiten begrenzen.
In der Stuttgarter Zeitung fährt Weinreich fort: „Es gibt kaum Zweifel daran, dass bin Hammam (60) Blatters Herausforderer wird. Pikanterweise wird er von Peter Hargitay beraten, dem ehemaligen persönlichen Berater Blatters. Seit 1998 hat bin Hammam Blatter stets unterstützt und viele Stimmen in Asien und vor allem Afrika gesichert. Wochenlang verteilte er Bares und leistete sogenannte Entwicklungshilfe. Blatter hat einmal gesagt, es sei nur normal, dass bin Hammam dafür Gegenleistungen erwarte und bekomme. Bisher gingen diese Stimmen stets an Blatter, künftig an bin Hammam persönlich.“
Abgesehen vom Brasilianer Havelange seien bislang alle FIFA-Präsidenten aus Europa gekommen. Die Gunst der Stunde, einen Kandidaten eines anderen Kontinents zu platzieren, will das Duo nutzen. Der aktuelle Präsident kommt ihnen dabei entgegen, denn: „Blatter taumelt derzeit von einer Krise zur nächsten und steht mit der WM im Sommer in Südafrika vor einer kolossalen Herausforderung. Kürzlich musste er auf Druck einiger Exekutivmitglieder – Drahtzieher war ebenfalls bin Hammam – mit Jerome Champagne seinen wichtigsten Mitarbeiter entlassen. Die Hilfe des französischen Diplomaten könnte Blatter jetzt gebrauchen.“ Sollte Asien komplett für einen der beiden potenziellen Kandidaten votieren und Afrika zu großen Teilen, fehlten nur noch die Stimmen vom Concacaf, wo bekanntlich Jack Warner Chef ist. Für Warner gibt es keine Freundschaften, für ihn zählt nur Geld. „Da hat Blatter wenig zu bieten – bin Hammam und Chung locken indes mit märchenhaften Reichtümern für alle, die Blatter stürzen helfen.“
Öffentliche Diskussion über Blatters Nachfolge
In der NZZ schreibt Flurin Clalüna zum selben Thema: „Noch kann keine Rede sein von einem Machtwechsel im Weltfussballverband Fifa. Aber was zwei der einflussreichsten asiatischen Fussballfunktionäre an einer Pressekonferenz in Seoul durchblicken liessen, wird Blatter nicht gefreut haben: Es wird öffentlich über seine Nachfolge diskutiert; Blatters Gegner bringen sich in Stellung. So wie im Juni 2007, als Blatter per Akklamation im Amt bestätigt worden war, wird die Präsidentenwahl 2011 vermutlich nicht über die Bühne gehen.“ Erstaunlich sei diese Konstellation, denn „bin Hammam galt seit vielen Jahren als Weggefährte des Schweizers, in zwei Wahlkämpfen stand er ihm als Stimmenbeschaffer zur Seite. Doch ihre Beziehung ist zerrüttet.“
Plötzlich flexibel in puncto Torentscheid
Die schnellen Reaktionen Blatters auf die neue Situation berichtet Roland Zorn (FAZ): „Blatter gab sich auch am Donnerstag kämpferisch, als er die jüngste Kritik am WM-Gastgeber dieses Sommers konterte.“ Die Kritik an der WM in Südafrika beantwortete er mit Gegenfragen danach, ob man nicht zusammen in einem „Boot der Solidarität“ säße, und dass es ohnehin zu spät sei, nach den Gründen zu fragen. „‚Wir gehen dahin und vertrauen Südafrika. Es wird eine wunderbare WM werden.‘ Wie flexibel Blatter sein kann, dokumentierte er anschließend, als er sich in Anbetracht der vielen gravierenden Schiedsrichterfehlleistungen der letzten Zeit im Gegensatz zu früher als ein Freund der Torlinientechnologie zu erkennen gab. Sie müsse aber hundertprozentig funktionieren und schnelle Ergebnisse produzieren. In zwei Wochen würden bei einer Sitzung des International Boards gleich zwei Systeme vorgestellt.“ Es könnte also sehr schnell Bewegung in eine Frage kommen, in der die FIFA jahrelang schier unbeweglich schien.
Mehr zum Thema, vor allem mehr Multimediales, findet sich im Blog von Jens Weinreich, wie es sich für Blogs gehört mit anspruchsvoller Diskussion darunter.