indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Pressestimmen: René Adler die neue Nr. 1 im Tor der Nationalelf

Frank Baade | Dienstag, 2. März 2010 12 Kommentare

René Adler wird in leiser Manier zur Nr. 1 befördert, der Prozess läuft ganz anders noch als vor vier Jahren, seine Nominierung verdankt Adler seinen zwei starken Partien gegen Russland; Wer ist Stefan Reinartz?

Bemerkenswert still sei die Beförderung Adlers zur endgültigen Nr. 1 auch für die WM 2010 in Südafrika vonstatten gegangen, ist sich die Presse einig. In der FR nennt Andreas Lesch diese Entscheidung „korrekt“. Wie ruhig es dabei abgelaufen sei, das mache der Vergleich mit der selben Frage vor vier Jahren deutlich: „Das Land wurde ein bisschen hysterisch. Kein Wunder, nach Monaten voller giftiger Kommentare der Kontrahenten – und nach einem Duell, das manchem vorkam wie ein sportlicher Krieg. Der Kampf zwischen Kahn und Lehmann wurde auch deshalb so hitzig debattiert, weil es der Streit zweier Torwarttypen war: altdeutsch-klassisch kontra mitspielend-modern. Klinsmann gab Lehmann schon deshalb den Vorzug, weil es sein liebstes Hobby war, nationale Fußballtraditionen zu ignorieren.“ Solche Grundsätze hätten diesmal gar nicht gegeneinander abgewägt werden müssen, weder seien die drei aktuellen Torhüter so verschieden noch so verbissen wie Lehmann und Kahn. Endgültig sei die Entscheidung für Adler aber nicht, dazu seien seine Kontrahenten zu ähnlich. „Kahn und Lehmann hatten 2006 den größten Teil ihrer Karriere schon hinter sich, für sie ging es um eine persönliche Krönung. Die Torhüter des Jahres 2010 fangen gerade erst so richtig an.“

Super sachlich

Michael Rosentritt (Tagesspiegel) hat René Adlers Reaktion auf die Nachricht seiner endgültigen Beförderung beobachtet: „Für gewöhnlich sollte eine solche Nachricht einen Fußballprofi in freudige Erregtheit versetzen. Doch entweder wird Adler sich auf seinem Hotelzimmer noch backpfeifen müssen, um zu begreifen, was passiert ist, oder aber er ist so sehr von sich überzeugt, dass er mit dieser Entscheidung fest gerechnet hat. Gestern jedenfalls wirkte Adler extrem entspannt und tief in sich ruhend. Man könnte auch sagen, René Adler kommentierte seine Beförderung so, wie er als Torwart hält: super sachlich. Adler eben.“

Bei den Gründen für Adlers Beförderung sind sich alle einig, exemplarisch sei hier Lars Gartenschläger aus der Welt zitiert: „Dass die Entscheidung zu Gunsten von Adler gefallen ist, hat der Leverkusener vor allem seinen zwei hervorragenden Spielen in der WM-Qualifikation gegen Russland zu verdanken. Diese beiden Partien hätten laut Bundestorwarttrainer Köpke den Ausschlag gegeben.“ Alle drei großen ehemaligen Torhüter, von Welt Online befragt, zeigten sich einverstanden mit dieser Entscheidung: Oliver Kahn, Toni Schumacher und Uli Stein. „Mit dem gebürtigen Leipziger hat die deutsche Nationalmannschaft nun endlich wieder eine Nummer eins. Denn nach dem Rücktritt von Jens Lehmann im Anschluss an die Europameisterschaft 2008 war diese Position bis Montag quasi vakant. Auch wenn Adler spätestens seit dem Selbstmord des früheren Hannoveraner Torhüters Robert Enke im November des vergangenen Jahres als heißer Kandidat für die Nummer eins galt.“

Für viele Vorgänger eine Ochsentour bis zur Nr. 1

Für Christof Kneer (SZ) war es selbstverständlich, dass diese sonst üblicherweise heikle Teamstelle 2010 stilvoller besetzt werden musste: „Angemessen undramatisch haben die Teamverantwortlichen diesmal die Torwartfrage beantwortet, was schon aus Pietätsgründen geboten war. Seit dem Tod des hochgeschätzten Torwarts Robert Enke verbot sich ein theatralischer Umgang mit dieser Personalie, und auch die aktuellen sportlichen Umstände haben der Debatte keinen neuen Dreh mehr verliehen. Jenen Vorsprung, den er sich gegen Russland erwirtschaftet hatte, hat Adler ganz einfach nicht mehr aus der Hand gegeben. Und kein Bundestrainer und kein Torwart-Sonderbeauftragter der Welt nimmt ohne Not einen Torwart aus dem Tor, der dem Team eine Turnier-Teilnahme gerettet hat.“

Für Michael Horeni ist diese Entscheidung die „Krönung einer Turbokarriere“ (FAZ): „Nach der Entwicklung der vergangenen eineinhalb Jahre zwar nicht ganz überraschend, aber beim Blick auf Adlers bisherige Laufbahn dennoch verblüffend: Nach nur acht Länderspielen und mit 25 Jahren zur Nummer eins aufzusteigen ist im Land der Torhüter eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Die Vorgänger von Adler mussten sich zum Teil schier endlose Jahre als Nummer zwei auf der Ersatzbank hochdienen, obwohl sie teilweise längst als Weltklassetorhüter galten und wohl in jedem anderen Land die unbestrittene Nummer eins gewesen wären. In der Politik nennt man das die Ochsentour, und dem Torhüter aus dem Osten ist seine Turbokarriere angesichts dieser deutschen Traditionslinie sehr bewusst.“ Wieder einmal halten sich die DFB-Verantwortlichen allerdings nicht an ihre eigenen Vorgaben. Es sei ihnen wichtig gewesen, zuerst mit den Spielern zu sprechen. Mit Wiese allerdings sprachen sie nicht. „Es gäbe keine Nummer zwei und keine Nummer drei hinter Adler. Der impulsive Wiese dürfte das nach dem Schweigen aus München nach der Entscheidung wohl ein bisschen anders sehen.“

Meister der Einfachheit

Einen weiteren Kandidaten für die Nationalmannschaft, allerdings nicht im Tor, kennt Stefan Hermanns (Tagesspiegel), den Leverkusener Ersatz von Simon Rolfes: „Stefan Reinartz, 21 Jahre alt und mit der Erfahrung von 19 Bundesligaspielen gesegnet, bestreitet an diesem Dienstag ein EM-Qualifikationsspiel mit der U-21-Nationalmannschaft. Doch das ist wohl nur eine Zwischenstation. Der Leverkusener erlebt derzeit eine rasante Entwicklung: vom Regionalligaspieler zum Kandidaten für Joachim Löw in nicht einmal 15 Monaten. Was zeichnet diesen Reinartz aus?“ Reinartz selbst zählt lieber seine Schwächen auf, hält sich dennoch für einen passablen Fußballspieler. Erfolgreich war er bislang in jedem Falle: „Mit Leverkusens A-Jugend war er Meister und Pokalsieger, mit der U 19 Europameister, und mit dem 1. FC Nürnberg ist er in die Bundesliga aufgestiegen. Kurz: Reinartz ist ein Siegertyp. (…) Eigentlich ist er Innenverteidiger, doch zuletzt hat Reinartz meistens den verletzten Rolfes im defensiven Mittelfeld ersetzt. Die Umstellung hat ihm keine Probleme bereitet. Er verfügt über das nötige Verständnis für diese Position, macht kaum Fehler und beherrscht vor allem die elementaren Dinge des Fußballs. Stefan Reinartz ist ein Meister der Einfachheit.“

„Toni, halt den Ball!“

In der Welt spricht Kai Behrmann mit Jorge Burruchaga, dem argentinischen Siegtorschützen bei der WM 1986 im Finale gegen Deutschland und Toni Schumacher. Auf die Frage, wie sein Team damals auf den Ausgleich zum 2:2 reagiert hätte, antwortet Burruchaga: „Mit großer Gelassenheit. Ich stand mit Diego Maradona und Jorge Valdano am Mittelkreis und sagte nur: ‚Wir werden trotzdem gewinnen.‘ Andere Mannschaften hätten sich in dieser Situation angeschrien. Wir fühlten uns aber einfach sicher. Keiner zweifelte daran, dass wir am Ende als Weltmeister vom Platz gehen würden. Das war der Geist dieser Mannschaft, die aus außergewöhnlichen Charakteren bestand.“

freistoss des tages

DFB ./. Amerell

Zum Fall DFB ./. Amerell, zu dem stündlich mehr Beteiligte gehören, hat Oliver Fritsch auf dem direkten freistoss einige Beiträge verfasst, hier die letzten drei:

DFB ./. Amerell: Zwanzigers Verteidigung und die Eitelkeit des Präsidenten

DFB ./. Amerell: Wie glaubwürdig ist der Zeuge Kempter?

DFB ./. Amerell: Monaco Wack betritt die Bühne

Wie immer auf dem direkten freistoss mit lesenswerter Diskussion in den Kommentaren.

Kommentare

12 Kommentare zu “Pressestimmen: René Adler die neue Nr. 1 im Tor der Nationalelf”

  1. Oliver Fritsch
    Dienstag, 2. März 2010 um 13:23

    Ich finde ja, dass Neuer das größere Talent ist. Und moderner spielt. Man denke nur an seine Abwürfe.

    Vielleicht aber doch die richtige Entscheidung, denn Neuer schießt (noch) zu viele Böcke.

  2. gecko1893
    Dienstag, 2. März 2010 um 15:11

    @Oliver Fritsch: absolut. Dazu hate Adler den Vorteil zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein(Wm Quali-Spiele bestritten…)

  3. Madder than Mad Jens
    Dienstag, 2. März 2010 um 15:37

    Na ja, die Einschätzung das Neuer noch besser sein könnte, teilen wohl die meisten; die meisten allerdings auch, weil Neuers Spiel ästhetisch einfach der Wahnsinn ist: die Geschmeidigkeit und gleichzeitig die Brachialität in Sprung, Bewegung, etc. Aber er hat eben noch nie auf diesem Niveau (Nationalelf, wichtige Spiele) gespielt, niemand weiß, ob er da wieder bockt, von daher gab es doch gar keine Wahl. Allerdings: ziemlich verkrampft, die Herren Journalisten, in ihrer Begrüdung, Adler hätte nach den Russland-Spielen den Platz sicher gehabt. Wenn ich mich recht entsinne, war Robert Enke nach Wales/China vorne.

  4. Even Madder
    Dienstag, 2. März 2010 um 16:26

    Nunja, Neuer hat immerhin seinen Verein mehr oder weniger im Alleingang ins Champions-League-Vietelfinale gebracht, wenn man an das Schalke-Spiel in Porto denkt. Das war ja nun ziemlich wichtig. Und gebockt hat auch Adler hin und wieder, auch im Nationaltrikot (England-Spiel).

  5. Oliver Fritsch
    Mittwoch, 3. März 2010 um 08:17

    Wer weiß noch, wie Neuer im Halbfinale (?) der U21-EM einen indirekten Freistoß, der direkt ausgeführt wurde, mit dem Fuß hielt (und den Ball fast selbst ins Tor getreten hätte)?

  6. Madder than Mad Jens
    Mittwoch, 3. März 2010 um 08:33

    Ähm, lieber Herr Fritsch, sie sind Stürmer, oder? Die Fußparade von Neuer war unorthodox, aber astrein. Der Ball lief nie und nimmer Gefahr ins Tor zu gehen. Böcke hatte Neuer gewiss genug wie jeder junge Torwart, aber diese Parade gehört sicher nicht dazu: war ein fantastischer Reflex mit dem Fuß hinzugehen, als er spürte, mit den Händen kommt er nicht schnell genug runter bzw. er würde den harten, schnellen Schuß nur abklatschen können.

  7. heinzkamke
    Mittwoch, 3. März 2010 um 11:58

    So richtig „ästhetisch der Wahnsinn“ war die Fußparade allerdings nicht, finde ich.

  8. Marvin Nash
    Mittwoch, 3. März 2010 um 14:29

    Ich sehe Neuer auch deutlich stärker als Adler. Ich sehe sogar Wiese stärker als Adler, aber das ist eine andere Geschichte.

    Neuer patzt zu oft? Also er patzt nicht häufiger als Adler. Adler überzeugt in der Rückrunde überhaupt nicht, wie ich finde. Außerdem hat Neuer schon Turniererfahrung als Stammkeeper und in der Champions League gespielt. Bei beidem überragend.

    Er hat so ein gutes Stellungsspiel und spielt so vorausschauend, dass viele Chancen gar nicht entstehen oder es dann nicht nach guter Parade aussieht. Das ist oft sehr risikoreich. Wenns dann mal schiefgeht, dann kommen die Kritiker. Die sehen dann aber nicht, was er alles vereitelt. Ich sehe Adler in keiner Fähigkeit vorne. Außer in seiner Selbsteinschätzung.

    Da ist Neuer bodenständiger. Ganz straighter und sympathischer Typ finde ich. Gerade heraus. Nicht so geleckt, wie Adler. Ich kann Jogis Entscheidung hier also nur bedingt nachvollziehen.

    Mal sehen, wieviele Adler noch vorne sehen, wenn Leverkusen jetzt die nächsten Spiele kaum noch punktet.

    Neuer ist auch ein guter Dirigent seiner Vorderleute. Nicht umsonst ist er ein Hauptbestandteil der besten Bundesligadefensive der letzten Jahre.

  9. Oliver Fritsch
    Mittwoch, 3. März 2010 um 15:15

    Nein, Madder than Mad Jens, das habe ich anders in Erinnerung: Neuer hkonnte sich nicht entscheiden zwischen Halten und Durchlassen – das war ein Gedanke zuviel. Daher der Kick. Wenn er den Ball bloß ein wenig anders erwischt hätte, haut er ihn ins Netz. Unerfahrenheit. Außerdem hat er im Gruppenspiel gegen England den Gegentreffer mitverursacht.

    Geschenkt, ich bin trotzdem für Neuer.

  10. Even Madder
    Mittwoch, 3. März 2010 um 16:15

    Hier nochmal das Porto-Spiel zum Nachschauen: http://www.youtube.com/watch?v=4Rq5FukIuyg
    Die mit Abstand beste Parade ab 1:10, gerade weil es nicht so spektakulär ist. Aber kaum ein Torhüter würde im 1:1-Duell so lange stehen bleiben und den dann so halten. Ein Tim Wiese wäre entweder ins Leere gesprungen oder dem Stürmer mit den Stollen voran in die Beine…

  11. MS
    Mittwoch, 3. März 2010 um 21:46

    Sehe das wie Nash, inklusive Wiese. Und Adler hat gerade in diesen Minuten bewiesen, dass er keine N11-1 ist. Peinlicher Fehler, zeugt zudem von mangelndem Vertrauen in die Vorderleute, hier Mertesacker.

    Und was das Tore selber machen angeht: Wer hat zuletzt Naldos gg. Adler Freistoß gesehen? (Jaja, Neuer hat am gleichen Wochenende die Flanke auch schlecht gepeilt – aber der ist immerhin zum Ball gegangen und hat sich bewegen müssen; Adlers Ball kam ja von alleine direkt zu ihm)

    BTW – den Trainer hatte ich schon angemailt, dass ich aus meinem 2. PC den IF nicht erreichen kann. Der Fehler („Die Internetsite http://…usw… kann nicht geöffnet werden. Vorgang abgebrochen“) besteht immer noch. Kann man da noch Hoffnung haben?

  12. Fan
    Donnerstag, 4. März 2010 um 22:23

    Völlig unabhängig von dem Bock gegen Argentinien: Die Entscheidung für Adler ist für mich viel zu voreilig, zu früh.

    Ich finde auch, dass Neuer das größere Talent ist und moderner spielt. Und ich kann mich auch an mehr Böcke von Adler als von Neuer erinnern.

    Man hätte die Spannung und den Druck auf beide noch aufrechterhalten müssen so lange wie möglich. Ob Adler mit echtem Druck umgehen kann ist noch lange nicht bewiesen.

    Im Gegenteil: Denn anders als Neuer spielt Adler in einem Verein, der auch im Meisterschaftskampf vor höchstens 30000 Zuschauer spielt und bei dem es überhaupt keinen medialen Druck gibt, auch n icht von den Zuschauern. Bei der WM dann wird er diesbezüglich in kalte Wasser geworfen.
    Auch hat Adler noch nicht so viel internationale Erfahrung wie Neuer, der schon in der Champions League sehr gut (bis Viertelfinale) und nur diese Saison nicht international gespielt hat.

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