indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Kein Chip im Ball – weil die Funktionäre nicht offen spielen wollen?

Frank Baade | Montag, 8. März 2010 8 Kommentare

Das über die Fußballregeln entscheidende FIFA-Board hat die Einführung eines Chips im Balls zur Überprüfung einer Torentscheidung abgelehnt

Weder der Chip im Ball noch eine Torkamera werden somit in absehbarer Zeit Einzug in den Fußball halten. Begründet wurde diese Entscheidung (auch) damit, dass die Menschen mit ihrer Fehlerhaftigkeit das Schöne des Fußballs ausmachen würden. Boris Herrmann mahnt dann aber auch Konsequenz an (Berliner Zeitung): „Fußball bleibt fehlbar. Dem wäre im Sinne angeregter Stammtischgespräche nichts hinzuzufügen, wenn die Entscheidungen der Schiedsrichter tatsächlich für alle gleichermaßen strittig blieben. In Wahrheit ist es aber so, dass die Männer mit der Pfeife im zeitgenössischen Fernsehfußball auf einer Wiese der Ahnungslosigkeit agieren, während ein Millionenpublikum sein Urteil anhand von Superzeitlupen und virtuellen Abseitslinien schärft. Wenn sich der Fußball aus guten Gründen nicht an die Fernsehbilder anpassen will, dann muss sich das Fernsehen eben wieder an den Fußball anpassen. Der TV-Beweis gehört genau so verboten wie der Baum- und Strauchbewuchs.“

Während Klaus Hoeltzenbein (SZ) eine Querverbindung herstellt, die eine den Entscheidern immanente, dauerhaft sie vereinende Wesensart unterstellt: „So absurd es scheinen mag, der Fall Kempter und die Weigerung, technische Hilfsmittel zuzulassen, wurzeln im gleichen System: einem Funktionärswesen im Fußball, dem der Wille zur Transparenz fehlt.“

Weg mit Linienrichter, Einwurf und Elfmeterschießen

Interessante Vorschläge macht zur Zeit auch Louis van Gaal, der sich wie viele Trainerkollegen vehement für den Chip im Ball einsetzt. Dazu will er auch noch die Linienrichter (eigentlich: Schiedsrichter-Assistenten) abschaffen, da die Entscheidung, ob ein Ball im Aus sei, auch von Technik geleistet werden könne. Stattdessen solle es zwei Schiedsrichter, für jede Hälfte einen, geben. Und als i-Tüpfelchen die Forderung, einen Einwurf in einen „Einschuss“ umzuwandeln, so dass der Anreiz, den Ball zur Klärung ins Aus zu spielen, sänke.

Dass er statt eines Elfmeterschießens lieber in einer Verlängerung immer weiter bis zur Entscheidung die Zahl der Spieler pro Mannschaft verringern will, wäre seinen Ambitionen, deutscher Nationaltrainer zu werden, nicht besonders zuträglich.

Kommentare

8 Kommentare zu “Kein Chip im Ball – weil die Funktionäre nicht offen spielen wollen?”

  1. Peter Glock
    Montag, 8. März 2010 um 22:11

    Danke für diesen Kommentar.
    Dem ist nichts hinzu zu fügen.
    Es gibt sicher intelligente Lösungen für das Problem des unterbrochenen Spielflusses.

    Rudelbildung wäre beispielsweise kein Thema mehr, weil der Schiedsrichter sofort auf den Videobeweis verweisen könnte.

    Aber an dem Beispiel Frankreich könnte man vermuten, dass es den Funktionären darum geht, weiter Einfluss zu haben.

    Wer weiß, was passiert wäre, wenn Henry zum Referee gegangen wäre und das Vergehen zugegeben hätte? Vielleicht hätte es kurz vor Schluss einen seltsamen Elfer gegeben?

  2. Marvin Nash
    Dienstag, 9. März 2010 um 08:15

    Also ich bin ja nun wirklich kein Verschwörungstheoretiker, aber ich denke, sie sträuben sich aus Angst vor Machtverlust dagegen.

    Letztes Jahr wusste man ja auch, dass sie aus Gründen der Attraktivität nicht wieder ein rein englisches Finale haben wollten. Und der Schiri hat alles dafür getan, das es auch so kommt beim Aufeinandertreffen von Barca und Chelsea. Am Ende wurde Barca für die Finalleistung gefeiert und an Chelsea, die stärkste Mannschaft des Turniers dachte keiner mehr.

    Ebenso das Spiel Florenz gegen Bayern. Das gleiche Schirigespann. Es wurde einiges getan, dass der attraktivere Verein, der Zuschauermagnet, weiterkommt. Und ich glaube da ein einigen Fällen schon an eine Einflussnahme der Funktionäre.

    Solche Dinge wären dann natürlich nahezu unmöglich. Auch wenn der Schiri natürlich immer noch Einfluss hätte. Gäbe es so etwas wie das Challengen beim Tennis bei strittigen Szenen (man kann den Videobeweis heranziehen, und wenn man Unrecht hat, ist diese Möglichkeit vertan) dann würde auch der Wettmafia langsam der Hahn zugedreht werden (zumindest was das Kaufen der Schiris angeht).

    Dass van Gaal die effektive Spielzeit fordert, finde ich übrigens auch richtig, auch wenn das den Fußball zu sehr verändern würde. Aber man könnte die ja auch ab Minute 80 einführen z.B Der letzte Absatz ist Spinnerei, der Rest durchaus ernt gemeint.

  3. Frank Baade
    Dienstag, 9. März 2010 um 10:21

    Vielleicht bin ich zu naiv, aber Sie haben Ihre einleitenden Sätze sicher auch nur so formuliert, um Einspruch diesbezüglich vorwegzunehmen. Ich glaube auch nicht, dass die hier diskutierte Frage, Tor oder nicht-Tor, etwas an ihren Einwürfen widerlegen könnte.

    Sie meinen jetzt sicher: der letzte Absatz bezüglich van Gaal ist Spinnerei, nicht ihr eigener letzter Absatz, oder?

    Ich finde übrigens, dass gerade die effektive Spielzeit im Gegensatz zu allen anderen diskutierten Änderungen am wenigsten verändern würde. Eigentlich würde sie, abgesehen von schwurbeligen „taktischen“ Einwechslungen, die Zeit für das führende Team bringen sollen, gar nichts verändern. Und den Fußball somit vorwärts bringen. Wer braucht zwei Einwechslungen in der 88. und 89. Minute?

  4. Hans Dampf
    Dienstag, 9. März 2010 um 13:33

    Frank Baade: „gerade die effektive Spielzeit (würde) (…) am wenigsten verändern würde.“. Sind Sie sich da sicher? Gerade durch diesen Gladiatorenmodus würden sich Riesenräume ergeben, es wäre ein völlig neues Spiel mit ganz anderer Taktik. Tendenziell würde es dadurch unglaublich viele Torszenen (und Tore?) geben, und m.E. die Teams mit den besseren Individualisten gewinnen.

  5. Hans Dampf
    Dienstag, 9. März 2010 um 13:34

    Frank Baade: „gerade die effektive Spielzeit (würde) (…) am wenigsten verändern.“. Sind Sie sich da sicher? Gerade durch diesen Gladiatorenmodus würden sich Riesenräume ergeben, es wäre ein völlig neues Spiel mit ganz anderer Taktik. Tendenziell würde es dadurch unglaublich viele Torszenen (und Tore?) geben, und m.E. die Teams mit den besseren Individualisten gewinnen.

  6. Marvin Nash
    Dienstag, 9. März 2010 um 18:56

    Das mit der Spinnerei war tatsächlich auf den letzten Absatz mit von Gaal bezogen. Ich fänd das mit der effektiven Spielzeit aber auch nicht so schlecht.

    Ich verstehe aber Ihren ersten Absatz nicht so gnz, Trainer.

  7. Achtung! Verschwörungstheorie – Warum die FIFA den Videobeweis nicht will « Hexenkessel
    Dienstag, 9. März 2010 um 19:27

    […] andere zu sein, in den Medien habe ich sie bisher nicht gelesen, allerdings in den Kommentaren beim Indirekten Freistoß. Wer technische Hilfsmittel zulässt, gibt die Fehlentscheidung als Mittel zur Spiel- und […]

  8. Hans Dampf II
    Dienstag, 9. März 2010 um 23:54

    Herr Baade – danke für diesen Kommentar. Die stringente Verweigerung technischer Hilfsmittel im Fussball lässt wirklich nur einen Schluss zu – da ist man sich wohl einig. Zum Glück gibt es diesen nun auch in Zukunft steuerfrei!

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

106 queries. 0,523 seconds.