Champions League
Mourinhos Meisterwerk, Ballack kommt wieder zu kurz
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| Donnerstag, 18. März 2010Mourinhos Inter schlägt seinen alten Klub an alter Wirkungsstätte, die Presse jubelt ihm zu, Ballack stehe sinnbildlich für das stets scheiternde Chelsea, beider Zeit laufe ab
Raphael Honigstein (Stuttgarter Zeitung) sah eine typische Vorgehensweise des Inter-Trainers: „José Mourinho hatte beim 2:1-Erfolg im Hinspiel gesehen, dass die Blues immer noch sein Team sind und streng nach seinen Prinzipien agieren. Er musste quasi gegen sich selbst coachen und war zu der Erkenntnis gekommen, dass Chelsea nur mit Chelsea-Mitteln zu schlagen war. Die Mannschaften krachten wie Frachtzüge aufeinander. Jederzeit drohte die Entgleisung der Partie, das war so gewollt: Mourinhos Ziel war nicht der Weg, sondern der totale Crash.“
Tom Mustroph (taz) stimmt zu: „Die Schwarz-Blauen wetzten nicht nur, als wollten sie sich für die Premier League empfehlen. Sie brannten Mitte der zweiten Halbzeit sogar ein Feuerwerk an kurzen Pässen ab. Die Geschmeidigkeit der Sneijder, Thiago Motta, Zanetti, Cambiasso und Eto‘o erinnerte an die Eleganz der rivalisierenden Vettern vom AC Mailand. Die hatten ihr Kombinationsspiel ausgerechnet unter dem gegenwärtigen Chelsea-Coach Carlo Ancelotti einmal in höchster Vollendung betrieben. Doch diese Ancelotti-Prägung war bei Chelsea jetzt nicht zu bemerken. Der Mourinho-Stil bei Inter schon. Bemerkenswert war vor allem die Haltung, mit der seine Spieler zu Werke gingen. Bis in die Haarwurzeln konzentriert, stets aufmerksam, vor allem aber von einem den Göttern abgelauschten Selbstbewusstsein angetrieben, kontrollierten sie über weite Strecken das Geschehen.“
Cool spielendes Kollektiv
Und Italien-Expertin Birgit Schönau (SZ) sieht gar ein ganz neues Inter: „Das 1:0 gegen die Engländer zeigte Inter Mailand nach anderthalb Jahren als erneuerte, ja als neue Mannschaft. Ein besonnen, fast schon cool spielendes Kollektiv erstklassiger Techniker, die jeden Schritt unter Kontrolle hatten und den Gegner sowieso. Zum ersten Mal sah man wirklich Mourinhos Inter. Chelsea erwies sich als geradezu erschütternd zahnlos und taktisch hoffnungslos unterlegen.“
In der Berliner Zeitung lobt auch Julius Müller-Meiningen vor allem Inters Trainer: „Mit dem bedeutenden 1:0 beim FC Chelsea und dem Einzug ins Viertelfinale hat der Trainer sein vorläufiges Meisterstück bei Inter Mailand abgeliefert. Bemerkenswert war vor allem, mit welcher geschlossenen Leistung seine Mannschaft in beiden Spielen das Team von Carlo Ancelotti dominierte. Keiner der Spieler ragte heraus, alle verrichteten ihre taktischen Aufgaben perfekt.“ Und sicher nicht ganz uninteressant für die Freunde der Bundesliga: „An Lucio ist Mourinhos Handschrift vielleicht am besten abzulesen. Nicht einmal im Traum würde er heute Ausflüge in die Offensive unternehmen, wie er es beim FC Bayern gerne tat und damit die Mannschaft ins Wanken brachte.“
Wieder international zu kurz gekommen
Neben einem strahlenden Sieger gab es da ja auch noch einen Verlierer. Über diesen urteilt Raphael Honigstein (SZ): „Der Traum vom Europapokal bleibt für die Londoner weiter unerfüllt, und allmählich muss man sich Sorgen machen, ob ihn sich diese älter werdende, nahe am körperlichen Limit spielende Truppe noch erfüllen kann. Chelsea lebt von der Erfahrung und der Geschlossenheit eines seit 2004 kaum veränderten Kaders, dem nun die Zeit wegzulaufen droht. Das Aus gegen den Ex könnte jene Kräfte am Hofe Roman Abramowitschs stärken, die auf eine Verjüngung der Elf drängen.“ Was wiederum einen treffen könnte, der es gerne noch ein bis zwei Mal probieren würde, die Champions League zu gewinnen. Bis dahin bleibt er jedenfalls etwas unfertig.
Marco Plein meint bei Spiegel Online: „Für Ballack war der Abend stellvertretend für seine bisherige internationale Karriere, denn wieder ist er international zu kurz gekommen. Es bleibt bei null Titeln, und so langsam läuft seine Zeit ab. Ballack gehen die Chancen aus, doch noch einen ganz großen Titel zu erringen. (…) Im Sommer läuft sein Vertrag zwar aus, aber er will bleiben. Es gehe ihm nicht mehr ums Geld, hat er neulich verkündet. Man kann aber auch davon ausgehen, dass es in Europa keinen Club mit besseren Chancen auf einen Champions-League-Sieg gibt, bei dem Ballack noch unterkommen könnte.“
Und auch die FAZ nennt Ballack „den Unvollendeten“.