Bundesliga
Oberlehrer Labbadia, WM-Fahrer Brouwers, halbwüchsiges Hoffenheim
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| Dienstag, 30. März 2010Unter Labbadia leidet der HSV am Leverkusener Rückrundensyndrom, er überwirft sich wieder mit seinen Spielern, in Hoffenheim ist grauste Normalität eingekehrt, Roel Brouwers fährt vielleicht zur WM
Bei der Niederlage in Gladbach trat der HSV merkwürdig unkreativ auf. Richard Leipold schreibt im Tagesspiegel: „Bei ihren dosierten Gegenstößen wirkten die Gladbacher gefährlicher als ihre phantasielos drauflos stürmenden Widersacher. Unter dem Eindruck des Rückstandes verlieh der HSV seinen Angriffen ein wenig mehr Nachdruck. Zé Roberto und besonders der eingewechselte Jonathan Pitroipa mögen die Heimelf mit ihren Schüssen ein wenig erschreckt haben, mehr aber auch nicht.“ Schließlich wurde Guerrero für van Nistelrooy eingewechselt. „Doch es blieb dabei: Die Hamburger kickten zu einfallslos und gingen leer aus.“
Etwas anschaulicher schildert Kai Schiller im Abendblatt die schlappe Leistung des HSV: „Tatsächlich glich das Auftreten der Hamburger eher einer sonntäglichen Tanzveranstaltung im Seniorenheim als einem Kampf um Punkte in der Bundesliga. Statt aber wie im Vorjahr bis zum Saisonende auf drei Hochzeiten zu tanzen, muss sich der HSV nach der sechsten Saisonniederlage nun ernsthafte Sorgen machen, noch das Minimalziel der Qualifikation zur Europa League zu verpassen.“
Erklärungen hat Ulrich Hartmann (SZ) keine, zeigt aber im Falle Labbadia die „Parallelen zu den saisonalen Entwicklungen in Fürth und Leverkusen“ auf. „Welche Faktoren, Emotionen und Zufälle da auch mit hinein spielen mögen, es lässt sich nicht leugnen, dass alle drei Mannschaften unter dem Trainer Labbadia im Laufe der Saison abgebaut haben und tabellarisch abgerutscht sind.“ Labbadia verweise auf die vielen Verletzten und dass ihm eine schwere Rückrunde ohnehin klar gewesen sei. „Mit dem leidenschaftsarmen Auftritt am Sonntag hatte das aber wenig zu tun. Der Mannschaft fehlen Impulse, und die erwartet man eigentlich vom Trainer.“
Thomas Kilchenstein (FR) weiß Konkreteres über die Kritik am Trainer: „Labbadia wird hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen, in der Art eines Oberlehrers aufzutreten, die Trainingseinheiten ständig zu unterbrechen und zu kritisieren. Seine Ansprachen sollen sehr lange dauern; er nerve, heißt es, im zwischenmenschlichen Bereich gebe es Probleme. Dazu ziehe er ein gnadenloses Programm durch. Die Kluft zwischen Team und Trainer werde immer größer.“
Stefan Osterhaus berichtete jedenfalls schon am 24.03.2010 in der FTD, dass Urs Siegenthaler – künftiger Sportlicher Leiter beim HSV – bald zu tun bekommen könnte: „In der ersten Mannschaft sieht Siegenthaler kurzfristig keinen großen Änderungsbedarf.“ Bei den Spielern nicht, an anderer Stelle eventuell schon: „Siegenthalers Verpflichtung zeugt von Flexibilität. Und die könnte angesichts der aktuellen Probleme des HSV auch bald vom Schweizer verlangt werden. Vielleicht muss der Scout zuerst einen neuen Trainer ausspähen.“
Der torgefährlichste Abwehrspieler der Liga
Dem Siegtorschützen dieser Partie blüht eventuell der Verzicht auf seinen Sommerurlaub, berichtet die SZ: „Brouwers hat mit seinem siebten Saisontreffer das Tor des Tages geschossen. Er ist damit nun der torgefährlichste Abwehrspieler der Bundesliga. Da geriet es fast in den Hintergrund, dass Brouwers nahezu nebenbei auch noch den HSV-Stürmer Ruud van Nistelrooy sowie dessen Nebenmann Mladen Petric ausschaltete.“ Die Hoffnungen auf eine WM-Nominierung Brouwers würden sich auch für seinen Klub positiv auswirken, denn „so lange Brouwers eine WM-Chance besitzt, wird er den gegnerischen Stürmern ebenso wie den Torhütern das Leben weiter schwer machen.“
Halbwüchsiges Hoffenheim
Hoffenheim steckt trotz Punktgewinn, schließlich auch nur zu Hause und auch nur gegen Freiburg, weiter in der Krise. Wie einfach es war, gegen die innerlich zerstrittenen und teils von Größenwahn geplagten Hoffenheimer zu bestehen, berichtet Oliver Trust im Tagesspiegel: „Freiburg stand solide und tief gestaffelt in der Abwehr. Man ließ mit minimalem Aufwand 1899 kaum Lücken und musste bei eigenen Angriffen im Mittelfeld wenig Widerstand überwinden. Minutenlang quälten sich beide Teams mit Quer- und Fehlpässen, die meist zu schnellen Ballverlusten und einem insgesamt zähen Spiel führten. Die Freiburger mussten sich im Mittelfeld nur leicht verschieben, um Hoffenheim den Schwung zu nehmen. Nach der Pause gab es dann den Höhepunkt badischer Tristesse; Rangnick nahm seine Stürmer Maicosuel und Ibisevic vom Platz, was zeigte, wie tief die Probleme bei Hoffenheim sitzen.“
Absehbar, dass eine solche Situation mal eintreten würde, meint Wolfgang Hettfleisch (FR): „Dass die Überflieger mal hart landen würden, war unvermeidlich, die Kabalen in der Provinz aber sind es nicht. Die Spannungen dokumentieren, dass beim einstigen Kreisligisten nicht nur sportliche und ökonomische Potenz, sondern auch die Empfindlichkeiten und Machtansprüche der wichtigsten Akteure (zu) rasch gewachsen sind. Hoffenheim ist im Fußballgeschäft angekommen – im Guten wie im Schlechten.“ All die dabei entstehenenden Reibungen „anzunehmen und zu gestalten, darin besteht die Herausforderung, der sich der Halbwüchsige unter den Bundesligisten stellen muss.“
Herthas neue Defensivstärke
Gar nicht mal so schlecht spielt die Hertha in der Rückrunde. Eigentlich, denn, wie der Tagesspiegel feststellt: „Hertha tut sich schwer beim Toreschießen. Daran wird es wohl auch liegen, sollten die Berliner im Mai absteigen. Dieses Dilemma überdeckt, dass sich der Tabellenletzte auf einer anderen Position dramatisch verbessert hat. Hertha muss kaum noch Gegentore hinnehmen. Ganze neun sind es bisher in der Rückrunde, zwei weniger als die Bayern und genauso viele wie die Schalker. Diese neue Berliner Defensivkunst ist auch auf Roman Hubnik zurückzuführen. Der lange Tscheche fügte sich so gut und wie selbstverständlich in die Innenverteidigung ein, dass es beinahe den Anschein hatte, er sei schon immer dabei gewesen. Deshalb trifft es Hertha auch so hart, dass die Saison für Hubnik durch Verletzung beendet ist.“