indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Champions League

Unruheherd Olic vs Ein-Mann-Büffelherde Rooney

Frank Baade | Donnerstag, 1. April 2010 3 Kommentare

Manchester United verliert zum ersten Mal seit 2007 auswärts in der Champions League; Olic, der Unruheherd, versenkt Fergusons Team in letzter Sekunde; ist Bayern auf Augenhöhe oder nicht?

Äußerst unglücklich begann dieses Partie für den FC Bayern, als ein Verteidiger ausrutschte und Rooney die Führung ermöglichte. Michael Neudecker (Berliner Zeitung) schildert: „Beim 1:0 hatte Rooney Demichelis stehen gelassen, als gäbe es ihn gar nicht, und in der 39. Minute war Rooney schon wieder allein im Strafraum, Demichelis wieder woanders, und man zweifelte nun ein wenig an der Größe der Sehschlitze in der Maske. Es war auch ein bisschen Glück, dass Rooney seine Chance nicht nutzte. Das Publikum sprang auf, und gerade, als es sich wieder setzen wollte, begann Mark van Bommel einen Sturmlauf. Überhaupt tat Mark van Bommel dies öfter an diesem Abend, manchmal war er ein bisschen Ribéry. Allein: Es brachte nichts. Seine Schüsse und die der Mitspieler waren letztlich zu unplatziert, und wenn sie platzierter kamen, war da ja noch Edwin van der Sar.“

Nicht zufällig Olic

Am Ende wurde genau dieser van der Sar dann doch noch zwei Mal überwunden, beim zweiten Mal von einem Bayern-Spieler, dem natürlich das Augenmerk der Presse galt. So findet Moritz Kielbassa in der SZ den Torschützen zwangsläufig: „Nicht zufällig gelang Olic jenes Last-second-Tor. Die Sportlerphrase ‚Man-muss-das-Glück-auch-erzwingen‘, sie könnte im Poesiealbum des 30-Jährigen auf Seite eins stehen. Mit seiner Kämpfermentalität ist der mannschaftsdienliche Kroate ein Trumpf, der zu jeder Sekunde stechen kann. Hinterher konnten die Gelehrten herrlich streiten, ob dieses 2:1 das Ergebnis von van Gaals Den-Gegner-müde-spielen-Taktik war. Oder doch nur: die Instinkthandlung eines Stürmers.“

Michael Neudecker (Berliner Zeitung) stimmt zu: „Wer sonst als Olic hätte dieses Tor erzielen sollen? Er war der beste Mann an diesem Abend, tat, was er immer tut: rannte, rannte, rannte. Wer viel läuft, ist frei, und genau das ist die Stärke von Ivica Olic. Er ist kein brillanter Techniker, aber er ist das, was die Trainer einen Unruheherd nennen, als Verteidiger sollte man ihn nie aus den Augen lassen.“ In der Gesamtbewertung kommt Neudecker zum folgenden Schluss: „Man hatte mit dem Schlimmsten gerechnet für den FC Bayern, mit einem zweiten Barcelona vielleicht sogar. Aber die Bayern haben gezeigt, dass sie wohl besser sind als ihr Ruf. Sie gewannen ja nicht irgendwie, sondern sie dominierten Manchester United.“

Augenhöhe oder keine Augenhöhe?

In der Welt sieht das Anja Schramm sehr ähnlich: „Es war ein Erfolg, der den FC Bayern auf Augenhöhe mit Europas Spitze ausweist. Und es war ein Erfolg, bei dem der FC Bayern eine unter van Gaal wieder belebte Tugend demonstrierte. Wenn es darauf ankommt, sind die Münchner da, wie schon im Pokalhalbfinale auf Schalke. Und wie auch im Dezember in der Champions League in Turin, als sie sich beim 4:1 im abschließenden Gruppenspiel den Verbleib in der Königsklasse sicherten. Wie damals funktionierten sie auch diesmal als Kollektiv; sie mussten Arjen Robben (verletzt) und Bastian Schweinsteiger (gesperrt) ersetzen und taten es respektabel.“

Einzig Mathias Klappenbach (Tagesspiegel) widerspricht der vermeintlichen Augenhöhe mit dem Gegner: „Olics für jeden erkennbarer Einsatz ist ein Mosaikstein in dem großen Ganzen, das dem FC Bayern jahrelang gefehlt hat und das er nun entwickelt: eine Idee vom Spiel. (…) Noch sind die Münchner nicht auf Augenhöhe mit den Großen. Sie hatten Glück gegen Florenz, Juventus war desolat, und Manchester hatte besonders im Mittelfeld einen selten schwachen Tag. Im Rückspiel heißt der Favorit weiter Manchester United, statt Wayne Rooney stürmt halt Dimitar Berbatow. Die Bayern brauchen wieder einen eigenen starken Tag und einen schlechten des Gegners. Alles andere dauert noch ein bisschen.“

Manchester wackelte, Manchester fiel

Was war auf Seiten des Gegners los? Eine „Ein-Mann-Büffelherde“ nennt Klaus Hoeltzenbein in der SZ Wayne Rooney, wundert sich allerdings, dass den Bayern auf dem Platz offensichtlich nicht aufgefallen sei, dass dahinter wenig Furchterregendes folgte. Das Spiel sei nur so zu Ende gegangen, wie es der Fall war, „weil Ferguson wechselte, wie er wechselte. Ein großer Trainer mit einem riskanten Plan, der scheitert. Anschließend aber waren plötzlich neue Wege frei, die vorher nicht zu erkennen waren. Besonders für Klose und Gomez, die eingewechselten Stürmer. Von der Mittellinie aus konnten sie ihre lange nicht gesehenen Soli starten. ManU leistete weniger Widerstand, ManU wackelte, ManU fiel.“

Kommentare

3 Kommentare zu “Unruheherd Olic vs Ein-Mann-Büffelherde Rooney”

  1. Adlerauge
    Donnerstag, 1. April 2010 um 23:02

    Klar ist Olić kein Ballvirtuose wie Messi (aber wer ist das schon?). Ihn aber, wie von Kielbassa suggeriert, als technisch limitierten Spieler zu bezeichnen ist wirklich unfair. Der Kerl kann nicht nur bis zum Umfallen ackern sondern auch gut mit der Kugel umgehen! Ganz ehrlich: Olić muss sich vor niemandem verstecken…

  2. Matthias
    Freitag, 2. April 2010 um 07:28

    Danke für die Presseschau!

    Fergusons Auswechslungen in der 70. Minute seien verantwortlich für die Niederlage von Manchester (defensiver Mittelfeldspieler Carrick raus, Berbatov rein). Das meint Klaus Hoeltzenbein, und das meinen v.a. die englischen Medien. Stimmt schon: Bayern konnte danach stellenweise durchs leere Mittelfeld spazieren (z.B. Gomez vor dem 2-1). Bin mir aber dennoch nicht sicher: habe Bayern auch schon vor diesem Wechsel als dominant im Mittelfeld gesehen. Oder trügt mich meine Erinnerung?

    Was man auf englischen Seiten auch oft lesen kann (z.B. im 606-Forum von BBC oder auf zonalmarking.net – @IF: Danke nochmals für Letzteres!!! Das war ein grandioser direkter Freistoss): Demichelis sei verantwortlich für den Druck der Bayern im Mittelfeld. Ist das so? Ich konzentriere mich nur noch auf seine Defensivschwächen und sehe seine offensiven Qualitäten gar nicht mehr… Hmmm. Zeit für Rückbesinnung?

  3. shearer
    Freitag, 2. April 2010 um 10:36

    Zonalmarking rocks. Grandios! Danke für den Tipp. Wo kann ich denn am Sonntag sowas ähnliches über Bayern-Schalke lesen?

    @Matthias: Ich glaub, das mit Micho bezog sich auf die 1. Hälfte. Und da war es tatsächlich so, dass die besten Impulse kamen, wenn Micho mit dem Ball nach vorne gegangen ist (mind. dreimal). A propos Impulse: Hat eigentlich jemand einen Pass gesehen, den der Pranjic nach vorne gespielt hat? Was hatten die da im Mittelfeld alle Köddel in der Buchse..

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