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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Nur Klose strauchelt bei gelungener WM-Generalprobe

Matthias Nedoklan | Freitag, 4. Juni 2010 7 Kommentare

Das 3:1 der Nationalelf gegen Bosnien im letzten Spiel vor der WM entfacht in weiten Teilen der Presse Euphorie. Miroslav Kloses episches Formtief bereitet hingegen Sorgen

Michael Horeni (FAZ) hat der Auftritt der deutschen Nationalmannschaft überzeugt: „In einer Partie auf WM-Niveau deutete das Team das spielerische Potenzial in einigen Phasen an, das in der Jugend liegt. Auch die Willensstärke, sich gegen eine technisch starke Mannschaft nicht unterkriegen zu lassen, war beachtlich an einem Abend, der die Vorfreude der deutschen Anhänger auf die WM beachtlich steigerte.“ Die Anfälligkeit in der Defensive und die mangelnde Klasse im Sturm verhindere eine Favoritenstellung des Teams, dem Horeni aber Entwicklungs- und Begeisterungsfähigkeit unterstellt. Kapitän Lahm sei als Ballack-Ersatz blass geblieben, „Routine auf hohem Niveau war ein bisschen wenig Führungsleistung für diese um Selbstbewusstsein und Selbstverständnis ringende Mannschaft.“ Nach dem Ausgleich durch Lahm und den zwei verwandelten Elfmetern von Schweinsteiger habe das das 3:1 „das Publikum nun endgültig in WM-Stimmung“ versetzt. „Und mit einer umjubelten Ehrenrunde verabschiedeten die Fans eine deutsche Mannschaft nach Südafrika, die sie erst so spät wie möglich wieder in Deutschland empfangen will.“

Ungewohnte Schwächen bei Mertesacker

Gar auf dem Weg zum Titel wähnen Jan Christian Müller und Frank Hellmann (FR) die deutsche Elf. „Das Spielniveau passte sich über weite Strecken der wunderbaren Atmosphäre an.“ Zu Beginn haben die robusten Bosnier die deutsche Abwehr in Bedrängnis gebracht, besonders Per Mertesacker, so das Urteil, habe ungewohnte Schwächen gezeigt. Auch im Sturm gibt es ein Sorgenkind. „Gerade im Vergleich mit Dzeko wurde deutlich, wie weit Klose derzeit von der Weltklasse entfernt ist.“ Nach Lahms Ausgleich nahmen die Deutschen endgültig das Heft des Handelns in die Hand: „Müller und Cacau sorgten wiederholt für Alarm in der nun poröseren Gästedeckung, sie brachten Zug ins Spiel und dürften mit ihrem couragierten Auftritt im Kampf um die Plätze in der ersten WM-Elf an Klose und Trochowski vorbeigerannt sein.“ Eine alte deutsche Tugend spräche weiterhin für die Löw-Elf: „Vor allem konditionell waren die Deutschen schließlich besser.“

Sven Goldmann (Tagesspiegel) philosophiert über den Zusammenhang zwischen Generalprobe gegen Bosnien und Premiere gegen Australien am 13. Juni. „Entscheidend ist nicht das Ergebnis, sondern die Art und Weise, wie es erzielt wird. Insofern darf die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mehr als zufrieden sein.“ Deutschland habe die technisch starken Bosnier, abgesehen von der ersten Viertelstunde, fast durchgängig dominiert. Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira harmonierten im zentralen Mittelfeld, „bester Deutscher war wie schon am Samstag beim 3:0 gegen Ungarn Mesut Özil. Der Bremer glänzte als geschickter Einfädler im offensiven Mittelfeld, einmal legte er dem gleichfalls guten Kölner Lukas Podolski den Ball zum Lattenschuss auf ein zweites Mal traf er selbst den Querbalken.“  Im Sturm gab es jedoch auch Schatten: „Einzig Miroslav Klose dürfte dem Bundestrainer nach wie vor Sorgen bereiten. Der Münchner Bankdrücker blieb auch im letzten WM-Test blass und wird der Mannschaft in dieser Form wenig helfen.“

Leistungexplosion in der zweiten Hälfte

Für die Entscheidung, mit Bosnien im Testspiel einen unangenehmen Gegner aufzubieten, lobt Klaus Bellstedt (Stern) den DFB. „Die bosnischen Bundesliga-Stars Dzeko, Misimovic, Ibisevic und Co. deckten die Defizite im deutschen Spiel – zehn Tage vor dem ersten WM-Gruppenspiel gegen Australien – phasenweise deutlich auf. Man weiß jetzt wo man steht. Noch hat der Bundestrainer etwas Zeit, Fehler anzusprechen und zu korrigieren.“ Nach dem Wechsel in der Halbzeitpause habe man Geld darauf setzen können, „dass Müller und nicht Trochowski gegen Australien von Beginn an wird auflaufen dürfen. Zumal Müller nach seiner Einwechselung auf rechts sofort präsent war und endlich Druck auf die bosnischen Abwehrspieler ausübte. Trochowski zahlte das Vertrauen, das der Bundestrainer in ihn gesetzt hatte, nicht zurück. Der HSV-Spieler wirkte wie ein Fremdkörper in der Mannschaft.“ Ein großes Problem habe Löw und die deutsche Nationalmannschaft im Sturm und Miroslav Klose. „Dem erfahrenen Stürmer kommt in Löws wahrscheinlichem WM-System 4-2-3-1 eigentlich eine tragende Rolle zu. Klose ist ja nicht nur erfahren, er ist auch Mitglied des inneren Zirkels der Nationalmannschaft. Solche Spielertypen gehören normalerweise in eine WM-Startelf. Aber Klose kommt einfach nicht in Form. Die Torgefahr, die der Angreifer – im Moment jedenfalls ausstrahlt – grenzt an Null.“ So müsse Klose trotz Führungsspieler-Rolle um seinen Stammplatz bangen. „Cacau kam – und das Spiel kippte. Der Stuttgarter hat exzellente Trainingswochen hinter sich und strotzt nur so vor Selbstvertrauen.“ Der gebürtige Brasilianer und Thomas Müller seien die „prägenden Gesichter des WM-Härtetests gegen Bosnien.“ Auch Mesut Özil bewies seine Klasse. „Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft Mannschaft hatte gegen Bosnien gute Momente, vor allem in der zweiten Hälfte als sie mit einer Leistungsexplosion und viel Begeisterung und Tempo das Spiel noch drehen konnte. Trotzdem bewegt sie sich zehn Tage vor ihrem ersten WM-Spiel gegen Australien irgendwo zwischen Hoffen und Ungewissheit. Vieles muss sich noch finden.“

Klose wie ein Fremdkörper

Viel Arbeit sehen Jürgen Zelustek und Holger Luhmann (11 Freunde) auf den Bundestrainer zukommen. „Gegen die Gäste vom Balkan setzte Löw auf das vermeintliche Team, das auch gegen Australien die ersten drei WM-Punkte holen soll. Der Münchner Schweinsteiger und der Stuttgarter Khedira sollen vor der Viererkette frühzeitig die Angriffsbemühungen des Gegners unterbinden, was gegen die Bosnier im ersten Durchgang allerdings nur selten gelang.“ Miroslav Klose, immerhin WM-Torschützenkönig von 2006, „wirkte gegen die rustikale Gästeabwehr wie ein Fremdkörper.“ Der überragende Schweinsteiger „nutzte seine Elfmeter-Gelegenheiten eiskalt und zeigte auch die Energie und den Willen, der ihn bei Bayern München auszeichnete.“

Birger Hamann (Spiegel Online) vermisst den Killerinstinkt, freut sich aber über die Spielfreude der Nationalelf. „Mit Ausnahme von Piotr Trochowski zeigte sich das deutsche Mittelfeld spielfreudig und entschlossen. Angetrieben vom starken Sami Khedira, der gut mit Bastian Schweinsteiger auf der sogenannten Doppel-Sechs-Position harmonierte, spielte sich die Löw-Elf etliche Chancen heraus.“ Miroslav Klose blieb blass und „wurde nach 45 Minuten und nur acht Ballkontakten ausgewechselt und durch Cacau ersetzt. Und weil der Stuttgarter eine Belebung für die Offensive und stets gefährlich war, dürfte die Diskussion um das deutsche Sturmzentrum nach dieser Partie wieder neu entfacht werden.“ Für den WM-Auftakt gegen Australien spekuliert Hamann bereits über die Wackelkandidaten in der Startelf. „Währen Badstuber zumindest nicht negativ auf sich aufmerksam machte, sind die formschwachen Trochowski und Klose die größten Wackelkandidaten mit Blick auf den WM-Start.“

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Kommentare

7 Kommentare zu “Nur Klose strauchelt bei gelungener WM-Generalprobe”

  1. Peter Glock
    Freitag, 4. Juni 2010 um 17:34

    ich will mich ja nicht zu früh freuen: Aber wo bleibt nach dem wochenlangen Podolskibashing der Rückzug und das Eingeständnis, den jungen Mann ungerecht beurteilt zu haben.

    Gut,
    ich werde bis nach der WM warten. Dann ist die Sache klarer.

  2. Manfred
    Freitag, 4. Juni 2010 um 19:26

    Über Podolskis Leistungen in Freundschaftsspielen und gegen sowieso unterlegene Gegner hat doch noch keiner hier gemeckert, oder? In 3 Spielen, wenn die deutsche NM ausgeschieden sein wird, ist die Sache aber sicher klarer.

  3. Peter Glock
    Freitag, 4. Juni 2010 um 20:31

    sowieso unterlegene Gegner?

    Also ist die deutsche Mannschaft doch einigen recht starken Gegnern doch überlegen?

    Irgendwie verwirrend.

    Eine knapp an der WM vorbeigeschrammte Mannschaft als hoffnungslos unterlegen zu bezeichnen und dann soll Deutschland doch so schnell ausscheiden?

    Da dreht sich mir der Kopf!!!

    Aber, was uns beiden wohl klar ist:

    Nach der WM sehen wir klarer.

    Das freut mich, dass da Einigkeit herrscht!

    Juchhu!

  4. Heffer
    Samstag, 5. Juni 2010 um 10:19

    Ich versteh das mit dem Poldi-bashing auch nicht! wieso hat das denn aufgehört?
    Ich les oben: „gleichfals gut“ woanders: „poldi in WM-Form“

    Die Richtige Floskel für die Einzelkritik wäre: „Bemüht, aber glücklos“

    Wenn das Spiel eines gezeigt hat, dann dass Löws Lieblinge Poldi und Klose (über letzteren muss man ja kein Wort mehr verlieren) ganz objektiv zweite Wahl sind. (aber trotzdem nicht auf die Ersatzbank geschickt werden)

  5. Hans Dampf
    Samstag, 5. Juni 2010 um 17:26

    Um meinen Senf dazuzugeben: Mein Fazit ist, dass das seit Jahren die beste Spielkultur ist die ich gesehen habe! Löw scheint eben doch die richtigen Personalentscheidungen getroffen zu haben, nachdem so viel gekrittelt wurde.

    Ich finde es eine Schande, wie sich manche Zeitungen (z.B. tz) auf Klose stürzen. Im Herbst – als er das Siegtor gegen Russland und damit das Wichtigste der letzten 1 1/2 Jahre geschossen hatte – wurde er noch als der taktischste Stürmer in der Nationalmannschaft gerühmt, jetzt wird er runtergeputzt.

    Und dass einige hier Podolski ebenso abschreiben finde ich lächerlich. Der Lattenkracher war wirklich klasse!

  6. Oliver Fritsch
    Samstag, 5. Juni 2010 um 21:24

    Härtetestcharakter kann man dem Spiel nicht absprechen. Selten eine Mannschaft gesehen, die in einem Freundschaftsspiel so viel gefoult hat wie Bosnien. Das waren ja nicht nur zwei elfmeterreife Fouls.

  7. Peter Glock
    Sonntag, 13. Juni 2010 um 23:12

    @manfred
    1:0 für die Poldiklosefraktion 🙂

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