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Ball und Buchstabe

Charme eines Luftschutzbunkers

Jan-Carl Ronnecker | Dienstag, 8. Juni 2010 Kommentare deaktiviert für Charme eines Luftschutzbunkers

Spott über das deutsche WM-Hotel, Jabulani und Shakiras Waka Waka

Die deutsche Nationalmannschaft landet in Südafrika und bezieht ihr WM-Quartier. Die Herberge, bereits in den letzten Wochen aufgrund fehlender Baugenehmigungen in die Schlagzeilen geraten, wird noch einmal unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Thomas Scheen (FAZ) sehnt sich nach Ästhetik und Atmosphäre und ist deprimiert: „Jenseits des juristischen Streits, für den der DFB nichts kann, ist das Velmore wohl das ungastlichste Hotel, das sich in diesem Teil Südafrikas finden lässt. (…) Das kitschige Äußere wird in seiner Hässlichkeit vom düsteren Ambiente im Innern noch übertroffen. Die alles beherrschenden Farben sind Schwarz und Dunkelbraun, womit das Velmore in etwa den Charme eines Luftschutzbunkers versprüht. Es gibt einen kleinen und buckligen Trainingsplatz, der an den Fluss grenzt, für die Benutzung der beiden Pools empfiehlt sich bei der derzeitigen Witterung eine Qualifizierung als Eistaucher, und mitunter bleibt das warme Wasser in den Zimmern ein schöner Traum. Die Verarbeitung der beiden Gebäude und die Qualität der Zimmerinterieurs sind lausig und sehen genauso aus, wie sie offensichtlich gemeint sind: geringe Investition, schnelle Amortisierung, satter Gewinn. Trotzdem wird es kaum einem aus dem deutschen Team in den Sinn kommen, vor den Toren des Velmore nach Trost für die Augen zu suchen. Dafür sorgt allein die isolierte Lage des Hotels. Die benachbarte Käsefabrik ist wahrlich keine Attraktion, und die einzige Abwechslung, die das nächste Dorf zu bietet hat, ist der wöchentliche Altkleidermarkt.“

Philipp Selldorf (SZ) freut sich dagegen über den herzlichen Empfang: „Die Gemeinde hatte ganze Schulklassen zur Begrüßung entsandt, auch Teile der Nachbarschaft waren zum Fähnchenschwenken erschienen. Der herzliche Empfang setzte sich fort, nachdem die Gäste das Sicherheitstor passiert hatten. Jetzt sang und tanzte das komplett angetretene Hotelpersonal, und als Höhepunkt folgte eine Blasmusikvorführung auf einem Kudu-Horn, was die ursprüngliche Form der inzwischen weltweit bekannten südafrikanischen Vuvuzela-Tröte ist.“ Zudem gebe es bei Technik und Ausrüstung nichts zu bemängeln: „Das Internet funktioniert, die eigens georderte Unterhaltungselektronik ebenfalls, Sauna und Massagebänke sind pünktlich aus Deutschland eingetroffen, auch die in Südafrika beschafften Fitnessgeräte an ihrem Platz.“

Massenpanik bei Testspiel

Vor dem WM-Testspiel zwischen Nigeria und Nordkorea in Johannesburg kommt es zu einer Massenpanik mit etwa zwanzig Verletzten. Die Verantwortung dafür will keiner übernehmen. Javier Cáceres (SZ) verfolgt das Reihum der gegenseitigen Schuldzuweisungen: „Die südafrikanische Polizei beschuldigte die ‚privaten‘ Organisatoren – also mittelbar den nigerianischen Verband. Dieser räumte über seinen Vertreter Taiwo Ogunjobi zwar ein, dass es keine gute Idee gewesen sei, ins Makhulong-Stadion zu gehen – ausgerechnet in eine Gegend also, wo nicht nur Südafrikaner wohnen, die kein Geld für ein WM-Ticket haben und die Nachfrage nach Gratisveranstaltungen um so größer ist, sondern auch noch viele nigerianische Einwanderer. Ogunjobi deutete aber auch mit dem Zeigefinger auf die Fifa, die den Verband quasi gezwungen habe, in ein ‚ungeeignetes Stadion‘ zu gehen. Valcke betonte allerdings, dass die Fifa nur die zehn WM-Stadien gesperrt habe.“ Derweil ist OK-Chef Jordaan sicher, dass es so etwas bei der WM nicht geben werde „weil Fans ohne Ticket bereits einen Kilometer vor den Stadien weggeschickt werden sollen: ‚Sie werden nicht mal in die Nähe eines Stadions kommen.‘“

Ein Bericht dazu aus dem Handelsblatt.

Der Ball, das fremde Wesen

Thomas Klemm (FAZ) verfolgt belustigt, wie im Vorfeld der WM bereits ein inoffizieller Titel ausgespielt wird: „Alle vier Jahre findet die Querulanten-Weltmeisterschaft statt. Das Objekt der Beschwerde ist alle vier Jahre das gleiche: Es ist der Fußball, auf den alle eintreten. Bei der WM in Südafrika heißt das Spielgerät ‚Jabulani‘, und der Name ist so ziemlich das Einzige, worüber sich die Querulanten noch nicht beklagt haben. Ansonsten finden sie alles blöd an diesem Ball: Den einen ist er zu bunt, den anderen zu rund, und alle gemeinsam wettern sie über die Flug- und Flattereigenschaften.“ In der Folge werden die sattsam bekannten Äußerungen und ihre Urheber aufgelistet: „‚Eine Schande‘ sei das Ding, mäkelte der Italiener Buffon, ‚mies‘ sei es, sagte sein spanischer Torhüter-Kollege Casillas, assistiert vom Brasilianer Júlio César, den das Hightech-Produkt an Gummibälle erinnert, ‚die man in einem Supermarkt kauft‘“ versehen mit einem nicht ganz unwichtigen Hinweis: „Nicht überraschend ist, dass am Ball-Bashing vor allem Spieler teilnehmen, die einen anderen Ausrüster haben als den „Jabulani“-Hersteller“.

Au Waka

Der offizielle WM-Song, der sich genauso wenig vermeiden lässt wie das offizielle WM-Maskottchen, hat zwar nicht viel mit Südafrika zu tun, überfordert aber immerhin auch niemanden, schreibt Titus Arnu (sueddeutsche.de): „Ein offizieller WM-Song weist grundsätzlich nur ein Qualitätsmerkmal auf: Text und Rhythmus müssen möglichst einfach sein. Das Ding soll ja ein Welthit werden. Eine simple Mitsing-Melodie, dazu Bum-Bum-Gestampfe und ein paar Ethno-Elemente, die entfernt an den Austragungsort des Turniers erinnern. Shakiras offizieller WM-Song ‚Waka waka‘ erfüllt diese Mindestanforderungen. Waka waka? Das klingt ballaballa und ist genauso sinnfrei wie ‚Simsalabimbambasaladusaladim‘. Macht aber nichts, denn Shakira lächelt nett, zeigt ihren nackten Bauch und lässt im offiziellen Video zum offiziellen Song offizielle Elefanten und offizielle Büffel mit einem inoffiziellen Ball spielen, dazu gibt es viel Getrommel und tanzende Afrikaner.“ Allerdings: „Afrika verkörpert sie genauso wenig, wie die Klassik-Pop-Band Il Divo Deutschland verkörpert – deren Song ‚Time of Our Lives‘ war übrigens der offizielle WM-Song im Jahr 2006. Der Titel ist zum Glück längst vergessen, außer vielleicht im Waka-waka-Land.“

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