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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Hexerei, Schönspielerei und Geschäftemacherei in Südafrika

Jens Behler | Mittwoch, 9. Juni 2010 3 Kommentare

Die Weltmeisterschaft in Südafrika hat auf und neben dem Platz ihre ganz besonderen Reize

Was dem gemeinen deutschen Fußballer sein Aberglaube in Sachen Schuhwerk und Anziehritualen ist, ist den Afrikanern ihr Glaube an Hexerei und Wunderheiler. Thilo Thielke (SpOn) hat ein unterhaltsames Sammelsurium an verhexten Fußball-Geschichten vom schwarzen Kontinent zusammengestellt. Unter anderem war auch der ehemalige Bundesliga-Trainer Winfried Schäfer betroffen: „Schäfer musste beim Afrika Cup in Mali auf seinen Co-Trainer Thomas Nkono verzichten, weil der vor dem Halbfinale Knochen unter dem Rasen vergraben haben und ein seltsames Elixier verspritzt haben soll, um das Spielfeld zu verzaubern. Publikumswirksam wurde die Torwartlegende vor laufenden Kameras verhaftet und in Handschellen abgeführt. Die Nacht musste Nkono in Polizeigewahrsam verbringen. Und damit hatte er noch Glück gehabt. Weil Spieler des Halbfinalgegners sein frevelhaftes Tun beobachtet hatten, hatte ihm sogar eine Abreibung gedroht.“ Irgendwann war es aber auch den afrikanischen Funktionären zu viel Zauberei: „Dem afrikanischen Verband, der „Confederation of African Football“, geht die Sache mit den Geistern mittlerweile derart auf den Geist, dass er die Hexerei kurzerhand verbot. Keine Substanzen dürfen mehr auf dem Spielfeld ausgeschüttet werden, kein Witchdoctor darf mehr auf der Bank sitzen.“

Peter Körte (FAZ) begibt sich vor der WM auf die schwierige, weil immer subjektive, Suche nach dem ästhetischen Idealbild des Fußballspiels der heutigen Zeit: „Insofern lässt sich auch gar nicht entscheiden, ob nun das Robben-Solo über siebzig Meter schöner ist als Messis Dribbling, welches wie eine Kopie von Maradonas Alleingang wirkte; ob die Abspiele eines Xavi Hernandez kreativer sind als die in einer Computeranalyse sichtbare, makellose Verschiebung einer Viererkette, die antizipiert, wo sich Räume öffnen; ob der niederländische „Totaalvoetbal“ der siebziger Jahre eher auf der Höhe seiner Zeit war als der „Schalker Kreisel“ der dreißiger Jahre; ob das „Tiki-Taki“ genannte Kurzpassspiel der spanischen Nationalmannschaft ansehnlicher ist oder Kompaktheit und Vertikalspiel von Manchester United in der vorletzten Champions-League-Saison.“ Doch der Autor weiß auch, dass die Schönheit im Fußball ihre Grenzen hat: „Als der FC Barcelona, derzeit beliebtester Exponent des schönen Fußballs, sich Ende April die Zähne an Inter Mailands Deckungsriegel ausbiss, da löste sich der schöne Fußball einfach auf; er scheiterte an seiner Selbstgenügsamkeit, weil ästhetische Qualität im Fußball ein Relationsbegriff ist: Schön kann allein das Spiel sein, welches eine Antwort auf das Spiel des Gegners findet.“ Schlussendlich findet Körte jedoch den Reiz des heutigen Spiels: „Es ist eine agonale Ästhetik, dem Rhythmus einer komplizierten Choreographie vergleichbar, in der Schmerz und Scheitern, Triumph und Genie immer wieder neu ausbalanciert werden müssen; und in der aus einem schlichten Regelwerk und einem Minimum an Material eine immense Fülle von Möglichkeiten entsteht. Und genau deshalb freut man sich schon jetzt auf den kommenden Freitag, auch wenn die Partie Südafrika gegen Mexiko nicht gerade die Erfüllung des Traums vom schönen Spiel verspricht.“

Gute Geschäfte machen mit der Fußball-Weltmeisterschaft. Was in Deutschland 2006 so gut geklappt hat, soll nun auch in Südafrika funktionieren. Doch so einfach ist es für deutsche Unternehmen nicht am Kap der guten Hoffnung. Frauke Ladleif (FTD) berichtet von erschwerten Bedingungen, die jedoch dem Gastgeberland zu Gute kommen: „Seit Ende der Rassentrennung 1994 steht die wirtschaftliche Integration der Benachteiligten im Mittelpunkt der Politik. Als gesetzliche Grundlage gilt dafür die unter dem ehemaligen Präsidenten Thabo Mbeki eingeführte Broad-based Black Economic Empowerment (BBBEE), also die Förderung der eigenen Wirtschaftskraft ehemals ausgegrenzter Gruppen. Anhand eines Punktesystems bewerten Behörden, wie sehr das Angebot der Firma, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewirbt, die BBBEE-Kriterien erfüllt. Unternehmen werden daran gemessen, wie viele einheimische, nicht-weiße Mitarbeiter sie beschäftigen und entsprechend schulen, sich einen schwarzen Miteigentümer ins Boot holen oder sich lokale Partner suchen. Zusatzpunkte erhalten jene Firmen, die sich auch sozial für die örtliche Gemeinde engagieren. Bei der Auftragsvergabe ist daher neben Preis und Qualität auch die gesellschaftliche Komponente ausschlaggebend.“

Apropos Geschäfte. Die FIFA versprach Südafrika große Gewinne durch die WM. Diese halten sich bisher aber in Grenzen, auch weil die von der FIFA beauftragte Firma Match Hospitality ihre viel zu teuren Tickets in Kombination mit geblockten Hotelbetten nicht loswurde, wie Bartholomäus Grill in der Zeit Online zu berichten weiß: „Die Wucherei von Match löste im ganzen Land eine Preisexplosion aus, die weniger betuchte Fans aus aller Welt abschreckte. Als das Geschäft wider Erwarten schlecht lief, gab die Firma im März kurzerhand 441.695 Betten zurück. Den Kollateralschaden tragen die Hotels – sie klagen kurz vor dem Anpfiff über Buchungsraten von unter 40 Prozent. Einer der vier Teilhaber von Match Hospitality ist übrigens die Infront Sports & Media AG aus Zug in der Schweiz. An deren Spitze steht Philippe Blatter – ein Neffe des Fifa-Chefs. Seit sich die Vetternwirtschaft am Kap herumgesprochen hat, reden alle von der WM-Mafia. Und ein Buch, in dem Andrew Jennings die dunklen Machenschaften der Fifa beschreibt, verkauft sich in diesen Tagen besonders gut. Sein Titel: Foul!“

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Kommentare

3 Kommentare zu “Hexerei, Schönspielerei und Geschäftemacherei in Südafrika”

  1. Peter Glock
    Mittwoch, 9. Juni 2010 um 19:06

    Peter Körte schreibt:
    „Als der FC Barcelona…sich Ende April die Zähne an Inter Mailands Deckungsriegel ausbiss, da löste sich der schöne Fußball einfach auf…“

    Welch pathetischer Nonsens: Barcelona hatte nicht nur eine auf unglaubliche Art und Weise vergebene Chance zum 2:0(Krkič), sondern auch noch die ein oder andere gute Möglichkeit. Man denke nur an den Moment, als Pedro der Ball aus einem Meter fünfzig an die Hand geschossen wurde, bei absolut natürlicher Körperhaltung, er den Ball in den Strafraum passte und das darauffolgende Tor wegen dieses „HandSPIELS“ nicht gegeben wurde.
    Das Spiel hätte also mal ganz einfach 3:0 für Barca ausgehen können. Dann gäb es keinen so nen Sermon wie von Herrn Körte, sondern die Schwärmerei wäre weitergegangen.
    Hättewärewenn… ich weiß…
    Aber diese Schlussfolgerung ist einfach nur populistisch-ergebnisorientiert…
    um nicht zu sagen „pure Sch****“!

  2. Dani
    Mittwoch, 9. Juni 2010 um 21:09

    Danke für den Zonal-Link. Nett, dass sie sich auch die WM-Kader vorgenommen haben. Nicht perfekt, aber das Ergebnis ist wesentlich besser, als das aller GEZ-Milliarden zusammen…

  3. Caldwell
    Samstag, 12. Juni 2010 um 01:59

    „Es ist eine agonale Ästhetik, dem Rhythmus einer komplizierten Choreographie vergleichbar, in der Schmerz und Scheitern, Triumph und Genie immer wieder neu ausbalanciert werden müssen; und in der aus einem schlichten Regelwerk und einem Minimum an Material eine immense Fülle von Möglichkeiten entsteht.“

    Das klingt halt besser als „Shit happens!“

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