Ball und Buchstabe
Mandelas Gespür für die großen Gesten
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| Freitag, 11. Juni 2010Am Kap herrscht ein lange nicht dagewesener Optimismus, Nelson Mandelas Teilnahme an der Eröffnungsfeier wird sehnsüchtug erwartet
Ausnahmezustand in Südafrika: Zwar ist der Ball noch keine Sekunde gerollt, doch in Johannesburg, dem „Herzzentrum des Turniers“, hat die WM-Party längst begonnen, wie Bartholomäus Grill (Zeit) beobachtet hat: „Die Shoppingmalls haben sich in schrillsten Farben aufgedonnert, an jeder Ecke stehen Riesenbälle oder Soccer-Skulpturen, Verkäuferinnen, Kellner, Bankangestellte, alle tragen die grün-gelben Trikots ihrer Nationalelf. (…) Der letzte Schrei sind Kondome in den jeweiligen Landesfarben, die über die Außenspiegel gestülpt werden. Die Autos sehen dann aus, als hätten sie bunte Ohren.“ Die ausgelassene Stimmung wirke sich auf ganz Südafrika aus: „Das Land wird in diesen Tagen von einem Optimismus beflügelt wie seit dem Untergang der Apartheid nicht mehr.“
Warten auf Madiba
Neben dem anstehenden Turnierbeginn bewegt die Menschen am Kap der guten Hoffnung die Frage, ob Nelson Mandelas Gesundheitszustand einen Besuch bei der Eröffnungsfeier zulässt. In der FAZ analysiert Christian Kamp die Bedeutung: „Die Nachricht, dass sein Büro zumindest einen Kurzbesuch angesagt habe, genügte, um das Land in freudige Aufregung zu versetzen. Es wäre die Erfüllung eines Traumes, nicht nur für Mandela selbst.“
Welche „Symbolkraft“ das Erscheinen des ersten schwarzen Präsidenten des Landes habe, verdeutlicht Daniel Theweleit (FR): „Steven Pienaar erkennt im geplanten Auftritt Mandelas gar historische Dimensionen: ‚Das wäre so wie der Tag, an dem Nelson Mandela nach 27 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde’, sagt der Stürmer vom FC Everton zu Mandelas Wunsch, das Spiel zu sehen.“ Mandela habe ein feines Gespür dafür, wie der Sport für eine größere Sache nutzbar ist: „1995, in seinem ersten Jahr als Präsident, trug er beim Finale der Rugby-WM das Trikot der südafrikanischen Springboks und umarmte Francois Pienaar, den weißen Kapitän der Mannschaft; für viele Schwarze war dieser Gedanke lange Zeit ein Skandal. Rugby ist ein Sport der Weißen, doch Südafrika schlug damals die favorisierten Neuseeländer.“