WM 2010
Die Hitzfeld’sche Handschrift
| Donnerstag, 17. Juni 2010Europameister Spanien verliert sein Auftaktspiel gegen die krassen Außenseiter aus der Schweiz, die mit etwas Glück und einem klugen Lehrmeister das Unmögliche schafften
„Wird Spaniens Albtraum wahr?“ fragt Paul Hayward im Guardian. Zwei völlig gegensätzliche Staatsformen haben die Weltmeisterschaft aufgerüttelt, findet Hayward. „Das totalitäre Nord-Korea machte Brasilien das Leben schwer, die Schweiz – laissez faire trifft Konservatismus – schockt den Europameister Spanien in Durban. Die erste Überraschung im Turnier könnte ein Traum-Finale verhindern: Wenn die favorisierten Spanier in der Gruppe H nur zweiter werden, treffen sie im Achtelfinale höchstwahrscheinlich auf Brasilien.“
Hitzfelds Husarenritt
Frank Hellmann (Spiegel Online) schreibt zu „Hitzfelds Husarenritt“: „Spanien zauberte, Spanien stürmte – aber die Schweiz schoss das einzige Tor. Der Triumph des krassen Außenseiters gegen den Europameister trägt die Handschrift des Trainers: Ottmar Hitzfeld. Er hat ein Team geformt, das auch ohne Stars erfolgreich ist.“ Die Spanier beherrschten die Spielstatistik – ohne Ertrag. Als Sinnbild für die gesammelten Versäumnisse sieht Hellmann den einzigen Treffer des Gruppenspiels: „Hinten passierte ein entscheidender Fehler, vorne ergötzte man sich zu oft und zu lange an nutzloser Ballzirkulation.“
Fernando Llamas (El Mundo) sieht nach der Niederlage gegen die Schweiz keinen Anlass zur Fundamentalkritik an der spanischen Mannschaft: „Es wäre unsinnig und unangebracht, jetzt die dominante Spielweise der spanischen Selección und den Versuch, diese jedem Gegner aufzuzwingen, anzuprangern. Zwei Niederlagen in zwei langen Jahren sollten nicht Anlass dafür sein, sein Lieblingsspielzeug zu zerstören. Bemerkenswerterweise erlitt das Team beide Schlappen auf südafrikanischem Boden, in Wettbewerben der FIFA und gegen Mannschaften mit eher beschränkten Fähigkeiten, wie gegen die USA vor einem Jahr und jetzt gegen die Schweiz. In Durban gab es Fehler: viel weniger Fehler als Lichtblicke, aber sie waren entscheidend. Und vor allem fehlte Spanien das Glück”. Dennoch ist er zuversichtlich, was den weiteren Turnierverlauf anbelangt: „Das Finale ist möglich, mit dem Ausrutscher von Durban ging nichts Grundsätzliches zu Ende“.
Mitten in der Euphorie denkt Perikles Monioudis (Neue Zürcher Zeitung) bereits an die verbleibenden Gruppenspiele: „Mit den drei unerwarteten Punkten aus dem Spanien-Spiel kann das Schweizer Team die beiden restlichen Gruppenspiele zwar nicht gelassener angehen, denn weitere Punkte sind Pflicht. Doch kann die Mannschaft nun aus der Position der Stärke agieren, sprich den Gegner kommen lassen – der die Punkte noch dringender braucht als das Schweizer Team selbst.“
Aus dem Spanischen übersetzt von Christian Schwöbel
Kommentare
1 Kommentar zu “Die Hitzfeld’sche Handschrift”
Donnerstag, 17. Juni 2010 um 16:05
Hitzfeld scheint eine Vorliebe für spanische Mannschaften haben. Mit den Bayern hat er Real Madrid ja auch schon des Öfteren geschlagen! Mit den Eidgenossen hat er jetzt einen historischen Sieg gegen den Europameister feiern können. Hitzfeld sollte für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren!