Am Grünen Tisch
Geheimabsprachen und Dumping-Löhne
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| Samstag, 19. Juni 2010Die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 werfen ihre Schatten voraus, südafrikanische Sicherheitsleute arbeiten für Hungerlöhne, ein Schweizer profitiert vom Erfolg der Nordkoreaner
Der Blog von Mihir Bose bringt Licht ins Dunkel um die Abstimmung über die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Vor der Entscheidung Ende des Jahres ist es jetzt an der Zeit, Deals und kleine Absprachen einzugehen. So scheint es bereits ausgemachte Sache, dass die WM 2018 in Europa stattfindet, für 2022 will sich deshalb die USA besonders positionieren. „Das Abstimmungssystem der Fifa ist völlig undurchsichtig. Als Japan und Korea sich für die WM 2002 bewarben und alles nach einem Sieg für Korea aussah, verkündete Blatters-Vorgänger Joao Havelange, dass sich beide Länder die WM-Ausrichtung teilen. Der Hintergrund: Havelange hatte im Vorfeld Japan die WM versprochen.“ Das Rennen, so Bose, werde 2018 zwischen England und Russland entschieden, 2022 werden dann Katar und die USA um die Gunst der Fifa buhlen. „Die Sieger 2018 und 2022 werden an Allianzen vergeben, die nach der Verkündung des Wahl-Reglements im Oktober geschmiedet werden. Die USA wird hier die wichtigste Rolle spielen. Wie ironisch, dass die Neue Welt entscheidet, wo 2018 die WM stattfindet. Das zeigt, dass auch Fußball Politik ist.“
16-Stunden-Schichten im Stehen
Elena Beis (taz) kümmert sich um den ersten großen Aufreger der WM. Die privaten Sicherheitsleute, eigens für die WM angeheuert, protestieren gegen Dumping-Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Und bei den Demonstrationen und Streiks kommt es teilweise zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. „Auslöser für den Unmut sind die schlechten, schlecht kommunizierten und täglich willkürlich neu festgelegten Löhne vieler Wärter, die im Auftrag des WM-Organisationskomitees von der Sicherheitsfirma Stallion engagiert wurden.“ Die Konsequenzen sind gravierend: „Während der gewinnbringendsten WM in der Fifa-Geschichte sollen also, wenn man diesen Berichten Glauben schenkt, Menschen für Sicherheit sorgen, die 16-Stunden-Schichten im Stehen absolvieren, ohne jegliche Verträge, Sicherheiten und Rechte, ohne zu wissen, was sie für ihre Dienste verdienen, und die in einigen Fällen offenbar für die teuren Uniformen und Ausbildung selbst aufkommen – und in einigen Fällen weder Verpflegung noch Obdach haben. Ein Debakel für die WM.“
Neuer Kurs bei der Aids-Bekämpfung
Chiedza Chokera (taz) tadelt die Fifa für ihr anfängliches Zögern, die Weltmeisterschaft auch zur Aids-Aufklärung zu nutzen. Nun lenkt der Fußballweltverband jedoch ein: „Die südafrikanischen Aidskampagnen, von kirchlichen Gruppen bis zum Betroffenennetzwerk TAC (Treatment Action Campaign), sind begeistert über diesen Kurswechsel der Fifa. Nicht Millionen Kondome, sondern insgesamt 1,3 Milliarden wollen sie nun im Rahmen der WM kostenlos im ganzen Land verteilen, dazu Aufklärungsmaterial. Geplant sind Kulturereignisse, Ideenaustausch, Trainingsworkshops und natürlich ein Fußballturnier. Es ist ja schließlich die Fifa. Offiziell wird dies alles als Teil des südafrikanischen ‚Nationalen Strategischen Aidsplans 2002-2011’ dargestellt und als Maßnahme zur Erfüllung der staatlichen Aidsbekämpfungsziele Südafrikas, dessen Regierung bis vor wenigen Jahren Aids allerdings noch wenig Priorität beimaß.“
Jens Weinreich (Deutschlandfunk) widmet sich dem nordkoreanischen Team. Widerwillig muss sich dessen Verband den Fifa-Statuten unterwerfen und Pressetermine wahrnehmen. Dementsprechend groß ist das Medieninteresse. Von einem guten Abschneiden in der sogenannten Todesgruppe G würden aber weniger die Nordkoreaner profitieren – schließlich werden die Spiele wohl nicht im Land vom „geliebten Führer“ Kim-Jong Il übertragen: „Sollte eine Überraschung gelingen, wird vor allem ein Schweizer Unternehmer profitieren: Denn Karl Messerli, der gewöhnlich mit Geschenkartikeln handelt, hat sich schon vor zwei Jahren die Transferrechte an den Nationalspielern gesichert“, weiß Weinreich.
Es gibt kein Land, das Nordkorea heißt
Dass in Nordkorea eben auch Sport zur Politik gehört, lernt Holger Gertz (SZ): „Ihr Trainingsquartier in Tembisan ist abgeschirmt durch Soldaten, und wenn einer es wagen würde, sich unter dem Stacheldrahtzaun durchzugraben, wäre Gordon Watson sicher erfreut, ihn auf der anderen Seite in Empfang zu nehmen. Manchmal öffnen sich die Türen einen Spalt, dann darf man eine Viertelstunde beim Training zusehen und lässt sich vorher von Watson, der vuvuzelaartig schreien kann, die Bedingungen diktieren. Fußballer können etwas dafür tun, mit Vorurteilen aufzuräumen. Oder eben nicht. Pressekonferenz mit den Nordkoreanern, ein südkoreanischer Journalist kriegt das Mikro, das ist der Moment, in dem die Mundwinkel von Gordon Watson immer zu zucken beginnen, Südkoreaner müssen gar nichts fragen, schon dass ihnen das Mikro ausgehändigt wird, ist eine Art politischer Akt. Der Südkoreaner fragt Kim Jong Hun, den Trainer, er fragt etwas zu den Chancen von Nordkorea, es ist in dem Sinne keine politische Frage, aber der Blick von Kim Jong Hun wird finster, er sagt: ‚Es gibt kein Land, das Nordkorea heißt. Nächste Frage.‘ Man muss, politisch korrekt, Demokratische Volksrepublik Korea sagen, die Fifa hält sich daran.“